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SpurensucheMit dem Auto über die Hohenzollernbrücke

Lesezeit 4 Minuten

Reichlich Platz für Straßenbahnen, Autos und Fußgänger gab es im Jahr 1928 auf der Hohenzollernbrücke.

  1. Wo heute die Liebesschlösser hängen, gab es bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs eine zweispurige Fahrbahn mit Straßenbahngleisen in der Mitte.
  2. Die Hohenzollernbrücke galt mit ihren drei nebeneinander liegenden Fachwerkbögen als Beispiel moderner Ingenieurkunst.

Köln – Der Blick aus dem fahrenden Zug, der über die Hohenzollernbrücke langsam auf den Dom zurollt, weckt bei Besuchern und Einheimischen immer wieder Begeisterung. Kaum einer weiß aber, dass man diesen Blick vor etwas mehr als 70 Jahren auch aus dem Auto und sogar aus der Straßenbahn genießen konnte. Denn da, wo heute die Liebesschlösser hängen, gab es bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs eine zweispurige Fahrbahn mit Straßenbahngleisen in der Mitte. Letzte Erinnerung an diese Straße ist die kopfsteingepflasterte Rampe auf der Deutzer Seite nördlich des Hyatt-Hotels.

Heute gilt die Hohenzollernbrücke als ein Nadelöhr im Eisenbahnverkehr, doch war sie bei ihrer Entstehung in den Jahren 1907 bis 1911 ausdrücklich auch für den Auto- und Straßenbahnverkehr gedacht. Während unter den beiden nördlichen Bogenreihen eine schon damals ständig wachsende Zahl von Zügen fuhr, war die südliche Bogenreihe dem Straßenverkehr vorbehalten.

Im Rechtsrheinischen sieht man die letzten Reste der 1945 zerstörten Fahrbahn.

Die linksrheinische Auffahrt der Brücke lag da, wo sich heute das Gebäude mit den Restaurierungswerkstätten des Museums Ludwig (östlich der Straße Am Domhof) befindet. Hier gab es einen weiten, gepflasterten Platz mit der Endhaltestelle der Linie 4 der „Kölner Straßenbahn“, die in die damalige Nachbarstadt Mülheim fuhr. Links und rechts der beiden Gleise auf der 10,40 Meter breiten Fahrbahn war noch genügend Platz für Autos und zwei Bürgersteige.

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Die Hohenzollernbrücke galt mit ihren drei nebeneinander liegenden Fachwerkbögen als Beispiel moderner Ingenieurkunst, wie sie für viele Jahrzehnte den Brückenbau am Rhein beherrschen sollte. Zur Einweihung am 22. Mai 1911 kam Kaiser Wilhelm II. nach Köln, um die nach seinem Herrschergeschlecht benannte Brücke und die neuen Reiterstandbilder von sich selbst und seinem Vater Friedrich III. zu bewundern.

Die heute noch erhaltenen Figuren waren vor einer gewaltigen Toranlage im neoromanischen Stil platziert, deren türmchenreiche und wehrhafte Gestaltung auf einen Wunsch des Kaisers zurückging. Zeitgenossen kritisierten schon damals, dass die für ihre Zeit hochmoderne Brückentechnik mit einem Stück rückwärtsgewandten „romantischen Burgenzaubers an den Ufern des Rheins“ verbunden wurde.

Die Nordbrücke, oder die „Mausefalle“

Die Straßenbrücke hatte man schon acht Monate vor dem Kaiserbesuch mit einer kleinen Feier eröffnet. Damals war die zweite Eisenbahntrasse noch nicht fertiggestellt, und die Rheinüberquerung trug noch den schlichten Planungsnamen „Nordbrücke“. Aber die Autos sollten schnell wieder rollen. Wieder – denn schon die Vorgängerin der Hohenzollernbrücke, die erste feste Brücke seit der Römerzeit, hatte eine Fahrbahn.

Die 1859 zusammen mit dem „Centralbahnhof“ geschaffene „Dombrücke“ trug im Volksmund den Spitznamen „Mausefalle“, weil ihre Gitterkastenkonstruktion an eine Lebendfalle erinnerte. In dem Doppelkasten waren zwei Eisenbahngleise und zwei Fahrspuren untergebracht. Keine 50 Jahre später war die Brücke dem rapide anwachsenden Bahnverkehr, der durch den 1894 geschaffenen Hauptbahnhof rollte, nicht mehr gewachsen und wurde durch die Hohenzollernbrücke ersetzt.

Während über die Gleise die Güter des Industriezeitalters im ganzen Reich verteilt wurden, erschloss die Fahrspur das Rechtsrheinische und seine Ortschaften für die Wirtschaft des wachsenden Köln. Wenig später rollten deutsche Soldaten über diese Brücke an die Fronten des Ersten Weltkriegs, um dezimiert und geschlagen zurückzukommen.

Besonders dramatische Szenen ereigneten sich im März 1945 beim Einmarsch der Amerikaner. Die Nazis hatten die Evakuierung des linksrheinischen Köln angeordnet, und Zehntausende waren über die Brücke, die als einzige noch stand, ins Rechtsrheinische gezogen. Noch am 6. März 1945, als die Amerikaner bereits auf die Innenstadt vorrückten, versuchten verzweifelte Menschen mit Autos und zu Fuß die Rheinseite zu wechseln, um nicht zwischen die Fronten zu geraten.

Sprengung im Zweiten Weltkrieg

Um 12.55 Uhr war eine gewaltige Explosion in der Stadt zu hören, und die stählernen Brückenbögen sanken in den Rhein. Deutsche Truppen hatten Sprengladungen an den Brückenpfeilern angebracht und die Brücke zum Einsturz gebracht, um den Vormarsch der Amerikaner zu stoppen. Diese mussten bis Remagen ausweichen, um einen intakten Rheinübergang zu finden.

Die Sprengung der Brücke bedeutete das endgültige Ende dieser Straßenverbindung über den Rhein. Denn während die beiden Bogenreihen für den Zugverkehr in der Nachkriegszeit wiederhergestellt wurden, wurde auf den Straßenzug verzichtet. Hintergrund war, dass die Dom-Umgebung vom Straßenverkehr entlastet werden sollte. Zeitweise wurde sogar die Verlegung des Hauptbahnhofs auf das Gelände des Güterbahnhofs Gereon, dem heutigen Mediapark, erwogen, doch wurde der Plan wegen der damit verbundenen Kosten nicht umgesetzt. Den noch gut erhaltenen linksrheinischen Brückenbogen des Straßenzugs verkaufte die sparsame Stadtverwaltung 1948 nach Duisburg, wo er heute noch unter dem Namen Karl-Lehr-Brücke die Ruhr überspannt. Im gleichen Jahr wurde in Köln anstelle der südlichen Brückenbögen ein Bürgersteig angebaut. Es dauerte aber noch bis 1988, bis die Brücke ihre alte dreizügige Erscheinungsform – allerdings ohne die Turmportale – wieder hatte. Damals erhielt die Brücke auf der Nordseite einen eigenen Brückenzug für den wachsenden S-Bahnverkehr.

Damit war die Hohenzollernbrücke um die Breite eines Bogenzuges nach Norden gewandert. Wer heute auf der Deutzer Seite vor den Straßenbahnschienen im Kopfsteinpflaster der ehemaligen Brückenauffahrt steht, kann erkennen, wie sich diese auf Bürgersteigbreite verengt. Die ehemalige Fahrbahn zu Füßen des Standbilds von Kaiser Wilhelm I. aber endet vor einem Geländer, hinter dem heute nur noch gähnende Leere herrscht.