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Kommentar

Kommentar zum „ZDF Magazin Royale“
Empörung über Böhmermann führt ins Leere

Ein Kommentar von
Lesezeit 4 Minuten
Köln: Der Satiriker und Preisträger Jan Böhmermann (ZDF Magazin Royal) steht vor der Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis2021 auf der Bühne im Funkhaus.

Satiriker Jan Böhmermann (Archivbild)

Was erlaube Böhmermann? Schon wieder regt der ZDF-Satiriker halb Deutschland auf – jedenfalls das auf Twitter vertretene. Da vergleicht er die FDP und die „Welt“ mit den RAF-Terroristen.

Den Satz „Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich“ kann man auf sehr umständliche Art und Weise fürs Fernsehen aufbereiten. Das hat Jan Böhmermann in der neuen Ausgabe seines „ZDF Magazin Royale“ eindrücklich bewiesen. Nur eins führte der Satiriker an diesem Freitag noch anschaulicher vor: Die Empörungsreflexe von Twitter kann er inzwischen so virtuos bedienen, dass er noch die größten „Freidenker“ zu Marionetten macht, die die Promo-Polonaise für eine durchschnittlich lustige Folge seiner Show tanzen.

Auf Twitter geht es nämlich los, mit ganz großen Schritten, als Böhmermann am Freitagmittag einen Tweet an seine 2,6 Millionen Follower absetzte: Auf einem Steckbriefposter im Stile früherer RAF-Fahndungsplakate werden prominente FDP-Politiker, Journalisten der konservativ-liberalen „Welt“-Gruppe und das Pferd Tosca „steckbrieflich gesucht“ – dazu ein paar berüchtigte Shitstormtrooper, die für eine kurze Lunte und ein großes Talent bekannt sind, heftige Stürme im Wasserglas auszulösen.

Als „linke Gewalttäter“ gesucht wurden da unter anderem Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), dessen Ehefrau, die Politikjournalistin Franca Lehfeldt, FDP-Enfant-Terrible Wolfgang Kubicki oder auch „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt und „Welt“-Herausgeber und RAF-Chronist Stefan Aust.

„Für Hinweise, die zur Ergreifung der Gesuchten führen, ist eine Belohnung von 100.000 DM ausgesetzt“, schrieb Böhmermann hinzu. „Alles weitere heute Abend ab 20 Uhr im @zdfmagazin.“ Dazu der Hashtag #rafdp, also ein ineinandergeschobenes RAF und FDP.

Jan Böhmermann sorgt für Schnappatmung schon vor der Show

Nicht nur einige der Abgebildeten tun dem Aufregungsprofi den Gefallen, schon Stunden vor Verfügbarkeit der Show in öffentliche Schnappatmung zu verfallen. „Sind Sie nicht mehr klar im Kopf?“, twittert Ex-Agrarministerin Julia Klöckner (CDU). „Welt“-Chefkorrespondent Clemens Wergin warnt: „Liberale sind das bevorzugte Feindbild der meinungsbildenden Klasse.“

„Der Tweet ist geschmacklos, geschichtsvergessen und falsch“, schäumt etwa der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer – der seinerseits erst im Februar mehrere Klimaorganisationen als „Grüne RAF“ bezeichnet hatte.

Zum ganz großen Kaliber griff Poschardt: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Hetze zu Gewalttaten gegen die hier zu Terroristen erklärten Andersdenkenden führt“, twitterte er. „Das Blut klebt damit an seinen zwangsgebühren-finanzierten Händen.“

Wer aber dieses Mal echte Enthüllungen erwartete, lag falsch

Die Aufgeregten vergaßen dabei nur, dass Böhmermann jeden seiner Karrieremeilensteine vom Undercover-Einsatz bei „Schwiegertochter gesucht“ über den angeblich gefälschten Stinkefinger des griechischen Finanzministers Varoufakis bis zum zensierten Erdogan-Schmähgedicht nicht zuletzt auf Twitter angebahnt hatte. Oder sie hatten noch zu frisch vor Augen, dass Böhmermann inzwischen auch oft mit echten Enthüllungen aufwartet: im Ibiza-Skandal, ebenso im Fall der hessischen NSU-Akten oder seltsamer Russland-Kontakte des BSI-Behördenchefs.

Wer aber auch dieses Mal echte Enthüllungen erwartete, lag falsch. Zwar hatte Böhmermann den Shitstorm den ganzen Nachmittag über mit weiteren Tweets angeheizt, sodass sein Plan mit schlafwandlerischer Sicherheit aufging. Denn die Empörung der liberal-konservativen Blase hatte das „ZDF Magazin Royale“ bereits vorab fest eingeplant.

Die bildreiche Auflösung des RAF-FDP-Fahndungsrätsels ist schnell erzählt. In einer etwas wirren Parodie auf derzeitige Verschwörungstheorie-Strickmuster der Marke Wer-kannte-wen und Wer-hat-was-mit-wem-gemeinsam und Das-kann-ja-wohl-kein-Zufall-sein wollte Böhmermann ziemlich schnell auf eine ziemlich simple Pointe hinaus.

Jan Böhmermann: Eine ziemlich simple Pointe

Dass Springer und die „Welt“, CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und ein paar FDP-Politiker sowie Lehfeldt die Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ jüngst als „Klima-Terroristen“ bezeichnet hatten, die auf halbem Wege zu einer „Klima-RAF“ seien – das finden Böhmermann und sein Team genauso absurd wie die Behauptung, die FDP sei „die neue RAF“.

Immerhin äußerten sich die liberalen Politiker und Publizisten selbst alle Nase lang kritisch gegenüber „dem Staat“ – bei Steuern, Tempolimits, Corona-Maßnahmen – und immerhin fährt Christian Lindner genauso gern Porsche wie RAF-Terrorist Andreas Baader. Die Parallelen zwischen den linksradikalen Mördern der Rote Armee Fraktion und den Suppewerfern der „Letzten Generation“ seien auch nicht größer, so der satirische Kern der ironischen Böhmermann-Tirade.

Dass aus dem mäßig witzigen Sketch noch eine vorzeigbare Mediensatire geworden ist, hat Böhmermann seinen Anti-Fans von „Welt“ und FDP zu verdanken: Indem Poschardt und Co. sich über seinen schiefen Vergleich echauffierten, hielten sie ihrer eigenen übergeigten Rhetorik den Spiegel vor.

Hätte die „Letzte Generation“ nur halb so viel darüber gejammert, mit Mördern verglichen zu werden, wie die liberalkonservative Blase – sie wären nicht mehr zum Suppenwerfen gekommen.