Chorus Musicus Köln und Dirigent Christoph Spering nahmen sich Beethovens Neunter Sinfonie an. Dabei hörte man viel Routine und wenig Götterfunken.
Christoph Spering in der Kölner PhilharmonieBraucht Beethovens Meisterwerk eine Pause?
Die Kölner Philharmonie war bei diesem Konzert der Kontrapunkt-Aboreihe mehr als gut gefüllt – da gab es nur wenige kahle Stellen in den Zuhörerreihen. Das verdient deshalb erwähnt zu werden, weil ein volles Haus spätestens seit Corona keinesfalls mehr die Regel ist – auch nicht bei großdimensionierten Auftritten mit Chor und Orchester.
Nun sind Christoph Sperings Chorus Musicus und Neues Orchester seit langem zuverlässige Magneten gerade des Kölner Publikums, aber es war wohl doch in erster Linie das aufzuführende Werk, das die Musikfreunde angelockt hatte. Beethovens Neunte erfreut sich nun mal gerade anlässlich von Jahreswechseln traditionell großer Beliebtheit.
Beethovens Neunte Sinfonie in Köln
Möglicherweise spielt dabei der kollektive Wunsch, das neue Jahr möge „angenehmer und freudenvoller“ werden als das verblichene, eine wichtige Rolle. Er wäre in der aktuellen Weltsituation übrigens mehr als nur verständlich – Schillers „Freude“ könnte in diesem Zusammenhang ohne weiteres durch das Wort „Frieden“ ersetzt werden. Auf der anderen Seite muss jede Aufführung der Neunten aufs Neue gegen die unleugbare Vernutzung des Werkes in einem lange etablierten Horizont unverbindlicher Erbauung ankämpfen. Das ist schwer und gelang auch Spering und seinen Mannen in dieser guten, wenngleich nicht überragenden Aufführung, die am Ende standing ovations erntete, nicht durchweg.
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Der Dirigent ist, man spürt es durchweg, mit dem Werk innigst vertraut. Diese Vertrautheit verbindet sich erfreulicherweise nicht mit dem Wunsch, eine sentimentale Botschaft auszusenden. Es geht ihm zuvörderst um die Musik „als solche“, um Satzarchitekturen, Temporelationen und instrumentale Dramaturgie. Der körnige, aufgeraute Klang seines Originalklang-Ensembles verhindert auch wohltuend jenen philharmonischen Weiheton, unter dem Dramen und Konflikte glattgebügelt werden. Das Klangkontinuum von Bläsern und Streichern etwa wird herzhaft aufgebrochen, die Gruppen begeben sich immer wieder in eine dramatische Konfrontation.
Christoph Sperings Auftritt in der Kölner Philharmonie
Jenseits von Detailmängeln in Sachen Klanggebung, Homogenität und Nahtstellenpräzision, die einer vollends durchschlagenden Gesamtwirkung abträglich waren, konnte allerdings der Geist einer zügig-lapidaren – böse formuliert: routinemäßigen – Abwicklung nicht ganz gebannt werden. Vielleicht sollte Spering – diese Empfehlung wäre indes nicht nur an ihn zu richten – das Stück mal für ein paar Jahre in Ruhe lassen. Die Chancen, diese Sinfonie einmal wieder „ganz neu“ zu spielen und zu hören, sind freilich – Illusionen darüber sollten sich verbieten – so oder so begrenzt.
Gerade der Chorleistung schlug besagte „Routine“ freilich zum Vorteil aus: Der Chorus Musicus exekutierte seinen Part im vierten Satz mit nie gefährdeter Gelassenheit, mit gleichbleibender Strahlkraft und auch mit Wucht und Härte. Die Doppelfuge – ein Muster an polyphoner Agilität und Präsenz. Das Solistenquartett mit Ilse Eerens (Sopran), Franziska Gottwald (Alt), Markus Schäfer (Tenor, mit leichten Höhenproblemen) und, vor allem, Daniel Ochoa (Bass) fügte sich in diese vokale Glanzleistung stilgerecht ein.