Bruce Lius Karriere liest sich wie aus dem Bilderbuch. Diesen Eindruck verfestigte er mit seinem Auftritt in der Kölner Philharmonie.
Bruce Liu in der Kölner PhilharmonieSpektakulärer Auftritt eines Stars am Flügel
„Hut ab, ihr Herren, ein Genie!“ Das war das Urteil Robert Schumanns zu Chopins frühen Variationen opus 2 über Mozarts Duett Don Giovanni – Zerlina „La ci darem la mano“. Nun, dieser Ausruf lässt sich getrost auf den Interpreten übertragen, der das Werk (nicht in der bekannteren Orchester-, sondern in der Fassung für Soloklavier) jetzt in seinem von der Hans-Imhoff-Stiftung gesponserten Klavierabend in der Kölner Philharmonie spielte.
Tatsächlich absolvierte Bruce Liu, in Paris geborener kanadischer Pianist chinesischer Herkunft, einen jener Debüt-Auftritte, die man als Zuhörer nicht so schnell vergisst. Klar, die Papierform allein spricht für den 26-jährigen: Sieger beim Warschauer Chopin-Wettbewerb anno 2021, Vertragskünstler der Deutschen Grammophon und inzwischen Partner herausragender internationaler Orchester – das liest sich wie eine Bilderbuchkarriere im Aufgang.
Bruce Liu mit einem glanzvollen Auftritt in der Kölner Philharmonie
Überzeugen muss selbstredend der spontane und aktuelle „Ohrenschein“. Und diesbezüglich lieferte Liu eine spektakuläre Performance ab – spektakulär allein deshalb, weil mit Chopins und Liszts Don Juan-Bearbeitungen sowie Ravels „Miroirs“, also schweren „Schinken“ des Repertoires, offensiv die pianistische Zirkus-Manege aufgesucht wurde.
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Bei Liu nimmt allerdings, man spürt es in jedem Augenblick, handwerkliche Souveränität ein Ausmaß an, das sie auf eine neue Stufe der Interpretation hebt: Quantität schlägt da in Qualität um. Klischees von der angeblichen mechanistischen Perfektion ostasiatischer Pianisten oder, umgekehrt, ihrer Neigung zum Kitsch konnte man ausweislich dieses Abends jedenfalls getrost in die Ecke stellen. Magische Klanglichkeit, differenzierteste Anschlagkunst, großartig bewegliche Stimmengewichtung, hoch entwickeltes Formbewusstsein, genau durchgezogene Spannungsbögen – all das wurde hier, in einem von der französischen Klavierkultur dominierten Programm, schier im Übermaß zuteil.
Der Pianist zeigt in Köln seinen Sinn für Klangfinessen
Seinen ausgefeilten Sinn für Klangfinessen und für die expressive Qualität von Verzierungen stellte Liu bereits in der einleitenden Rameau-Sektion unter Beweis. Ein improvisatorischer Gestus, leichtes Nachschlagen von Stimmen, exzellente Repetitionen, teils auch eine gläserne Preziosität (aber ohne Anklänge ans Cembalo) – das alles hatte einen sehr spezifischen Charakter, tönte, sozusagen im Vorgriff auf Ravel, eminent französisch. Die Bilder der „Miroirs“ gelangen dann mit einer im Einzelnen schwer zu beschreibenden Suggestivität. Die einsame Barke auf Ozean – eine magische impressionistische Wasserszene, bezwingend auch in ihren bedrohlichen Aspekten. Und Liu hat stets, das trägt den Hörer beruhigt durch den Abend, noch Luft nach oben. Nie vernebelt das Pedal die klare Kontur der Abläufe, das leise Flirren der Arpeggien ist nicht substanzarm, und das Martellato klotzt nicht – um das Fortleben des Flügels braucht sich hier niemand Sorgen zu machen.
Glanz, Eleganz und schlanke, pointierende Grandezza – all das herrschte auch bei den Mozart-Adaptionen vor. Die stets gelassene Präsenz des Themas im ornamentalen Dschungel bei Chopin bis hin zur herzlich-beschwingten Polka in der Schluss-Variation vermochte genauso zu begeistern wie die dramatische Beklemmung der Komturszenen bei Liszt. Dass wohl Liu, keineswegs aber das Publikum nach den Bach- und Chopin-Zugaben genug hatte – es ist in jeder Hinsicht nachzuvollziehen.