Im Interview spricht die Sportmoderatorin über den nicht enden wollenden Sportsommer und Kritik an Sportmoderatorinnen.
ARD-Moderatorin Esther Sedlaczek„Ich habe auch mit negativer Berichterstattung leben müssen“
Frau Sedlaczek, ich erwische Sie gerade auf dem Rückweg vom DFB-Pokal-Spiel, haben Sie denn gar keine Pause?
Esther Sedlaczek: Doch, ich hatte schon eine Pause nach Olympia. Zwischendurch komme ich auch immer zur Ruhe. Aber in einem Jahr wie diesem ist es in der Tat intensiver als gewöhnlich.
Das war tatsächlich ein sehr intensiver Sportsommer mit EM und Olympia. Was wird Ihnen am meisten in Erinnerung bleiben?
Die Olympischen Spiele waren für mich ein absolutes Highlight meiner Karriere. Das liegt auch daran, dass es für mich das allererste Mal Olympia war. Und ich habe die Spiele in Paris als sehr besonders wahrgenommen. Vor dieser Traumkulisse in Spielstätten, die wahrscheinlich auf alle Zeiten ihresgleichen suchen werden. Ich habe sowieso allergrößten Respekt vor den Athleten, die vier Jahre lang alles geben für diesen einen Moment und nicht das große Geld verdienen wie Sportler in anderen Bereichen. Da fiebere und leide ich extrem mit.
Esther Sedlaczek im Interview: „Es ist für mich bis jetzt unwirklich, dass ich bei der Heim-EM dabei gewesen bin“
Und von der EM im eigenen Land?
Es ist für mich bis jetzt unwirklich, dass ich bei der Heim-EM dabei gewesen bin. Die WM 2006 in Deutschland war für mich etwas ganz Besonderes. Wenn mir damals jemand gesagt hätte: „In 18 Jahren stehst du da unten und bist ganz nah dran“, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt. Jetzt war es so weit und das war einfach schön.
Was nehmen Sie von beiden Events über das Sportliche hinaus mit? Es wurde viel über Sport als verbindende Kraft in der Gesellschaft gesprochen.
Ich habe das Gefühl, dass die EM und die Olympischen Spiele etwas Positives bei den Menschen hervorgeholt haben durch die Begeisterung für den Sport. Viele haben das Leben vielleicht wieder ein Stück weit mehr genossen und wurden von ihren Sorgen – die wir alle haben – abgelenkt. Wir gucken alle mit sorgenvollen Gedanken in die Zukunft. Ich bin auch nach Paris mit dem Gedanken gefahren: Hoffentlich passiert nichts. Am Ende hatte ich knapp drei Wochen lang eine tolle Zeit.
Sie sind bekannt als Fußballexpertin. Wie war es für Sie, bei Olympia an einem Tag etwa einen Olympiasieger im Reiten zu interviewen und am nächsten Tag einen Kanuten?
In dem Moment bin ich in erster Linie ein interessierter, sportbegeisterter Mensch, der sich mit Leuten trifft, die Großes erreicht haben und aus einer Sportart kommen, in der ich mich längst nicht so gut auskenne wie im Fußball. Aber ich bin an der Geschichte interessiert. Diesen Moment gemeinsam rekapitulieren zu lassen, hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Da musst du auf dem Gebiet nicht der absolute Experte sein, da hilft einfach das Interesse am Sport und an den Menschen.
Wie anders ist die Vorbereitung auf ein Event wie Olympia als etwa auf die Fußball-EM?
Es ist vollkommen unterschiedlich. Bei der Fußball-EM oder -WM stelle ich mich auf neue Mannschaften und Namen ein, und setze mich mit Stärken und Schwächen der Spieler auseinander. Bei den Olympischen Spielen habe ich mich jeden Tag mit mehreren vollkommen neuen Sportarten auseinandergesetzt. Das Schöne ist, dass ich viele Experten vor Ort hatte, die mir ganz viel erklären konnten. Eigentlich hat man den ganzen Tag, wenn man nicht im Studio war, zusammengesessen und sich gemeinsam vorbereitet. Fast wie auf einer Klassenfahrt.
Bei der EM waren Sie auch mit Bastian Schweinsteiger ein kleines Team, das immer zusammengearbeitet hat.
Das war auch eine intensive Zeit, wobei Olympische Spiele noch intensiver sind. Wir waren die komplette Zeit alle in einem Hotel und man hat sich ständig gesehen.
Sie sagten, dass Sie auch Pausen machen. Von außen betrachtet merkt man davon nicht viel: Mit der „Sportschau“ geht’s weiter, Sie werden in einem Podcast mit Tommi Schmitt zu hören sein und standen im Tonstudio für das Videospiel „EA Sports FC 25“.
Ja, da sind aber auch vorab gedrehte Sachen dabei. Ich achte schon sehr auf mich selbst. Gerade als Mama von zwei kleinen Kindern. Ich mache nur das, was ich auch imstande bin zu leisten. Das Schöne ist, dass mein Job meine Passion ist und sich deswegen nur halb nach Arbeit anfühlt und mir auch Energie gibt.
Der Sportsommer ist auch noch nicht vorbei: Am Mittwoch sind die Paralympics in Paris gestartet. Auch wenn Sie dort nicht moderieren, wie verfolgen Sie das Event?
Olympische Spiele, Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und Paralympics sind die einzigen Zeiten, in denen meine Kinder von mir aus auch den ganzen Tag Fernsehen dürfen (lacht). Das wird bei uns zu Hause zelebriert. Wir haben natürlich auch unseren Alltag, aber sobald ich zu Hause bin, wird der Fernseher angemacht und so viel wie möglich geschaut.
Moderiert werden die Paralympics von anderen Moderatorinnen und Moderatoren. Braucht es dafür andere als für Olympia oder was ist der Unterschied?
Nein, das ist wohl eher eine Belastungssteuerung. Jetzt noch ein Event dieser Art zu moderieren, wäre für mich zu viel gewesen. Wir haben aber auch so viele tolle Moderatoren und Moderatorinnen, wie zum Beispiel Stephanie Müller-Spirra, die jetzt auch die Paralympics begleitet. Ich bin ein großer Fan davon, jedem seine Plattform zu geben.
Leider ist es immer noch so, dass Sportmoderatorinnen nicht von allen als selbstverständlich gesehen werden und manchmal Negativkommentare oder Hass abbekommen. Wie erleben Sie das?
Ich habe auch mit negativer Berichterstattung leben müssen und werde das auch weiterhin tun müssen. Da sind wir dann bei Kommentaren wie: „Mensch, jetzt hat sie einen Rock an und zeigt zu viel Bein“ oder „Sie soll lieber an den Herd gehen“. Das ist manchmal erschreckend zu sehen, weil man eigentlich denkt, dass die Gesellschaft weiter ist. Aber im nächsten Moment korrigiere ich mich selbst: Diese Kommentare stellen nicht den Durchschnitt der Gesellschaft dar. Ich bin sehr kritikfähig, kann aber mittlerweile gut einschätzen, wenn jemand mit vermeintlicher Kritik eher Frust rauslässt. Damit setze ich mich nicht weiter auseinander.
Claudia Neumann und Almuth Schult etwa sind nicht in den sozialen Medien aktiv, Sie schon. War das eine bewusste Entscheidung?
Das hat nichts damit zu tun, dass ich sage: jetzt erst recht. Ich habe meinen Instagram-Kanal schon ewig und nutze ihn für berufliche Zwecke. Privat nur selten, weil mein Privatleben mir heilig ist. Ich finde es auch schön, beruflich mal ein paar Einblicke zu geben, wie zum Beispiel so ein Olympiatag von mir abläuft. Da merke ich auch die Dankbarkeit der Follower und dann erfüllt es auch seinen Sinn und Zweck.
Bei dieser EM hatte man den Eindruck, dass mehr auf die Expertise von Moderatorinnen und Expertinnen gesetzt wurde. Gibt es da gerade einen Wandel?
Es gibt eine stetige Entwicklung und es war meines Erachtens keine Moderatorin komplett neu auf dem Schirm, die ich noch gar nicht kannte. Das waren alles Frauen, die schon ihren Weg gegangen sind und es sich verdient haben. Insofern war das für mich nicht total überraschend, aber es war schön zu sehen.