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Kölner PhilharmonieMendelssohn war keine Kopiermaschine

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Juliane Banse

Juliane Banse

Ein gelungenes Konzert des WDR Rundfunkchores und des Kölner Kammerorchesters unter Christoph Poppen in der Kölner Philharmonie.

„Er liebt die Toten zu sehr“, spottete einst der französische Musikrevolutionär Hector Berlioz über die geistlichen Arbeiten seines deutschen Kollegen Mendelssohn. An dieses bösartige Bonmot konnte man sich beim Konzert des WDR Rundfunkchores und des Kölner Kammerorchesters unter Christoph Poppen in der Philharmonie erinnert fühlen, das ausschließlich Psalm- und Choralkantaten des Romantikers gewidmet war. Eine in dieser Form ungewöhnliche Agenda, die sich auch der Tatsache verdankt, dass sie mit einer CD-Produktion verbunden ist.

Orientierung an Händel und Bach

Angesichts solcher geballten Ladung aber drängt sich erst recht Mendelssohns beharrliche, das heißt immer wieder durchbrechende Reorientierung an Stil, Kompositionsverfahren und Formenwelt Händels und vor allem Bachs auf. Und die heikle Frage, wo denn das Eigene bleibe, richtet sich nicht nur (fiktiv) an den Komponisten, sondern auch an die Interpreten, die allemal deutlich zu machen haben, dass Mendelssohn letztlich doch keine Kopiermaschine war.

Tatsächlich gelang es jetzt weithin überzeugend, diesen Nachweis zu führen. Und zwar nicht nur anhand von Werken wie dem berühmten, in diesen Tagen sehr aktuellen und nicht von ungefähr dann als Zugabe wiederholten Gebet „Verleih uns Frieden“ und dem 42. Psalm („Wie der Hirsch schreit“), in denen die Anlehnung an die Vorbilder zugunsten eines auf Anhieb unverwechselbaren Mendelssohn-Tons zurücktritt. Sondern gerade auch dort, wo Choral, Choralbearbeitung und Fuge jene unabweisbar machen: in den Kantaten „Ach Gott, vom Himmel sieh darein“ und „O Haupt voll Blut und Wunden“ sowie dem 115. Psalm („Nicht unserm Namen, Herr“).

Poppen hatte sich für einen satten, runden, warmen, eher weichen Grundklang entschieden und diesen sowohl dem Chor als auch dem Orchester nahegelegt. Ein Beispiel: Wo eine Textstelle wie „O Haupt, zum Spott gebunden“ bei Bach die (in der historischen Aufführungspraxis geschulten) Choristen routinemäßig zu einer gleichsam spuckenden Artikulation führt, blieb sie diesmal eher unauffällig in die Phrase eingebunden. Mendelssohn adaptiert genauso wenig eins zu eins die barocke Klangrede, wie seine romantische Religiosität noch viel mit der des frühen 18. Jahrhunderts zu tun hat.

Kein Bach zweiter Klasse

Wahrscheinlich kann man diese Musik schärfer, herber, aggressiver angehen, als es hier geschah. Man liefe dann aber Gefahr, Mendelssohn tatsächlich auf einen Bach zweiter Klasse zu reduzieren. Der seraphische Wohlklang, die gelegentliche nazarenische Süße sind halt unverzichtbare Bestandteile seines Idioms. Und der Sound des Orchesters, in dem Klarinetten spielen, ist von Haus aus nicht bachisch, sondern romantisch. Der von Florian Helgath einstudierte Rundfunkchor schaffte ausgezeichnet das schwierige Gleichgewicht zwischen einer plastischen Darstellung von Mendelssohns Kontrapunkt und einer entspannten, unangestrengten Fülle.

Nämliches gilt für das Orchester, das anfänglich bestehender Balanceprobleme rasch Herr wurde. Unter den guten Vokalsolisten (mit Seil Kim, Thomas Jakobs, Äneas Humm und Manfred Bittner) ragte mit Poppens Ehefrau Juliane Banse eine Sopranistin heraus, die, wie es schien, in ihrem vibratogesättigten Timbre ebenfalls Allusionen an die Barock-Ästhetik sehr bewusst mied. Insgesamt eine geschlossene Ensemble-Leistung, auf deren Tonträger-Verewigung man sich freuen darf.