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Iveta Apkalna in der PhilharmonieVom Circus Maximus bis zum Marsch auf Rom

Lesezeit 3 Minuten
Iveta Apkalna spielt an der Orgel.

Die Organistin Iveta Apkalna gastierte in der Kölner Philharmonien

Die lettische Starorganistin Iveta Apkalna begeisterte in Köln mit großen Bögen und scharfen Brüchen.

Die Zugabe lag in der Luft: Wo sich die Solistin nun schon mal – mit Poulenc – in französischen Gefilden befand, lag es zumindest nahe, Charles-Marie Widors legendäre Toccata aus seiner fünften Orgel-Sinfonie nachzuliefern. Iveta Apkalna überließ sich dabei an der Klais-Orgel der Kölner Philharmonie jenem kultivierten Spielrausch, der das Stück mit seinen zündenden zwei Achteln auf der jeweiligen Takt-Eins so unwiderstehlich macht. Wenn man es mit so viel Drive, Energie und Klangsinn spielt wie die lettische Starorganistin.

Vorangegangen also war mit Francis Poulencs neoklassizistischem Konzert für Orgel, Streicher und Pauken von 1938 eines der raren Werke aus der Zeit nach Händel, in denen sich die Königin der Instrumente ins Verhältnis zu einem Orchester setzen kann. Los geht es mit einer wuchtig-offiziösen Eröffnung in der Grundtonart g-Moll durch das Soloinstrument, in deren punktierten Rhythmen noch die Tradition der französischen Barock-Ouvertüre nachwirkt. Auf einmal aber ist man in einer gefühligen Opernarie, dann wieder in einem jahrmarktmäßigen Gassenhauer – eine ganze Welt beginnt hier zu klingen. Und wie Poulenc darüber hinaus Sakrales und Profanes zusammenbringt, das ist liebenswürdig subversiv und ironisch.

Iveta Apkalna lässt die Orgel dröhnen wie in der Kathedrale

Dafür, dass besagte Welt in ihrer ganzen Farbenpracht, in ihren atmosphärischen Intensitäten wirklich zu leuchten beginnt, bringt Apkalna, die mit ihrem Auftritt die vierteilige ihr gewidmete Porträtreihe in der laufenden Kölner Saison eröffnete, die besten Voraussetzungen mit. Ihr Phrasierungskunst und ihr rhythmischer Biss sind superb, da lebt und atmet alles in großen Bögen und scharfen Brüchen, aus einem strikten Impuls heraus und in fantasiemäßiger Auflockerung. Der Klang kommt nach vorne und taucht ab, immer wieder passiert etwas. Dazu trägt die ausgefeilte Registrierung das Ihrige bei, der Gast lässt die Orgel dröhnen wie in der Kathedrale und zart flöten wie einen Vogel im Wald.

Nahtlos klinkte sich Apkalna auch in das Orchester ein – was deshalb bemerkenswert ist, weil die Positionierung des Spieltisches auf dem Podium zweifellos eine nicht unwesentliche Klangverzögerung zur Folge hat. Unter der Leitung ihres Chefdirigenten Gustavo Gimeno begleiteten die Streicher des Luxembourg Philharmonic aufmerksam und flexibel, nur die Pauken, ziemlich weit weg vom Geschehen stationiert, blieben unterrepräsentiert und versäumten es dadurch, zum dramaturgisch reizvollen Partner der Orgel zu werden.

Sozusagen auf den Jahrmarkt geht es auch in Ottorino Respighis „Trilogia romana“, einem Zyklus Sinfonischer Dichtungen, aus dem die Gäste die „Feste romane“ und die „Pini di Roma“ aufführten. Gimeno stellte es mit seinem weiträumigen und zugleich genau pointierenden Dirigat eine große Intensität des Szenischen wie der melodischen Entfaltung her. Auch hier erstand eine ganze Welt zwischen antikem Circus maximus, Pilgerchoral und Treiben auf der Piazza Navona. Dass der finale Marsch der Pini di Roma in seinem Crescendo unheimlich und bedrohlich wirkte, ist so angemessen wie naheliegend. Das Werk entstand 1924, zwei Jahre nach Mussolinis Marsch auf Rom, dem Respighi leider mehr als nur oberflächliche Sympathien entgegenbrachte.

Das Orchester ließ sich nicht lange bitten. Es verfügt über einen vergleichsweise offenen und offensiven Grundsound. Zumal die Bläser sind ausgezeichnet, bei den Violinen fehlte es manchmal an Klangdichte und Wohllaut, auch an Homogenität. Gerahmt wurden Poulenc und Respighi durch die deutsche Erstaufführung des neuen Orchesterwerks „out of the blue“ aus der Feder des – anwesenden – luxemburgischen Komponisten Claude Lenners, und Nino Rotas Kontretanz aus Viscontis „Leopard“. Was für ein Gegensatz! Dort schmerzhaft-explosive Hardcore-Moderne (was hatten nur, bitte schön, die von den Musikern am Schluss geschwenkten Fähnchen zu bedeuten?), hier die elegante Filmklangwelt des italienischen Neorealismus – das toppte noch eklatant die internen Kontrastbildungen der Kompositionen im Zentrum des Programms.