Köln – Erst die tanzende Streifenbeamtin Özlem Yagmur beim CSD, jetzt Toni Kirchmair: Innerhalb weniger Wochen hat die Polizei Köln völlig unverhofft ihren zweiten Internetstar geboren. Über Nacht ist der 61-jährige Kirchmair von der Kölner Innenstadtwache zu einer Berühmtheit auf Twitter, Instagram und Tiktok geworden. Millionen Menschen weltweit haben sich den 39 Sekunden langen Clip mit dem Streifenbeamten schon angesehen, aufgenommen wurde das Video am 6. August an der Komödienstraße.
In Kommentaren wird Kirchmair gefeiert: „Mega was für ein Gesichtsausdruck“, schreibt eine Userin, „der Polizist sieht mies sympathisch aber auch respektvoll aus“ ein anderer. Und ein dritter bekundet knapp: „Respekt für dich Polizei“.
Der kurze Film zeigt Kirchmair in Uniform, wie er lässig an einem Streifenwagen lehnt. Ein Mann mit Bodycam geht auf ihn zu, stellt sich höflich als Fotograf vor und fragt mit russischem Akzent: „Ich fotografiere interessant aussehende Menschen auf der Straße, darf ich ein Bild von Ihnen machen?“ Toni Kirchmair lacht und willigt sofort ein. Der Fotograf macht seine Bilder, stellt Clip und Foto auf seinen sozialen Netzwerken ein – und das ist eigentlich auch schon alles. Das Ergebnis: mehr als zehn Millionen Klicks seitdem.
Kölner Polizist Kirchmair hat schon mehr Klicks als Kollegin Özlem Yagmur
„Stellen Sie sich mal vor, ich hätte auch noch getanzt – was dann erst los wäre“, sagt der 61-Jährige und lacht, als der „Kölner Stadt-Anzeiger“ ihn diese Woche am Telefon erreicht. Kirchmair spielt auf das Video seiner Kollegin Yagmur an, das vor einigen Wochen ebenfalls millionenfach im Internet geteilt wurde. Özlem Yagmur habe ihm auch schon über einen Kollegen ausrichten lassen, „dass ich ihr bloß nicht den Rang ablaufen soll“, erzählt Kirchmair. Dabei hat er das längst getan, gemessen an den Klickzahlen.
In drei Wochen geht der erfahrene Beamte in den Ruhestand. Dass er auf seine letzten Tage bei der Polizei noch einmal unverhofft und unbeabsichtigt zum Internetstar geworden ist, hat ihn selbst überrascht, sagt er. Auf seinen Streifengängen durch die Innenstadt werde er neuerdings von überwiegend jungen Menschen angesprochen und um Selfies gebeten: „Sind Sie nicht der Polizist von Tiktok?“ Dabei hat Kirchmair nicht mal einen Tiktok-Account.
Der Mann, der ihn berühmt machte, heißt Weniamin Schmidt. Der 32-jährige Industriemechaniker – seine Mutter ist Deutsche, der Vater stammt aus Russland – ist Hobbyfotograf. „Streetphotography“ nennt er das, was er tut: fremde Menschen, die eine besondere Ausstrahlung auf ihn haben, auf der Straße anhalten und fragen, ob er sie fotografieren darf. Die Bilder lädt er auf seinen vielen Kanälen hoch. Fast 800.000 Follower hat Schmidt allein auf Tiktok, knapp 200.000 bei Instagram. Zuletzt hat er eine Polizistin in Stuttgart und einen Polizisten in Karlsruhe fotografiert – die Bilder bekamen je 20 Millionen Klicks.
Weniamin Schmidt fotografiert Menschen mit Ausstrahlung
„Ich weiß selbst nicht so genau, warum die Leute das so feiern, aber gerade Polizisten scheinen irgendwie interessant zu sein“, sagt Schmidt, der aus Karlsruhe kommt. An jenem 6. August war er zum ersten Mal in Köln unterwegs, um Menschen zu fotografieren. Toni Kirchmair sei ihm aufgefallen, „weil der einfach so entspannt da stand“, sagt Schmidt. „Er wirkte selbstbewusst und hatte eine sehr männliche Ausstrahlung.“
Kirchmair wartete in diesem Moment gerade auf Kollegen, die nach einem Einsatz in einem Kiosk noch Personalien aufnahmen. „Dass man im Dienst fotografiert wird, kommt sehr oft vor, das ist überhaupt nicht ungewöhnlich, vor allem Touristen fragen danach“, sagt der Streifenpolizist. Aber dass dieses Foto und das Video nur kurz darauf für Furore in den sozialen Netzwerken sorgte, habe er erst mitbekommen, als Kollegen ihn darauf ansprachen: „Toni, du bist bei Tiktok!“ Sogar ein chinesischer Polizist, den Kirchmair vor Jahren auf einer Auslandsmission im Südsudan getroffen hat, schickte ihm einen Tiktok-Link mit dem Clip – unterlegt mit chinesischen Untertiteln.
Anfang Oktober fährt Toni Kirchmair seine letzte Schicht – dann ist Schluss für ihn nach 26 Jahren bei der Kölner Polizei. Mit seiner Frau wandert Toni Kirchmaier nach Südafrika aus. Nicht auszuschließen, dass man ihn da auch längst kennt.