AboAbonnieren

Urteil im Stadtarchiv-Prozess in KölnOberbauleiter vernachlässigte Kontrollpflichten

Lesezeit 3 Minuten

Das Stadtarchiv stürzte am 3. März 2009 ein.

Köln – Eine Geldstrafe reiche nicht mehr aus, dafür seien die Folgen des Archiveinsturzes zu schlimm, begründete die Vorsitzende Richterin Sibylle Grassmann kurz vor dem Ende der Verhandlung das Strafmaß. In Anbetracht des Todes zweier Menschen sowie des „größten Schadens einer deutschen Kultureinrichtung seit dem Zweiten Weltkrieg“ sei allein eine Haftstrafe angemessen. Ein Jahr Gefängnis wegen fahrlässiger Tötung, ausgesetzt für zwei Jahre zur Bewährung – so lautet das Urteil, das die 20. Große Strafkammer des Landgerichts am Donnerstag gegen den Oberbauleiter Stefan H. (64) verhängte.

Der seit 1998 bei dem Unternehmen Züblin beschäftigte Ingenieur habe seine Kontrollpflichten beim Bau der U-Bahn unter der Severinstraße vernachlässigt und durch sein Unterlassen zu dem fast zehn Jahre zurückliegenden Unglück beigetragen, sagte Grassmann. Eine sorgfältige Überprüfung der ihm vorlegten, teils von ihm selber unterzeichneten Bauprotokolle hätte dazu führen müssen, dass eine undichte Stelle in einer unterirdischen Betonwand entdeckt und ausgebessert worden wäre.

Dadurch hätte sich der Einsturz des Archivgebäudes verhindern lassen. Denn die undichte Stelle, die seit 2005 bestand, habe Jahre später beim Aushub der Baugrube dem Druck der Erdmassen nicht mehr standgehalten. Große Mengen von Sand, Geröll und Grundwasser seien von außen in die Baustelle geströmt. Dem Archiv sei der Boden entzogen worden, so dass es schräg nach vorne kippte.

Stefan H. hörte der Urteilsbegründung nahezu regungslos zu. Er war erst im Nachhinein angeklagt worden, weil ihn einer der im Hauptprozess angeklagten Bauleiter belastet hatte. Für seinen Verurteilung war jedoch nicht diese Aussagen maßgeblich, sondern die sichergestellten Bauprotokolle. Die Frage, warum die Staatsanwaltschaft den Oberbauleiter nicht zusammen mit den übrigen Beschuldigten angeklagt hat, bleibt unbeantwortet.

H. ist der zweite und auch ranghöchste Baubeteiligte, der im Zusammenhang mit dem Unglück verurteilt worden ist. Einen weiteren Prozess kann es wegen der nach zehn Jahren eintretenden Verjährung nicht mehr geben. In dem im Oktober 2018 beendeten ersten Archivprozess verhängte das Landgericht eine achtmonatige Bewährungsstrafe gegen einen Bauüberwacher der Kölner Verkehrs-Betriebe.

Drei Freisprüche zuvor

Eine weitere KVB-Mitarbeiterin sowie zwei Bauleiter privater Unternehmen wurden freigesprochen. Die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig, da sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Verurteilte Revision beantragt haben. Das kündigten die Anwälte des Oberbauleiters im Anschluss an die Verhandlung ebenfalls an.Das Urteil sei „in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fehlerhaft“, kritisierten die Verteidiger Christian Graßie und Christian Schubert. „Eine Sorgfaltspflichtverletzung unseres Mandanten ist nicht gegeben. Zudem ist die Ursache der Havarie nicht abschließend geklärt.“

Die Arbeitsgemeinschaft der am Bau der U-Bahn beteiligten Unternehmen hält den Hergang der Katastrophe ebenfalls für nicht erwiesen. Das Urteil sei nicht nachvollziehbar, heißt es in einer Pressemitteilung. „Im Zivilverfahren werden die Beweiserkundungen am Waidmarkt fortgesetzt, weil die Einsturzursache eben nicht endgültig geklärt ist.“

In dem Streit um Schadensersatz, der sich immer noch in der vorgerichtlichen Phase befindet, geht es um eine Summe von einer Milliarde und mehr. Die Kölner Verkehrs-Betriebe und die Stadtverwaltung sehen die Baufirmen in der Pflicht. Das am Donnerstag erfolgte Urteil wolle man nicht kommentieren, sagte KVB-Sprecherin Gudrun Meyer. Wohl aber „stellen wir fest, dass auch die Strafkammern bestätigen, dass der Einsturz eindeutig und allein durch einen Fehler beim U-Bahn-Bau verursacht worden sind“.