Bei „Hart aber fair“ diskutierten Politiker von CDU, SPD und FDP über die Haushaltskrise - und fanden mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.
TV-Talk „Hart aber fair“Gäste streiten über Haushalts-Chaos – und sind sich in einem Punkt einig
Zwei Wochen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Haushaltspläne der Ampel ist noch immer unklar, wie genau die Ampel-Regierung das Land durch diese schwierige Situation führen wird. An diesem Dienstag, 28. November, wird sich Olaf Scholz in einer Regierungserklärung zu dieser Frage äußern.
Bereits gestern Abend wurde sie jedoch in der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ aufgegriffen und diskutiert. Die Sendung stand dabei unter dem Titel: „Aus Haushaltsloch wird Regierungskrise: Ampel vor der Zerreißprobe?“ Als Gäste hatte Moderator Louis Klamroth geladen:
- Ralf Stegner, Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag
- Ralph Brinkhaus, Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Fraktionsvorsitzende der CDU im Bundestag
- Konstantin Kuhle, stellvertretender Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag
- Wolfgang Weber, Geschäftsführer des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie
- Henrike Roßbach, stellvertretende Leiterin des SZ-Parlamentsbüros
Konstantin Kuhle bei „Hart aber fair“: „Ich habe Verständnis dafür, dass das Fragen auslöst.“
„Das Problem ist nicht, dass der Fehler korrigiert werden muss, sondern dass das zwei Wochen dauert.“ Mit diesen Worten wandte sich Ralph Brinkhaus am Montagabend an den Rest der Diskussionsrunde und das Publikum im Studio von Hart aber fair. Der Ampel-Regierung warf er vor, dass sie das absehbare Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht ernst genommen hätte und jetzt zu langsam handele. Die Verunsicherung bei der Industrie und im Ausland liege in ihrer Verantwortung.
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Dem widersprach Konstantin Kuhle: „Ich habe Verständnis dafür, dass das Fragen auslöst.“ Doch sei die von Finanzminister Lindner angekündigte Aussetzung der Schuldenbremse für das Haushaltsjahr 2023 bereits ein wichtiger Schritt gewesen. Ein Schritt, den gerade seine FDP sich nicht leicht gemacht habe. Denn die Schuldenbremse halte man in seiner Partei für extrem wichtig. „Das Verfassungsgericht hat klargestellt: Sie steht da nicht nur so rum, sondern man muss sich jedes Jahr erneut an dieser Schuldenbremse messen lassen.“ Ab jetzt sei deshalb ein klarer Sparkurs angesagt.
Das sah wiederum Ralf Stegner anders. Er betonte, dass angesichts der multiplen Krisen - Pandemie, Krieg, Energie - eine Schuldenbremse eine positive Entwicklung der deutschen Wirtschaft eher behindern würde. Stattdessen brauche es ambitionierte Investitionen, um die Wirtschaftsleistung anzuregen. Eine Debatte darüber, ob die bisherigen Haushaltspläne der Ampel verfassungskonform waren, sei fehl am Platz.
Henrike Roßbach teilte Stegners Meinung nicht. Doch ob das Vorgehen der Regierung wirklich im Widerspruch zur Verfassung steht, könne nur anhand einer entsprechenden Klage überprüft werden. Diese sei aktuell aber schlichtweg nicht vorhanden. Der Bundesregierung bescheinigte sie, aktuell keine anderen Auswege zu haben, als die Schuldenbremse auszusetzen.
Brinkhaus wirft Ampel schlechte Krisenkommunikation vor
Insbesondere die Krisenkommunikation der Bundesregierung stand im Fokus der Debatte: „Man verunsichert die Menschen mehr, wenn man alle möglichen Vorschläge in die Welt trägt“, behauptete Stegner und griff damit die CDU an, die seiner Meinung nach genau das getan habe.
Diese wiederum ließ das nicht auf sich sitzen. Brinkhaus kritisierte die Öffentlichkeitsarbeit der Ampel-Parteien scharf. Sie hätten durch ihr Schweigen aus einem Geldproblem eine Verfassungskrise gemacht. Und das, obwohl man das Urteil in dieser Form sehr wohl hätte absehen können. Angela Merkel und Peer Steinbrück hätten während der Finanzkrise 2008 deutlich souveräner gehandelt: „Gottseidank waren damals nicht Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz in Amt und Würden.“
„Hart aber fair“: Keine verbindlichen Zusagen für Förderungen
Besonders ins Gewicht falle die Verunsicherung durch die Haushaltkrise in der Industrie aus, berichtet Wolfgang Weber. Es ginge vor allem darum, dass weiterhin nicht sicher sei, ob die Regierung die geplanten und teilweise bereits zugesicherten Investitionen am Ende überhaupt aufbringen könne: „Die Industrie erwartet, dass was öffentlich zugesagt wurde, jetzt auch eingehalten wird.“
Während Brinkhaus, Kuhle und Stegner allesamt betonten, wie wichtig diese Investitionen seien und dass sie sich dafür einsetzen werden, blieben sie Weber eine konkrete Zusage schuldig. Ob die deutsche und ausländische Industrie weiter ihre Fördermittel wie geplant erhalten werden, hinge am Ende von dem ab, was in den nächsten Wochen und Monaten verhandelt werden wird. Doch auch hier sei es notwendig zu sparen, erklärte Kuhle. Keine erfreulichen Nachrichten für Weber und seinen Verband.
Sparen – aber woran nur?
Nachdem die Kontrahenten noch einmal ihre altbekannten Argumente für und wider eines konsequenteren oder lockeren Umgangs mit der Schuldenbremse ausgetauscht hatten, wandte sich die Diskussion konkreten Sparmaßnamen vor, die zur Sanierung des Haushalts beitragen könnten.
Zuletzt hatte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz Kürzungen beim Bürgergeld ins Gespräch gebracht. Obwohl Konstantin Kuhle gerne den Eindruck vermeiden wollte, er plane am Sozialen zu sparen, so ist es doch genau das, was er vorhat: „Ich finde es richtig, eine Diskussion zu führen über das deutsche Rentensystem“. Mehr Ukrainer müssen arbeiten. Subventionen für bestimmte Unternehmen und Güter müssen abgebaut werden, Bürgergeld auch. „Keine Tabus, es muss über alles gesprochen werden. Jetzt ist die Zeit zu sparen“
Stegner widersprach scharf. Statt an die Unterstützung der Erwerbslosen müsse man sich der Bekämpfung der prekären Arbeit widmen. „Zu glauben man kann denen, die am wenigsten haben noch was wegnehmen, dass das irgendwie vernünftig wäre, das ist doch falsch.“ Brinkhaus wollte lieber darüber sprechen, wie man Leute in Arbeit bringt: „Es muss darum gehen, die Wirtschaft zu entfesseln.“
Damit das klappen kann, fordere die Industrie - hier mit Wegner als Botschafter - eine Reduktion der Bürokratie und die bereits mehrfach erwähnten Investitionen. Immer wieder schien sich die Diskussion im Kreis zu drehen.
Talk-Runde ist sich einig: Besser keine Neuwahlen
Zum Schluss schließlich brachte Klamroth noch eine Frage ins Spiel, bei dem die in dieser Diskussion eh nie allzu großen Meinungsverschiedenheiten der Teilnehmer, endgültig von einer gemeinsamen politischen und wirtschaftlichen Vision für Deutschland überschattet worden.
Denn Markus Söder kürzlich vorgebrachte Forderung nach Neuwahlen, war sowohl seinem Freund aus der Union Brinkhaus, als auch dessen grünen und gelben Kollegen im Bundestag höchst suspekt. Stegner bringt die Ablehnung auf den Punkt. Neuwahlen seien eine Chance für ein weiteres Erstarken der AfD. Stattdessen sei es notwendig, dass Politiker ihren Job ernst nehmen und nicht einfach hinschmeißen. Nur so ließe sich die AfD und der Rechtspopulismus zurückdrängen.
Alles in allem ging es in dieser Ausgabe von „Hart aber fair“, weniger hitzig zu als bei vielen anderen Themen. Wie sich die Situation und damit auch die Debatte sich weiter entwickelt, hängt auch davon ab, was Olaf Scholz heute in seiner Rede sagen wird.