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Sondersendung von „Markus Lanz“Habeck warnt vor Gas-Stopp und widerspricht Baerbock

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Habeck lanz Archiv

Robert Habeck äußerte sich bei Markus Lanz zu Themen rund um den Krieg in der Ukraine. (Archivbild)

Mainz – Über drei Millionen Zuschauer sahen am Donnerstagabend die ZDF-Spendensendung „Markus Lanz – Ein Abend für die Ukraine“, in der unter anderem der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, Wladimir Klitschko per Videoschalte sowie Wirtschaftsminister Robert Habeck zu Wort kamen. Letzterer sorgte insbesondere mit einer überraschenden Aussage zu Russland für Aufsehen, mit der er seiner Grünen-Kollegin Annalena Baerbock widersprach.

Zunächst äußerte sich Habeck zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges und ging auf das moralische Dilemma, bei Gaslieferungen von Russland abhängig zu sein, ein. Der Wirtschaftsminister machte klar, welche gravierenden Folgen eine Abkopplung von russischem Gas hätte. „Wir reden von Hunderttausenden, die ihre Arbeit verlieren, wir reden von Armut durch explodierende Energiepreise“, rechtfertigte Habeck das bisherige Ablehnen der Bundesregierung eines solchen Schritts.

Habeck: Kein Konsens für kompletten Importstopp von russischem Gas

„Ich bezweifle, dass wir es in diesem Moment durchhalten, diese Entscheidung zu leben. Weil es keine Durchschnittsentscheidung ist. Bestimmte Branchen werden so hart getroffen werden, dass wir es als Gesellschaft meiner Analyse nach nicht lange durchhalten werden“, so Habeck.

Angesprochen auf ein Zitat seiner Parteikollegin vertrat Habeck im weiteren Verlauf der Sendung eine andere Meinung als Außenministerin Annalena Baerbock. Entgegen Baerbock sehe es Habeck nicht so, dass man in der Russland-Frage die Wahl zwischen „Pest oder Cholera“ habe: „Das stimmt, das stimmt aber auch wiederum nicht“, so Habeck. Die Regierung sei „gezwungen, klug und abgewogen zu reagieren. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir wirkungslos sind. Das was wir tun sind keine Pest-Entscheidungen. Wir sollten die Cholera vermeiden, aber wir bekämpfen die Pest. Wir sind nicht in der Pest, Waffen sind wirkungsvoll.“

Beim Thema Waffenlieferung zog der 52-Jährige allerdings klare Grenzen. „Was wir nicht liefern werden, sind Kampfflugzeuge und Panzer“, so Habeck, der argumentierte, dass dann ein „nicht mehr zu stoppender Krieg“ drohe, „bis hin zum dritten Weltkrieg.“

Die Zurückhaltung bei Waffenlieferungen nannte Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Deutschland, „eine feige Entscheidung“. Habeck hingegen sei es wichtig, dass jede Entscheidung, die die Bundesregierung treffe, auch Bestand habe. „Wir müssen alles dafür tun, Putin das Handwerk zu legen“, so der Wirtschaftsminister.

Innenministerin Nancy Faeser äußert sich zur Aufnahme Geflüchteter

Diskutiert wurde in der Sondersetzung von „Markus Lanz“ auch die Bewältigung des großen Andrangs flüchtender Menschen aus der Ukraine. Innenministerin Nancy Faeser betonte, die Situation sei nicht mit der von 2015 vergleichbar und argumentierte dabei vor allem mit der Nähe der Ukraine zu Deutschland.

„Es ist Krieg mitten in Europa. Es ist sehr viel näher und wir haben diesmal eine Riesenhilfsbereitschaft von vielen europäischen Staaten. 2015 war das nicht so“, so die 51-jährige SPD-Politikerin. Angesprochen auf eine mögliche Obergrenze bei der Aufnahme von Geflüchteten, wollte sich Faeser nicht festlegen.

Laut Migrationsforscher könnte Zahl der Geflüchteten auf 10 Millionen ansteigen

Wie viele tatsächlich kommen, weiß derzeit niemand. Migrationsforscher Gerald Knaus warnte in der Sendung aber eindringlich, sich auf weitere Millionen Geflüchtete vorzubereiten. „Die Entwicklungen der letzten zwei Wochen haben bereits jetzt zum größten Flüchtlingsbewegung seit dem zweiten Weltkrieg geführt. 2,4 Millionen haben die Ukraine verlassen", so Knaus.

Putins Strategie sei es, Europa durch das Leid, dass er in der Ukraine schaffe, zu destabilisieren. Knaus sei sich nicht sicher, „ob sich alle bewusst sind, was das heißt“. Er mahnte, man müsse damit rechnen, „dass aus über 2 Millionen auch zehn Millionen werden könnten“, das verlange nach einer Strategie, „die weit über das hinaus geht, was wir jetzt machen.“ Man brauche Pläne und Logistik, aufnahmewillige Staaten sollten den Menschen in Osteuropa einen Weg ins jeweilige Land organisieren.

Videobotschaft von Wladimir Klitschko

Emotional wurde es beim Auftritt von Natalia Klitschko, die nach Kriegsausbruch nach Berlin geflüchtet ist, während ihr Mann als Bürgermeister von Kiew die Stadt verteidigt. Sichtlich berührt berichtete sie von täglichen Telefonaten mit ihrem Mann. „Sie sind am Leben – und das zählt“, so Klitschko.

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Nicht im Studio, aber per Videoschalte Teil der Sendung, war ihr Schwager Wladimir Klitschko, der seinem Bruder Vitali in Kiew zur Seite steht. Der ehemalige Box-Weltmeister warb einmal mehr für Unterstützung aus Deutschland: „Es sterben viele Zivilisten und vor allem auch Kinder. Wir verteidigen nicht nur die Ukraine und die demokratischen Werte, wir verteidigen den Frieden in Europa. Unterstützen Sie uns“, so Klitschko.

Viele Zuschauer kamen seinem Appell nach und spendeten. Laut Angaben des Senders kam am Ende der Sendung eine Spendensumme von 4,17 Millionen Euro zusammen.