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Kölner Klassik-Label myriosStephan Cahen führt ein erfolgreiches Ein-Mann-Unternehmen

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Köln – Schmuck kommt sie herüber, die neue CD aus dem Hause myrios classics – ganz abgesehen davon, dass der Inhalt auch ausgezeichnet klingt. Das Cover mit zwei vom Meisterfotografen Marco Borggreve erstellten Porträts François-Xavier Roths, der hier das Gürzenich-Orchester mit Bruckners Siebenter dirigiert, ist gestalterisch ambitioniert, der einführende Essay im Beiheft aus der Feder des bekannten Musikautors Volker Hagedorn sachkundig, informativ und gut geschrieben.

Aber myrios classics? Roths „Haus-Label“ ist doch harmonia mundi France, wo er mehrere CDs mit dem Gürzenich-Orchester wie mit seiner Pariser Originalklang-Formation „Les siècles“ veröffentlichte. Klar, myrios ist keines der Großen, aber es hat – nicht zuletzt aus der Sicht von Kölner Musikern – zwei entscheidende Vorteile: Es ist in Köln beheimatet und hat in Stephan Cahen einen kunstaffinen Gründer und Geschäftsführer, der nicht nur hochprofessionell, sondern auch mit Herzblut bei der Sache ist. Wobei „Geschäftsführer“ hier zu gewaltig klingt, denn Cahen führt myrios als Ein-Mann-Unternehmen, er ist, wie er sagt, „Mister myrios“.

Wir treffen ihn, der mit seiner Familie in Refrath wohnt, zum Gespräch im Erdgeschoss der Kölner Philharmonie in einem vom Gürzenich-Orchester zur Verfügung gestellten Studio, wo er bearbeitet, was er mit seinen Mikrofonen im Saal aufnimmt. Denn die Kooperation mit dem stadtkölnischen Klangkörper und Kapellmeister Roth ist ein Schwerpunkt seiner Arbeit: Eine Gesamtaufnahme der Schumann-Sinfonien wurde bereits erstellt (die zweite CD kommt demnächst auf den Markt), jetzt dräut – bis zum Bruckner-Jahr 2024 – die Totale der Bruckner-Sinfonien („Das wird am Ende eine richtig schöne Box“).

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Auch die Vierte ist schon im Kasten, desgleichen sind es die Nummern 1 und 2. Letztere allerdings in der leeren Philharmonie, während die übrigen Sinfonien auf Live-Mitschnitten (samt Nachsitzungen) der Abo-Konzerte basieren. Die Live-Situation favorisiert Cahen: „Nur dann erreichen wir diese Spontaneität und Qualität.“

Cahens Gürzenich-Connection ist auch familiär begründet: Sein französischer Vater Daniel war Solo-Cellist im Orchester, seine Stiefmutter Cornelie Bodamer-Cahen Geigerin (die Mutter war Bratschistin bei den Bochumer Symphonikern). Auch die Begeisterung für den künftigen Beruf des heute 47 Jahre alten studierten Tonmeisters hatte mit Gürzenich zu tun: Seinerzeit saß er bei den Aufnahmen dabei, die der frühere Kapellmeister James Conlon mit der Formation für EMI machte: „Da wusste ich: Das will ich machen.“

„Roth ist keine Diva“

Wie Cahen berichtet, trat das Orchester, das sonst (etwa mit dem Ehrendirigenten Dmitri Kitajenko) viel beim Label Oehms aufnimmt, von sich aus an ihn heran: „Die wollten mit Roth eine eigene Linie für Köln finden.“ Nun hätte das auch schiefgehen können. Ging es aber nicht, und Cahen ist vom Kölner GMD begeistert: „Der hat keine Diva- und Maestro-Allüren, für die ich auch keinen Nerv hätte. Er ist fordernd, aber positiv-fordernd; mitreißend, hält die Spannung oben. Da gibt es viele Details, die ihm wichtig sind, aber er ist auch Pragmatiker, der sich nicht in Unmögliches verbeißt.“ Der Zeitrahmen ist bei dem vielbeschäftigten Roth allerdings immer knapp bemessen – jetzt muss Cahen nach München fahren, um mit ihm im Hotelzimmer Bruckner zu schneiden. Zu diesem Komponisten hat er, wie er sagt, übrigens erst durch Roth einen Zugang gefunden: „Da höre ich zum ersten Mal Schubert, einen Bach-Choral – das gefällt mir sehr gut.“

myrios gibt es seit 2009. Damals wagte Cahen, als Tonmeister schon lange im Geschäft und ein paar Jahre in dieser Eigenschaft auch fest beim WDR angestellt, den Sprung ins kalte Wasser einer Neugründung. „Du hast ja Mut, haben mir viele gesagt.“ Klar, die Krise auf dem CD-Markt gab es damals schon, auch die Klassik-Labels hatten mit massiven Umsatz-Einbrüchen zu kämpfen. Das hat sich nicht geändert, im Gegenteil: Die Streaming-Dienste machen ihnen zusehends das Leben schwer.

„Leben kann man nicht davon“

Cahen lässt auch keinen Zweifel daran, dass er von myrios – das griechische Wort bedeutet so viel wie „Unendlichkeit“ – nicht leben kann, das allerdings auch nie vorhatte. Nach wie vor ist er als Tonmeister anderweitig gut beschäftigt, und Auftrieb hat ihm – er sagt es wahrscheinlich ungern – ausgerechnet die Corona-Pandemie gegeben: Es gab keine Konzerte, dafür umso mehr Zeit für Aufnahmen.

Wie auch immer: Ein eigenes Label war seinerzeit sein innigster Wunsch, der dadurch befeuert wurde, dass er einige Künstler kannte, die von ihren Labels weggingen. Dazu gehörte die illustre Bratschistin Tabea Zimmermann, die Cahen für sein Startup-Unternehmen anwerben konnte: „Die fragte mich: Was sollen wir denn machen? Und ich antwortete: Was möchtest du denn machen?“ So kam es dann zu einer ersten Aufnahme mit Suiten von Bach und Reger – „das wurde die bestverkaufte Bratschen-Solo-Platte aller Zeiten“.

Über Zimmermann kam Cahen an den Pianistin Kirill Gerstein, später erweiterte sich das Portfolio um das renommierte Salzburger Hagen-Quartett, das zuvor bei der Deutschen Grammophon unter Vertrag stand: „Die hatten bei der DGG nichts mehr zu sagen – das war meine Chance. Meine Künstler können sich bei mir verwirklichen“. Ein jüngerer Zugang ist der Sänger Julian Prégardien, mit dem Cahen bislang zwei Platten aufgenommen hat.

Acht bis zehn CDs pro Jahr

Acht bis zehn CDs pro Jahr macht Mister myrios, die über den belgischen Vertrieb Pias weltweit verbreitet werden. Aktiv auf die Suche nach neuen Künstlern geht er nicht: „Ich freue mich, wenn sich was ergibt.“ Wenn er einen Wunsch für die Zukunft hat, dann diesen: „Dass man meine Produktionen auch in 20, 30 Jahren noch hört.“