Die finnische Dirigentin Susanna Mälkki führte das Gürzenich-Orchester durch Franz Schuberts Große C-Dur-Sinfonie.
Gürzenich-KonzertEin nordischer Schubert in der Philharmonie
Schumann pries einst an Schuberts von ihm wiederentdeckter Großer C-Dur-Sinfonie die „himmlischen Längen“. Nun, von denen gab es – gleich, ob nun himmlisch oder irdisch – in der Werkdarstellung im jüngsten Gürzenich-Abokonzert unter der illustren finnischen Gastdirigentin Susanna Mälkki kaum welche. Und das nicht nur, weil etwa die Wiederholungsvorschrift für die Exposition des ersten Satzes unbeachtet blieb.
Die Interpretation wirkte vielmehr von den ersten Hörnertakten der Einleitung an präsent, straff und konzise, aber eben nur wenig „romantisch“. Jedenfalls nicht nach dem Verständnis einer mitteleuropäischen, also deutsch-österreichisch geprägten Musikkultur.
Es gab da wenig Ahnung und Erinnerung, sondern nahezu durchweg pralle, dramatische, von Energie-Impulsen gesättigte Gegenwart. Dem entsprach, dass der typische (oder doch so verstandene) romantische Mischklang immer wieder durch eine scharfe Profilierung der einzelnen Instrumentalregister aufgebrochen wurde. Mälkkis Soundideal scheint bei dieser Agenda einerseits von der Klassik, erst recht aber wohl von der Moderne herzukommen.
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Susanna Mälkki dirigiert mit großer Intensität und Konsequenz
Sicher kann bezweifelt werden, dass diese klare, helle, „nordische“ Auffassung Schubert tatsächlich in jeder Hinsicht gerecht wird. Vielleicht muss man aber auch ein paar Hörgewohnheiten umstellen, denn auch die formulierten Bedenken verhinderten nicht, dass das Konzert eindrucksvoll geriet, und zwar nicht nur wegen des weithin überzeugenden Orchesterauftritts, sondern gerade auch ob der mit großer Konsequenz und Intensität durchgehaltenen Deutungslinie – und Mällkis technisch wie musikalisch unbestreitbar souveränem Metier. Wenn das überlange Scherzo einmal nicht in einer sedierenden Endlos-Schleife einherkommt, darf, ja muss man als Hörer sogar dankbar sein. Langweilig wurde es jedenfalls keinen Augenblick.
Vielleicht fühlten sich einige Besucher an die WDR-Interpretationen des einschlägigen Repertoires durch ihren Landsmann Jukka-Pekka Saraste erinnert. Damit hätten sie richtig gelegen: Beide kommen schließlich aus der Schule des legendären Dirigentenmachers Jorma Panula in Helsinki.
In jeder Hinsicht überzeugend war der Auftakt mit dem durch Baudelaire-Gedichte inspirierten Cellokonzert von Henri Dutilleux geraten. Das klingt immer noch nach Hardcore-Moderne, ist allerdings – der Traditionshörer sollte sich das klarmachen – inzwischen mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Und somit keine „neue Musik“ mehr, sondern, wenn man so will, „tiefe“ Klassik.
Großartig im anspruchsvollen und hoch konzertanten Solopart agierte Alban Gerhardt. Der ist nicht unbedingt ein Adept des „süßen“ Cellotons (positiver formuliert: Er neigt nicht zu Zucker und Schmalz), der in diesem Werk allerdings auch weniger angesagt ist. Angesagt ist vielmehr eine genaue, konstruktive Darstellung der keimzellenartigen motivischen Substanz, die sich allerdings mit der eindringlichen Beredsamkeit atonaler Kantabilität verbinden muss. Einen kompetenteren, die unterschiedlichen Anforderungen schlackenlos erfüllenden Interpreten als Gerhardt kann man sich diesbezüglich kaum vorstellen.
Für reichen Publikumsbeifall dankte er mit einer die Mehrstimmigkeit des Satzes schön aushörenden Wiedergabe des Präludiums aus Bachs dritter Solo-Suite.