Innenstadt – Fotografieren? Nein, danke. Zeichnen ist wieder in. Draußen malen, unterwegs in der Stadt, auf dem Land, überall dort, wo einem der Alltag begegnet. Urban Sketching nennt sich der Trend, der 2007 von Gabriel Campanario, einem spanischen Journalisten und Illustrator in Seattle (USA), ins Leben gerufen wurde. Mittlerweile umfasst die Bewegung Tausende von Künstlern aus aller Welt, die in sozialen Netzwerken ihre Skizzen austauschen.
Urban Sketching aus Porz
Anne Peppersack ist eine von ihnen. Vor zwei Jahren entdeckte die Kölnerin aus dem rechtsrheinischen Porz-Ensen das Zeichnen in der Stadt für sich. Über Facebook sei sie auf den Trend aufmerksam geworden, erzählt die 57-jährige gelernte Grafikdesignerin. Malen und zeichnen habe sich immer schon wie ein roter Faden durch ihr Leben gezogen.
Die zunehmende Flut an geknipsten Handyfotos, die einen „zumüllen“, habe ihre Entscheidung unterstützt, wieder zu Bleistift und Skizzenblock zu greifen, um draußen vor Ort zu zeichnen, den Augenblick zu genießen und das Erlebte auf Papier zu bringen. „Ich liebe die Veedel“, sagt sie. „Die Gassen, die Büdchen, den Dom, die Menschen.“
All diese Motive finden sich auf den Bildern der Künstlerin wieder, von denen sie jetzt rund 50 in ihrer ersten Ausstellung in Kölns ältester Künstlerkneipe, der „Kleinen Glocke“ in der Glockengasse, zeigt. Zwischen wertvollen und seltenen Kunstwerken, darunter Unikaten des Zeichners und Sängers Arno Faust, der bis zu seinem Tod im Jahr 1984 die blank gescheuerten Biertische in der Kneipe als Atelier nutzte, hängen Peppersacks Aquarellgemälde in quadratischen und rechteckigen Rahmen an den erdfarbenen Wänden. Auch sie habe schon die „Kleine Glocke“ gezeichnet, mit FC-Fans, die sich samstags nach einem gewonnenen Heimspiel vor der kölschen Kneipe trafen.
Oranger Textmarker
Auf dem Skizzenblock, den Anne Peppersack immer bei sich führt, hält sie die Augenblicke fest, die sie gerade an einem bestimmten Ort erlebt. „Ich skizziere nur ein paar Elemente, halte Umrisse fest und Silhouetten“, sagt sie. Zu Hause koloriere sie die Skizzen dann mit Buntstiften oder Aquarellfarben. „Ab und zu verwende ich auch orangenfarbene Textmarker“, erzählt die Künstlerin, „um beispielsweise leuchtend orangene Warnwesten möglichst echt darzustellen“.
Peppersacks Bilder sind das Ergebnis einer individuellen Sichtweise auf das Geschehen. Ehrlich, bunt, spielerisch, überraschend, oft skurril. „Manchmal springt einen der Moment an“, sagt sie. Wie beispielsweise das hell leuchtende 4711-Logo an der Glasfassade des Kölner Hauptbahnhofs, das sich im Bild vom langwelligen Licht der untergehenden Sonne absetzt. Die Künstlerin spielt mit natürlichem und künstlichen Mischlicht, mit Kontrastfarben und verschiedenen Perspektiven.
Der Mensch im Mittelpunkt
Auf ihren Bildern sind Menschen zu sehen, die das Bild zum Moment machen: Tagträumer, Nachtschwärmer, im Karneval oder bei der CSD-Parade, am Büdchen oder im Supermarkt, auf regennassen Straßen oder als Jeck em Sunnesching. Das Aquarell von der „Kleinen Glocke“ hat Kneipenwirtin Stephanie Rommerskirch direkt für ihre Gaststätte gekauft. Die Bilder seien bezahlbare Kunst mit direktem Bezug zum Motiv, sagt sie.
Die Ausstellung in der „Kleinen Glocke“, Glockengasse 58-60, ist noch bis zum 17. Februar zu sehen. Unter dem Titel „Skizze – Veedel – Lieblingsplatz – mit dem Skizzenbuch unterwegs“, gibt die Künstlerin erstmals vom 29. Januar bis 1. April 2020, immer mittwochs von 17 Uhr, bis 19.15 Uhr, einen VHS-Kurs im Bezirksrathaus Lindenthal, Eingang Oskar- Jäger Straße, Aachener Straße 220.