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Böhmermann-Interview„Künstlerisch war unsere Schmähkritik ein unglaublicher Erfolg“

Lesezeit 3 Minuten
Böhmermann 040516

Jan Böhmermann

  1. Nach seinem Schweigen infolge des Schmähgedicht-Skandals hat Jan Böhmermann der „Zeit“ ein Interview gegeben.
  2. Wir dokumentieren die Kernaussagen.

Jan Böhmermann spricht. Genauer gesagt: Er schreibt. Der bekannteste und umstrittenste Satiriker hat der Wochenzeitung „Die Zeit“ ein Interview gegeben. Schriftlich. Es ist das erste nach dem ganzen Wirbel um seine Inszenierung eines „Schmähgedichts“ gegen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Warum nur schriftlich: „Aus Bequemlichkeit.“ Vorsicht: Der Mann legt Wert auf die Doppelbödigkeit seiner Äußerungen! Hier ein Überblick über seine wichtigsten Äußerungen.

Merkel

Böhmermanns Vorwurf, die Kanzlerin habe ihn „filetiert“ und „einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert“, hatte das Blatt schon vorab veröffentlicht – um Appetit auf den kompletten Text zu machen. Darin behauptet er unter anderem, er habe sich „amüsiert, dass die Chefin des Landes der Dichter und Denker offenbar nicht einen Moment über das Witzgedicht und besonders seine Einbindung nachgedacht hat, bevor sie sich mit ihrem öffentlichen Urteil blamiert hat“.

Auf ihr Urteil, der umstrittene Text sei „bewusst verletzt“ gewesen, antwortet er mit einem eigenen „ungefragten persönlichen Geschmacksurteil“: „Ich finde das apfelgrüne Kostümoberteil sowie das lilafarbene Samtsakko der Bundeskanzlerin ‚bewusst verletzend‘.“ Auf die Frage, ob Merkel Humor habe, antwortet er: „Ist mir egal.“

Schmähgedicht

Großen Wert legt der Satiriker auf die Feststellung, dass es ihm nicht um den isolierten Text gegangen sei, sondern die damit verbundene Aktion: „Jeder, der dieses Gedicht aus dem Zusammenhang nimmt und losgelöst von der ganzen Nummer vorträgt, hat nicht alle Latten am Zaun.“ Präsident Erdogan zu beleidigen, sei ihm „zu doof gewesen“, behauptet Böhmermann. Das habe man „dem reichlich bescheuerten Schmähgedicht“ angemerkt.

Ziel der Aktion: „Ich habe versucht, meinen Zuschauern anhand einer knapp vierminütigen Nummer zu erklären, was eine freiheitliche und offene Demokratie von einer autoritären, repressiven De-facto-Autokratie unterscheidet“, sagt Böhmermann. „Es ging um die Illustration einer Beleidigung, die natürlich auch mit plumpen Klischees hantiert.“ Die für ihn „schmerzhafteste Vorstellung“ sei es, „dass mich jemand wegen dieser Nummer ernsthaft für einen Rassisten und Türkenfeind halten könnte. Es ging um die Grenzen der Freiheit in Deutschland.“ Um eine juristische Grenzauslotung“, wollen die Interviewer wissen. „Vollkommen korrekt“, lautet die Antwort.

Die Wirkung des Schmähgedichts

„Künstlerisch war unser humoristisches Proseminar ‚Schmähkritik‘ ein unglaublicher Erfolg“, freut sich Böhmermann. „Es hat viele überfällige Diskussionen ausgelöst.“ Wenn nun auch auf das Schicksal von Künstler in anderen Ländern wie in der Türkei genauer geschaut werde, sei das „kein Grund für Selbstmitleid“

Bedrohung

Die Frage, ob er persönlich bedroht worden sei, lässt Böhmermann unbeantwortet. Er müsse sich „als Komiker auch nicht wundern, wenn da von der anderen Seite auch ordentlich was zurückkommt“, sagt Böhmermann. „Das ist nun mal mein Job.“ Als „Privatperson“ seien die letzten Wochen für ihn und sein „Umfeld allerdings, ohne da näher ins Detail gehen zu wollen, ein wenig turbulent“ gewesen. Die mangelnde Verteidigung durch Merkel habe „dramatische und ganz reale Konsequenzen – in diesem Fall für meine Familien und mich“ gehabt.

Prozess

„Ich setze inzwischen mehr auf die Justiz als die Politik“, sagt der 35-jährige. Als Hauptschöffe am Amtsgericht Köln habe er fünf Jahre lang „einen Blick unter die Roben und Talare der deutschen Justiz werfen können. Der Deutsche Rechtsstaat wird sich meiner kühl und gerecht annehmen, da bin ich voller Zuversicht.“

Jan Böhmermann bekräftigt seine Ankündigung, dass er seine Sendung „Neo Magazin Royale“ am 12. Mai wieder aufnehmen will.

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