Köln – Im Konzertsaal erschallt das erste rhythmische Klatschen, weitere gesellen sich dazu, der Ton schwillt an – und plötzlich muss Markus Stenz nicht nur zwei Orchester dirigieren, sondern das Publikum noch mit dazu. Die Zugabe beim Karnevalskonzert in der Kölner Philharmonie gerät zum Mitmach-Konzert. Beim „Rote Funken Marsch“ und der Tanznummer „Cancan“ aus „Orpheus in der Unterwelt“ vom Kölner Komponisten Jacques Offenbach zeigt sich, was die neue Partnerschaft von Gürzenich-Orchester, Jugendsinfonieorchester der Rheinischen Musikschule und Roten Funken schaffen kann: Menschen durch Musik verbinden.
Kulturschock der positiven Art
An diesem Sonntag wurde das große Jubiläumsjahr des offiziellen Kölner Karnevals, der 2023 200 Jahre alt wird, eingeläutet. Das Jubiläumskonzert „So klingt Köln“ wurde von den Roten Funken und der Grossen von 1823 anlässlich ihres Geburtstags organisiert. Rote-Funken-Präsident Heinz-Günther Hunold und Joachim Zöller, Präsident der Grossen von 1823, schweifen da auch direkt in einen Geschichtsexkurs ab, in die Zeit vor 200 Jahren, als der Karneval zu entgleisen drohte und deshalb die ersten Karnevalsgesellschaften gebildet wurden. Das Jubiläumskonzert bildet gleichzeitig den Auftakt der neuen Kulturpartnerschaft. Klassik und Karneval: Eine Verbindung, die erstmal schwer vorstellbar scheint, ein Kulturschock – aber einer der positiven Art.
Mit einer durchaus mutigen Mischung aus kölsche Tön und populärer Klassik wurde das Publikum in der Philharmonie inklusive Pause mehr als zwei Stunden unterhalten. Das Gürzenich-Orchester spielt da etwa die Ouvertüre „Le carneval romain“ von Hector Berlioz und gleich im Anschluss den „Filharmonischen Fastelovend“, ein Arrangement von Matthias Kaufmann. Markus Stenz, ehemaliger Kölner Generalmusikdirektor, führt das Gürzenich-Orchester vom melancholischen „Heimweh nach Köln“ von Willi Ostermann, durch „Du bes die Stadt“ von den Bläck Fööss, um sie dann über das verspielte „Leev Marie“ von Paveier zu Brings „Polka Polka Polka“ zu jagen und mit einem gemeinsamen „Hey!“ zu enden.
Das Jugendsinfonieorchester überzeugt mit der sinfonischen Dichtung „Danse macabre“ von Camille Saint-Saëns und dem Tanzstück „Danzón No. 2“ von Arturo Márquez Navarro unter dem Dirigat von Alvaro Palmen. Höhepunkt ist aber eindeutig Fritz Webers „Isch ben ene kölsche Jung“. Jörg P. Weber kommt als Überraschungsgast zum Jugendsinfonieorchester auf die Bühne. Staunend betrachtet er den Konzertsaal, sieht sich in aller Ruhe um, stellt sich vor das Mikrofon: „Tach.“ Er habe versprochen, keine Witze zu machen, „joot, dass die mich net joot jenoch kennen.“ Doch während des Arrangements von Matthias Kaufmann lacht dann niemand mehr. Der Kölner Musiker singt die Komposition von 1963 mit einer Inbrunst, die den Saal aus den Stühlen hebt. Weber zeigt sich sichtlich gerührt von den Standing Ovations, den Begeisterungsstürmen.
Zeitsprung ins Jahr 2022: Das Jubiläumskonzert sollte nicht nur Stücke aus 200 Jahren Musikgeschichte bieten, sondern auch eine Uraufführung: das Jubiläumslied der Roten Funken, „Du bes ene rude Funk!“ von Jürgen Fritz. Unterstützt werden sollte der Komponist, der in den Siebzigern mit seiner Gruppe Triumvirat bekannt wurde, von der kölschen Band Eldorado. Sich selbst treu geblieben schlendert die 2018 gegründete Band auch in der Philharmonie in Jeans und Lederjacke auf die Bühne – doch ohne Jürgen Fritz. Der kann krankheitsbedingt nicht am Konzert teilnehmen – und so spielt Eldorado das Jubiläumslied zum ersten Mal öffentlich ohne den Schöpfer. Auf dem Balkon schunkeln dazu die Helligen Knäächte un Mägde.
Das Konzert schließt mit dem zweiten und dritten Satz aus Ludwig van Beethovens „Tripelkonzert“, gespielt wird das etwa 19-minütige Stück vom Gürzenich-Orchester und dem Jugendsinfonieorchester gemeinsam. Solisten sind Gürzenich-Konzertmeisterin Natalie Chee, Gürzenich-Solocellist Bonian Tian und der Pianist Nils Liepe.
Rote-Funken-Präsident Heinz-Günther Hunold, der geschäftsführende Direktor des Gürzenich-Orchesters, Stefan Englert, und Tilman Fischer, Direktor der Rheinischen Musikschule schlagen symbolisch mit den Händen ein – das gemeinsame Kulturprojekt ist erfolgreich gestartet. Gefeiert wird das mit einem dreifachen Alaaf.