Köln – Der Trauermonat November dräut erst, aber der 32-köpfige Kammerchor Cappella Amsterdam und das einst von Frans Brüggen gegründete Orchester des 18. Jahrhunderts läuteten ihn unter der Leitung von Daniel Reuss schon jetzt ein. In der Philharmonie erklangen Klage- und Abschiedsmusiken aus dem franko-flämischen Raum von Josquin des Prez (15. Jahrhundert), Martijn Padding und Louis Andriessen (21. Jahrhundert) sowie, als Hauptwerk, das Mozart-Requiem in der Süßmayr-Fassung.
Bei diesem mythenbelasteten Stück kann man auf die Tränendrüsen drücken, aber dies geschah hier mitnichten. Reuss und die Seinen stellten das vielleicht berühmteste Opus ultimum mit der lapidaren Kraft und Gewalt einer antiken Tragödie hin – dramatisch, kontrast- und gestenreich zwischen Angst und Trost und dadurch fesselnd und glaubwürdig in der Aussage.
Capella Amsterdam lässt die Stücke um Mozarts Requiem mehr als nur Vorprogramm der Aufführung sein
Der Chor ist in allen Belangen fabelhaft, da griffen etwa in der sich in immer neuen Anläufen steigernden Kyrie-Doppelfuge die Soprane in entspannter Fülle schier zu den Sternen. Mit seiner artikulatorischen und klangbildnerischen Präsenz kam er auch mühelos über das selbstbewusst aufspielende, in seiner Performance ebenso überzeugende Orchester herüber. Und selbst das Süßmayr’sche Sanctus gewinnt in solcher Interpretation eine Kraft und Eindringlichkeit, die es von Haus aus gar nicht hat. Sehr stilangemessen und manierenfrei agierten die Solisten Carolyn Sampson (Sopran, wunderbar in schlichter Schönheit gleich ihr Hymnus im Introitus), Marianne Beate Kielland (Alt), Thomas Walker (Tenor) und Tobias Berndt (Bass).
Die anderen Stücke hätten da leicht zum Vorprogramm herabsinken können. Das war nicht der Fall: Josquins A-cappella-Kunst mit Intervallen in reiner Stimmung hingestellt – eine Interpretation dieser Qualität lässt da mit magischem Flow eine fremde Welt vor Dur und Moll, eine schöne Ferne lebendig werden.
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Andriessens Chor/Orchesterwerk „May“, komponiert zum Gedenken an Brüggen, greift diese Archaik auf, da gibt es, in atonal-dissonantem Umfeld, viel Spätmittelalterliches, auch übrigens Choral- und Volksliedhaftes. Für den Chor ist die instrumentale Begleitung keine Hilfe, er muss mit seiner Intonation allein zurechtkommen. Viele andere würden daran scheitern – Cappella Amsterdam scheitert nicht.