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Ein Drittel weniger TemposünderWarum in Köln immer seltener geblitzt wird

Lesezeit 4 Minuten
Auf der Inneren Kanalstraße vor dem Finanzamt Nord hat die Stadt Köln einen Starenkasten (Radarfalle, Blitzer) installiert. Er kann in beide Fahrrichtungen blitzen und vermutlich auch alle Spuren überwachen.

2021 befand sich nicht nur die Corona-Pandemie, sondern auch die Zahl der Temposünder auf einem Höhepunkt. Seitdem sinkt die Zahl (Symbolbild).

Die Stadt blitzt immer weniger Menschen in Köln - und nimmt deswegen auch weniger Geld ein. Woran das liegt, welche Rolle Corona spielt und warum die Straßen trotzdem nicht sicherer werden.

Seit 2019 gilt vom Ubierring bis zum Ebertplatz auf den Ringen durchgängig Tempo 30, auf den Abschnitten Hansaring, Kaiser-Wilhelm-Ring sowie Hohenzollern – und Habsburgerring sogar schon seit 2016. Doch offensichtlich haben das noch immer viele Autofahrerinnen und Autofahrer nicht mitbekommen – oder es ist ihnen schlicht egal.

Fest steht jedenfalls, dass gleich die Anlage am Hansaring Richtung Ebertplatz (Platz eins) und die beiden Blitzer am Kaiser-Wilhelm-Ring (Platz drei und vier) laut Stadt zu den Top 5- Blitzern in Köln gehören. Komplettiert wird die Liste von den Blitzern am Auenweg in Mülheim und dem Blitzer am Brücker Mauspfad in Fahrrichtung Porz.

Insgesamt hat die Stadt im vergangenen Jahr 24.943.433 Euro durch Blitzer eingenommen. Das sind rund 600.000 Euro weniger als ein Jahr zuvor. Im Fünf-Jahres-Vergleich haben die Kölner Blitzer 2022 mit 29.916.478,16 Euro am meisten Geld in die Stadtkasse gespült. Das war deutlich mehr als noch 2021. Grund dafür dürfte der im November 2021 inkraftgetretene neue Bußgeldkatalog sein.

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Seitdem müssen Temposünder teilweise doppelt so viel zahlen wie zuvor, wenn sie erwischt werden: Wer 16 bis 20 km/h zu schnell ist, zahlt innerorts 70 Euro statt 35 Euro, außerorts sind es nun 60 Euro statt 30 Euro. Auch Raser werden deutlich härter bestraft: Wer mehr als 40 km/h zu schnell unterwegs ist, der zahlt mindestens 400 Euro statt 200 Euro. Das schlägt sich auch in den Einnahmen der Stadt nieder.

Ende der Corona-Pandemie als Ursache für Blitzer-Rückgang?

Doch der neue Bußgeldkatalog entfaltet laut Stadt auch eine abschreckende Wirkung. Denn wie schon die abfallenden Einnahmen seit 2022 zeigen, sinkt auch die Anzahl der geahndeten Verstöße – und das deutlich. Ahndete die Stadt 2021 noch 609.336 Verstöße waren es im vergangenen Jahr mit 413.325 rund ein Drittel weniger. Allein im Vergleich zu 2023 (470.098) sank die Zahl der Verstöße im vergangenen Jahr um zwölf Prozent.

Aus Sicht der Stadt sind neben dem neuen Bußgeldkatalog und einer hohen Kontrolldichte auch das Ende der Corona-Pandemie für den Rückgang der Blitzerzahlen verantwortlich. All das habe „mittelfristig positive Auswirkungen auf die feststellbaren Geschwindigkeitsverstöße und insoweit vor allem auf die Verkehrssicherheit“, sagte ein Sprecher der Stadt.

Was zunächst überraschend scheint, hat die Stadt schon 2021, als der Effekt erstmal sichtbar wurde, mit den leeren Straßen während der Pandemie erklärt: „Viele Menschen sind im Homeoffice, es gibt weniger Verkehr auf den Straßen, was zu schnellerem Fahren auch zu Tageszeiten verleitet, zu denen sonst schnelleres Fahren wegen des Verkehrsaufkommens nicht möglich ist“, sagte ein Stadtsprecher damals.

Ein weiterer Grund für den Rückgang bei den Verstößen und Einnahmen könnte aber auch die Zahl der defekten Blitzer sein. Das räumt auch der Stadtsprecher ein: „Ausfälle von Anlagen, zum Beispiel durch technische Defekte oder bauliche Maßnahmen, können zu unterschiedlichen Einnahmen führen.“

40 stationäre Blitzer, die teils in mehrere Fahrrichtungen ausgerichtet sind, hat die Stadt in Köln fest installiert. 12 davon sind aktuell defekt. Manche davon sogar seit einem Jahrzehnt, wie etwa einige der Blitzer auf der Zoobrücke (wir berichteten). Hinzu kommen neun mobile Überwachungsanlagen und 13 semistationäre Blitzer, die nur vorübergehend an wechselnden Unfallschwerpunkten blitzen.

ADAC sieht einen anderen Grund

Thomas Müther, Sprecher beim Automobilclub ADAC Nordrhein, hält die Erklärungen der Stadt für den Rückgang der Blitzerzahlen grundsätzlich für plausibel: „Der neue Bußgeldkatalog kann eine Rolle spielen, ist aber sicher nicht der einzige Faktor.“ Neben ausfallenden Blitzern vermutet er vor allem die Zunahme des Verkehrs als Ursache. Er verweist auf eine Studie von „Inrix“, einem amerikanischen Anbieter von Verkehrsdaten und -analysen. Demzufolge verzeichnete Köln 2024 einen deutlichen Zuwachs der Stauzeiten, sie stiegen um zwölf Prozent auf 56 Stunden. Damit liegt Köln bundesweit auf Platz vier der staureichsten Städte. „Und wer im Stau steht oder nur langsam vorankommt, der kann natürlich auch nicht geblitzt werden“, so Müther.

Sicherer wird der Verkehr, so wie von der Stadt behauptet, allerdings nicht. Ganz im Gegenteil: Die Rückkehr der Autos auf die Straßen sorgt bisher zwar für weniger Blitzer, aber für mehr Unfälle. In nahezu allen Bereichen sind die Zahlen der polizeilichen Verkehrsunfallstatistik 2023 gestiegen. Damit befinden sich die Werte inzwischen wieder auf dem Vor-Corona-Niveau des Jahres 2019. Insgesamt zählte die Polizei 36.833 Unfälle, das sind 100 pro Tag. „Das Leben ist zurück auf der Straße“, sagte der Leitende Polizeidirektor Frank Wißbaum bei der Vorstellung der Statistik im vergangenen Jahr. Zahlen für 2024 liegen noch nicht vor.