Köln – Alles neu macht der Mai, und würde es besser laufen, die photokina hätte Ende Mai ihren zweiten Frühling in Köln erlebt. Doch zu dem Relaunch der „Weltleitmesse für Fotografie“ wird es nicht kommen. „Die unternehmerische Entscheidung, die photokina auszusetzen, gilt bis auf weiteres“, erklärt Gerald Böse, Vorsitzender der Geschäftsführung der KoelnMesse, jedenfalls solange der Markt für Imaging-Produkte weiter schrumpfe. „Daran wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich nichts ändern.“ Doch Köln tut sich schwer, in der Krise auch die Chance zu erkennen.
70 Jahre photokina
Seit 1950 war die photokina das internationale Messe-Highlight. Alle zwei Jahre pilgerten die Fans nach Köln – 2018 waren es 180.000 – und erlebten Welt-Neuheiten wie Super 8, Polaroid und Poketfilm, Spiegelreflex, Camcorder und die Smartphone-Kamera. Doch mit der digitalen Handyfoto-Explosion implodierte der Markt für klassische Kameras und damit auch die photokina.
Ein herber Schlag für die Fotostadt Köln. Denn begleitet wurde der Branchentreff von Bilderschauen, Konferenzen, Wettbewerben und Preisverleihungen. Köln glänzte mit seinen Sammlungen und Namen wie Sander, Chargesheimer, L. Fritz Gruber, Candida Höfer, mit renommierten Galerien, mit der wissenschaftlichen Expertise der Hochschulen und mit der in Köln ansässigen Deutschen Gesellschaft für Photographie, , die in diesem Jahr ihr 70jähriges Bestehen begeht.
Mit der photokina gingen auch die Sponsoren
Der Event ist weg, geblieben ist die „Internationale Photoszene Köln“. Seit 1984 begleitete der gemeinnützige Verein mit seinem Programm die photokina wie die „Passagen“ die Möbelmesse. „Als die photokina ausgesetzt wurde, ging ein Raunen durch die Szene: Hauptsache ihr macht weiter“, sagt Heide Häusler, seit acht Jahren Geschäftsführerin der Photoszene. Aber mit der photokina ist die KölnMesse als wichtiger Sponsor weg, mit den Besuchern fehlt langfristig die attraktive Reichweite im Aufbau neuer Sponsoringkontakte. Böse: Ein Engagement in ein eigenständiges, rein kulturell motiviertes Event ist aber für die Koelnmesse wirtschaftlich nicht darstellbar.“
Photoszene
Die Internationale Photoszene Köln dient der Förderung der künstlerischen Fotografie und hat das Ziel, Köln als Standort für Fotografie dauerhaft zu stärken. Gegründet wurde sie 1984 von der Deutschen Gesellschaft für Photographie und dem Kulturamt Köln als Initiative zwischen Museen, Galerien und Kuturinstitutionen. Den Impuls dazu gab Reinhold Mißelbeck, Kurator für Fotografie am Museum Ludwig.
„Wir wollen dennoch alles versuchen, um die Marke Fotostadt Köln lebendig zu erhalten“, sagt Häusler, sieht aber der Zukunft bang entgegen. Die dreijährige institutionelle Förderung durch die Stadt läuft 2021 aus. „Ob sie fortgeführt wird, kann uns zurzeit niemand zusagen, was unsere Planungen zusätzlich erschwert.“
Die Fotografie ist an die Peripherie gerückt
Der alte und der neue Kölner Kulturentwicklungsplan betont die Bedeutung der Fotografie für Köln. Viele Akteure wünschen sich nur ein deutlicheres Engagement der Stadt. „Die Fotografie scheint allzu sehr an der Peripherie und deutlich zu wenig auf dem Schirm zu sein“, sagt Gabriele Conrath-Scholl, Leiterin der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn. „Es wäre gruselig, wenn die Internationale Photoszene Köln, die mit so wenigen Mitteln wirklich eine großartige Arbeit leistet, keine Zukunft mehr hätte. Sie ist ein wichtiger Rückhalt für die Fotografie in der Stadt und in der Region. Wir als SK Stiftung Kultur unterstützen die Photoszene so gut es geht, es braucht aber ein größeres Zutun aller Beteiligter.“
Der Ansicht ist auch Maria Helmis, kulturpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion. Sie will die „Perspektiven für die Fotostadt Köln sicherstellen“, so ihr Antrag im Kulturausschuss. Helmis wünscht, dass die gemeinnützige Photoszene weiter strukturell gefördert wird“. Bislang erhält die Photoszene 110.000 Euro im Jahr. Helmis regt an, dass das im Mai stattfindende Photoszene-Festival, das auf Bitten der Photokina vom zweijährigen auf den einjährigen Rhythmus erweitert wurde, wieder auf den alten Rhythmus zurückgeführt wird. Der Verein solle aber so gestärkt werden, dass er über das ganze Jahr hinweg Ausstellungen, Konferenzen, Dialog und Szenetreff initiieren könne.
Das Engagement der Stadt wird vermisst
Ende des Monats wird im Berlin über den Standort des neuen Bundesinstituts für Fotografie entschieden. Düsseldorf und Essen engagieren sich. „Ich wundere mich, dass in Köln noch niemand die Stimme erhoben hat, um das Fotoinstitut in die eigene Stadt zu holen“, erklärte 2020 der Kölner Fotograf Boris Becker. Die Stadt müsse man zum Jagen tragen, urteilt der auf Fotografie spezialisierte Kölner Galerist Thomas Zander. „Wir hätten uns dazu gerne mehr ins Gespräch gebracht“, sagt Gabriele Conrath-Scholl von der SK Stiftung Kultur, aber die Stadt und die Kulturdezernentin hätten signalisiert, dass „die finanziellen Spielräume für weitere Institutionen in Köln nicht vorhanden sind.“
Neue Messen in Hamburg und Berlin
Derweil lädt Hamburg zur neuen Imaging-Messe „photopia“ im September. „Wir glauben, dass die Fotoindustrie bereit ist, neue Wege einzuschlagen“, heißt es dazu beim Photoindustrie-Verband in Frankfurt. Der Jahrzehnte lange Partner der Kölner photokina geht nun eine Partnerschaft mit der Hamburg Messe ein. Auch Berlin bietet mit der PhotoWeek eine neue Plattform explizit für Smartphone-User und die Sharing-Szene. Und die KölnMesse? „Es ist davon auszugehen, dass die genannten Projekte in Berlin und Hamburg seitens des jeweiligen Senats umfassend subventioniert werden“, so Messe-Chef Böse. Offenbar gibt es in Köln keine Subventionen.
Festival
Das nächste Photoszene-Festival soll vom 21. - 30. Mai 2021 stattfinden: fünf Ausstellungen, erstmals gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Es geht in die zweite Runde des Artist Meets Archive-Projektes von Yasmine Eid-Sabbagh, Joan Fontcuberta, Anna Orlowska, Philipp Goldbach und Rosângela Rennó im Tanzmuseum des Deutschen Tanzarchivs, Köln, dem Rautenstrauch-Joest-Museum und dem Museum für Angewandte Kunst Köln. Dazu Führungen, Workshops, ein Symposium und das NEXT! Festival der Jungen Photoszene.
Köln sollte einen Neuanfang machen, rät Heide Häusler von der Photoszene Köln. Hamburg und Berlin verfolgten das alte photokina-Konzept weiter, kleiner, mit jüngeren Netzwerken und Kombinationen. Dafür hätte auch Köln das Potential, bekräftigt Christian Müller-Rieker, Geschäftsführer des Photoindustrie-Verbands: Für ein europäisches Fotofestival, veranstaltet von der Photoszene Köln. „Voraussetzung wäre nur, dass sich alle stakeholder – und hier sehe ich vor allem die Stadt Köln mit ihrem Kulturetat – stärker bei der Finanzierung des Projektes engagieren.“
„Wir vermissen die photokina“, sagt Alexander Nieswandt, Geschäftsführer von WhiteWall in Frechen, einem der größten Imaging-Unternehmen im Rheinland. „Ich denke, die KölnMesse wäre gut beraten, die Marke photokina zu pflegen und ein neues Format zu entwickeln.“ Aber es müsste schnell gehen, weil sich andere offenbar mehr Gedanken machten. – Aber wer weiß, vielleicht macht der Mai alles neu.