Der Posaunist, Festivalmacher und Kulturmanager Janning Trumann über verheerende Kürzungen im Kölner Haushalt und wie man es besser machen könnte.
Kölner Musiker Janning Trumann„Henriette Reker sollte die Kultur ihrer Stadt schützen und verteidigen“
Janning Trumann, die Kulturszene befand sich angesichts der geplanten Haushaltseinsparungen erst einmal in Schockstarre. Es herrschte der Eindruck, dass ohne Rücksicht auf Konsequenzen einfach in der Breite gekürzt werden soll. Was tun?
Janning Trumann: Dass sich noch niemand aus der Szene heraus so richtig dazu geäußert hat, ist in der Tat ein Zeichen der Ohnmacht angesichts der aktuellen Situation. Aber wenn man sich fragt, wo Köln denn in fünf, zehn oder 20 Jahren stehen will, muss man wirklich überlegen, wer denn die Player sind, die man jetzt stärken muss, um im Endeffekt die anderen mitzunehmen. Diese Diskussion fehlt der Stadt im Moment. Was sind die tragenden Säulen für die Kultur, was macht Köln einzigartig im Vergleich zu anderen Städten?
Sie sind als Veranstalter der Cologne Jazzweek von den Kürzungen unmittelbar betroffen. Was bedeutet das für Ihr erfolgreiches Festival?
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Im schlimmsten Fall findet es schon im kommenden Jahr nicht mehr statt. Wir sind in der Haushaltsplanung zu spät. Seit unserer Gründung 2020 haben wir eine Förderung aus der Kulturförderabgabe erhalten, der sogenannten Bettensteuer. Mit diesem kurzfristigen Geld hatten wir Planungssicherheit. Die hätten wir jetzt frühestens Ende März. Das betrifft viele Akteure, die international arbeiten oder längerfristig planen müssen. Die Jazzweek hat natürlich ihr Netzwerk, wir könnten auf Vertrauensbasis loslegen. Aber bei der aktuellen Situation würde ich das niemandem empfehlen. Am Ende wäre man dann als Geschäftsführer persönlich haftbar, das geht nicht.
Das alles passiert, obwohl die Jazzweek das kulturelle Profil der Stadt doch erheblich bereichert?
Die Mittel aus der Kulturförderabgabe sind von der Politik eigentlich als Anschubfinanzierungen gedacht. Man bekommt sie, um zu wachsen und an einem Punkt anzukommen, an dem sich die Verwaltung fragen muss, ob ein Projekt weiterhin förderwürdig ist oder eher nicht. Soll es weitergehen, braucht es auch eine größere Planungssicherheit, sprich einen Posten im Haushalt. An diesem Punkt sind wir aus meiner Sicht mit der Cologne Jazzweek längst angekommen. Leider hat das kein Akteur, der aus dieser Abgabe gefördert wurde, geschafft. Stattdessen wurden sogar noch Haushaltsposten gekürzt.
Wäre es denn theoretisch denkbar, ein Festival wie die Jazzweek ohne städtische Förderung durchzuführen?
Wir würden uns wünschen, noch stärker private Mittel zu werben. Wir finanzieren auch mehr als 20 Prozent unseres Umsatzes durch Eintrittseinnahmen, ungefähr 120.000 Euro, das ist viel im Vergleich zu anderen Festivals. Aber grundsätzlich ist es für die Musikform, die ich veranstalte, also für Jazz und improvisierte Musik, nicht möglich, ohne öffentliche Mittel zu existieren. Wir zahlen Werkaufträge, wir machen Uraufführungen, wir haben mehrere Probentage. Ich möchte jemanden sehen, der das kommerziell anbietet, der es schafft, das privat zu finanzieren. Dazu haben wir noch einen vergleichsweise tiefen Ticketpreis.
Sponsoren sind also kein Allheimmittel?
Natürlich müssen wir, wenn die Haushalte knapper werden, private Sponsoren und auch Mäzene wieder stärker in die Kultur holen. Aber das können vor allem die Starken. Eine Oper, eine Philharmonie, ein Gürzenich-Orchester, die könnten es schaffen, vielleicht von einem Dax-Konzern gesponsert zu werden. Die Kleineren generieren nicht die nötige Aufmerksamkeit, die werden es viel schwerer haben. Übrigens wäre es auch wichtig, dass die Verwaltung und ganz besonders jene Personen, die Kontakte zur Wirtschaft haben, etwa die Dezernenten, die Oberbürgermeisterin oder die Bürgermeister dieser Stadt, Kontakte herstellen.
Sie sind auch kulturpolitisch sehr aktiv. Aus dieser Warte betrachtet: Befürworten Sie eher das traditionelle Modell mit Zuschüssen durch die Stadt für alle Sparten? Oder würden Sie sagen, die Zukunft liegt eher im Sponsoring?
Sponsoring wird das Problem nicht lösen. Wir haben über die vergangenen Jahrzehnte eine sehr starke kulturelle Infrastruktur aufgebaut, international werden wir beneidet für das, was Deutschland – ich finde, zu Recht – an Kultur ausgibt. Es ist auch notwendig eine Oper, eine Philharmonie, ein Theater in einer Stadt zu haben. Die Frage ist eher, zu welchem Verhältnis wird Kultur gefördert? Schauen wir auf die öffentlichen Ausgaben, dann ist der Anteil der Kultur relativ gering, zum Beispiel 0,3 Prozent am NRW-Landeshaushalt. Wenn wir die Demokratie durch Kultur stärken wollen, sollte uns das auch etwas wert sein. Wir sollten dabei aber viel stärker über Evaluation sprechen. Was ist erfolgreiche Kulturförderung und wie kann man das bemessen? Geht es um Eintrittseinnahmen, um handwerkliche Qualität? Die Auslastungszahlen in den großen Häusern dieser Stadt kann man ja einsehen. Ich glaube, diese Diskussion müssen wir führen.
Also vermehrt darauf schauen, welche Angebote die Menschen auch annehmen?
Wir können nicht nur auf die Quote schauen, wir brauchen neben der quantitativen auch eine inhaltliche, eine qualitative Diskussion. Aber wer Quantität und Qualität bedient, sollte dementsprechend auch besser behandelt werden.
Nun kommt in Köln noch der Sonderfall der Opernhaus-Sanierung dazu, die ein gigantisches Geld verschlingt, das nicht nur der Kultur, sondern auch anderen Bereichen dieser Stadt auch zugutekommen würde. Wie beurteilen Sie das?
Wenn ich sehe, dass der Schwerpunkt der Finanzierung auf Beton gelegt wird, in dieses eine Gebäude, dann finde ich es falsch, dass wir gar nicht über Inhalte reden. Wir müssen vor allem davon reden, dass das Image dieser Kulturstadt unter diesem Bauversagen leidet. Niemand stellt infrage, dass Oper und Theater für eine Stadt wie Köln existieren müssen. Aber braucht Köln nur diese Oper oder diese Philharmonie? Die hat jede andere Großstadt auch. Aber was grenzt Köln kulturell von anderen Städten ab? Was sind die Stärken dieser Kulturstadt? Ich bin wegen der Musik nach Köln gekommen, aber nicht wegen der Philharmonie, sondern wegen der Musikerinnen und Musiker und der Gruppen, die hier in Köln sitzen.
Es gibt Stimmen, die sagen, man sollte die Sanierung einstellen und die Oper anderswo bauen.
Ich bin kein Bauexperte und kann nicht einschätzen, ob die Oper jemals öffnen wird. Aber es wird ja noch etwas länger dauern. Und deswegen ist es umso wichtiger, das Image der Kulturstadt Köln inhaltlich zu besprechen. Die exorbitanten Bauausgaben haben ja genau genommen mit der Kultur selbst nichts zu tun. Es darf nicht sein, dass die Kosten jetzt einfach auf die gesamte Kultur abgewälzt werden. Aber dadurch, dass die Oper so viel Geld verschlingt, richtet sie ein Brennglas auf die Situation. Ich glaube, dass wir definitiv eine Lösung finden müssen, wie Kultur in dieser Stadt finanziert wird. Wir müssen die Kulturförderung, die wir im 20. Jahrhundert hatten, auf das 21. Jahrhundert anpassen.
Zwischen Baustelle und kulturellen Inhalten auszudifferenzieren und die Stärken der Kultur hervorzuheben, wäre die Rolle von Stefan Charles, dem Kulturdezernenten. Macht er das gut?
Er könnte stärker erklären. Und das müsste er in dieser Situation auch. Er ist nun mal verantwortlich und er sollte seine Verantwortung nutzen und Schwerpunkte setzen, damit diese Stadt und ihre Kultur nicht langfristig Schaden erleiden. Und ich möchte, dass auch die Oberbürgermeisterin die Kultur ihrer Stadt als etwas deklariert, was ihr wichtig ist. Und sie auch schützt und verteidigt und versucht, sie weiterzuentwickeln. Dazu würde ich mir von Henriette Reker etwas mehr Engagement wünschen.