Köln – Sein Vater, der als Elektriker auf einer Werft in Belfast arbeitete, hatte dank seiner Gastarbeiterzeit in Detroit eine der größten Jazz, Blues und R'nB-Plattensammlungen Nordirlands angehäuft. So wuchs Van Morrison mit den Stimmen Ray Charles' und Solomon Burkes auf. Sie wiesen ihm den Weg heraus aus seinem scheinbar vorbestimmten Schicksal als Kind der Arbeiterklasse: Von der Karriere als Fensterputzer erlöste ihn eine Coverband, mit der er unter anderem auch durch Deutschland tourte. Und hier, genauer gesagt in den Kölner Ariola Studios, spielte der Noch-nicht-Volljährige auch seine erste Single ein, die vergessenswerte Tanznummer „Boozoo Hully Gully“. Zu hören ist Morrison hier allerdings nur am Saxophon. Zwischen diesen bescheidenen Anfängen und dem hochsommerlichen Konzert vor der Hohen Domkirche zu Köln liegen fünfundfünfzig Jahre, ein ganzes Musikerleben.
Van Morrison leiht bei Eddie, Vinson, John Lee Hooker und Miles Davis
Prompt eröffnet Van Morrison seinen Freiluftauftritt mit einem Stoß ins Saxophon. Natürlich verliert er kein Wort über die Kölner Geschichte, oder über sonst etwas. Stattdessen versteckt er sich unter Fedora-Hut und Sonnenbrille und lässt allein die Musik sprechen. Hier aber ist er mit seinen bald 73 Jahren zur Plattensammlung seines Vaters zurückgekehrt, beginnt mit einem Cover von Eddie „Cleanhead„ Vinsons „Hold It Right There„, spielt einem Blues von John Lee Hooker, interpoliert Miles Davis' „So What„ in den eigenen Hit „Moondance„ - und lässt auch alle anderen Songs aus eigener Feder wie uralte, schaffelnd angejazzte Standards aus dem großen amerikanischen Songbook klingen.
Seine sechsköpfige Band klingt dabei wie ein großes Tanzorchester, der Organist doubelt als Trompeter, die Vibraphonistin bedient auch die Percussion. Morrisons Stimme darf man dabei getrost als weiteres Blasinstrument dazuzählen. Mühelos - manchmal barsch, manchmal fahrig - hebt der griesgrämige Meister an, zerdehnt, zerhackt, verstolpert die Worte, und entlockt ihnen mehr Musikalität als irgendein anderer Sänger weißer Hautfarbe. So transzendiert er regelmäßig sein Material, das eigene wie das aus der Plattensammlung.
An diesem Mittwochabend im Schatten der Kathedrale aber geht es ihm vor allem darum, sich selbst einzureihen in die väterliche Plattensammlung. Immer wieder möchte er diesen Rhythmus hören, singt er im neueren Stück „Broken Record“ und wiederholt dann dessen Titel immer wieder, als ließe ein Kratzer die Nadel hüpfen.
„Raincheck“ ist Highlight des Abends
Von solchen ekstatischen Momente hätte man sich mehr gewünscht, den schönsten des Abends liefert ausgerechnet der Song „Raincheck“ vom eher durchschnittlichen Mittneunziger-Album „Days Like This“: „I don't fade away, I don't fade away, unless I want to“ beharrt Morrison hier und nein, verblasst ist sein Stern noch lange nicht. Pünktlich nach anderthalb Stunden geht Morrison mit einem vernuschelten „Dankeschön“ von der Bühne, kommt gleich noch einmal wieder zurück, um "Gloria", den unverwüstlichen 60er-Jahre-Hit seiner Band Them über den Roncalliplatz herauszutrompeten. Darauf hätte man gerne „in excelsis deo" geantwortet, stattdessen ließ die Band noch einmal im Alleingang die Virtuosensau heraus, völlig unnötigerweise.