Eigentlich sollte Mikko Franck wegen eines Rückenleidens im Sitzen dirigieren. Beim Auftritt der Cellistin Sol Gabetta mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France in Köln hielt es ihn aber nicht auf seinem Stuhl.
Kölner Philharmonie mit französischem OrchesterStarcellistin schöpft aus den Vollen
Die französische Musik leidet unter chronischem Fernweh. Immer wieder treibt es sie in entlegene Breiten, in eine mythische Vergangenheit, in die kaum zu verortenden Paradiese einer entgrenzten Sinnlichkeit.
Das Meisterkonzert des Orchestre Philharmonique de Radio France lieferte dafür markante Beispiele: In Claude Debussys „Prélude à l’après-midi d’un faune“ beobachtet ein lüsterner Faun Nymphen beim Baden, Maurice Ravels „Alborada del gracioso“ beschreibt ein Morgenständchen aus dem mittelalterlichen Spanien. In „Daphnis et Chloé“ (auf dem Programm stand die zweite Suite aus dem Ballett) stellt Ravel das berühmte Schäferpaar aus der altgriechischen Dichtung auf die Bühne.
Kölner Philharmonie mit Sol Gabetta und Mikko Franck
Alle drei Stücke sind populäre, im Konzertsaal häufig zu hörende Meisterwerke. Ihr feines Kolorit gilt als essentiell „französisch“, was Orchester außerhalb Frankreichs denn auch beflissen zu vermitteln suchen. Die Franzosen selbst, man hörte es deutlich, sind in dieser Hinsicht sehr viel entspannter: Hier wurde nicht bis ins letzte Detail an der klangfarblichen Differenzierung gefeilt, sondern flüssig und zielstrebig musiziert, offen, generös, mit großem Schwung. Und man sage nicht, das liege nur am finnischen Maestro Mikko Franck, der dem Orchester seit acht Jahren als Chefdirigent vorsteht.
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Aufgrund eines Rückenleidens dirigiert Franck im Sitzen; diesmal allerdings hielt es ihn nie lange auf dem Stuhl, den er auch bald vom Dirigentenpodest auf die Orchesterebene hinabzog. Am liebsten, so hatte es den Anschein, bewegte er sich direkt unter seinen Musikern, die er mit jovialem Charme zum Spielen einlud, stets mehr gewährend als fordernd.
Orchestre Philharmonique de Radio France spielt in Köln groß auf
Das Ergebnis sprach für sich: Das Orchester zeigte nicht nur in jedem Register hinreißende Klasse und Klangschönheit, es vermittelte auch den Eindruck von maximaler Freiheit und Gelöstheit. Der berühmte Tagesanbruch zu Beginn der „Daphnis“-Suite flutete wie eine Welle aus Licht und Wärme in den Saal - das war eine körperliche Erfahrung, die über das bloße Hörerlebnis weit hinausging.
In dieser Partnerschaft konnte auch die Cellistin Sol Gabetta aus dem Vollen schöpfen. Das Orchester gab ihr jederzeit Rückendeckung, um die großen Monologe im Cellokonzert von Édouard Lalo weiträumig auszuformen. Die widerborstig rhythmisierte kleine Tanzmelodie, die der Komponist in den langsamen Satz einstreute, machte der Argentinierin offenbar besonderen Spaß; überhaupt war ihr Spiel in jedem Takt von einer ansteckenden Lebendigkeit und Mitteilungsfreude, die aber nie auf Kosten des schönen Tons und der noblen Linie ging. Ein oft gebotenes Lieblingsstück der Cellistin war ihre Zugabe, der melancholische „Song of the Birds“ von Pablo Casals, bei dem sie von der Cellogruppe des Orchesters kollegial unterstützt wurde.