Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock will zur UNO. Nicht nur Moskau hat etwas dagegen.
Außenministerin will nach New YorkKritik an UN-Kandidatur von Baerbock – Moskau nennt sie „Enkelin eines Nazis“

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Grüne) bewirbt sich auf den Vorsitz der UN-Generalversammlung 2025/26. (Archivbild)
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Nach ihrem Ausscheiden aus der Bundesregierung soll Noch-Außenministerin Annalena Baerbock im September auf eine Top-Position in New York wechseln: Die Bundesregierung will die Grünen-Politikerin als Kandidatin für den Vorsitz der UN-Generalversammlung in der Sitzungsperiode 2025/26 benennen.
Anfang März, nachdem klar war, dass die Grünen aus der Regierung ausscheiden, hatte Baerbock für ihren Verzicht auf eine Führungsrolle in der Bundestagsfraktion persönliche Gründe angeführt. Im November 2024 war die Trennung von Baerbock und ihrem Ehemann Daniel Holefleisch bekannt geworden. Baerbock hat zwei Töchter im Alter von 9 und 13 Jahren. Aus ihrem Umfeld heißt es, die Kinder würden Baerbock nach New York begleiten und dort die Schule besuchen, schreibt die Nachrichtenagentur dpa.
Die Wahl soll im Juni erfolgen, zuvor will Baerbock im Mai ihr Arbeitsprogramm vorstellen. Ursprünglich war die deutsche Top-Diplomatin Helga Schmid im September 2024 von Deutschland als Kandidatin nominiert worden. Jetzt soll der Posten politisch besetzt werden. Ablösen würde Baerbock den früheren Ministerpräsidenten von Kamerun, Philémon Yang.
Kollege Hofreiter gratuliert – Russland kritisiert Nominierung
Der Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter gratulierte seiner Parteikollegin. „Wenn die Aussage stimmt, dann gratuliere ich Annalena Baerbock ganz herzlich dazu. Das ist eine wichtige Position. Auch wenn die UN im Moment in nicht unerheblichen Schwierigkeiten ist, muss man trotzdem alles dafür tun, den Multilateralismus zu stärken“, sagte er gegenüber „Welt TV“.

Helga Maria Schmid, Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), spricht während einer Pressekonferenz. (Archivbild)
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Russland hingegen lehnt die UN-Kandidatur Baerbocks ab. „Es wäre merkwürdig, 80 Jahre nach dem Sieg (im Zweiten Weltkrieg) auf dem Posten der Vorsitzenden der Generalversammlung die Enkelin eines Nazis zu sehen, die stolz auf die Heldentaten ihres Großvaters ist“, sagte die Sprecherin des russischen Außenamts, Maria Sacharowa, der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge.
Baerbock spricht offen über ihren Großvater, der Wehrmachts-Offizier im Einsatz an der Ostfront war. Moskau hat dessen NS-Vergangenheit schon mehrfach thematisiert, um die deutsche Außenministerin zu diskreditieren.
Heusgen nennt UN-Personalie Baerbock „Auslaufmodell“
Auch der frühere Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, äußert Kritik. Es sei „eine Unverschämtheit, die beste und international erfahrenste deutsche Diplomatin durch ein Auslaufmodell zu ersetzen“, sagte Heusgen dem „Tagesspiegel“ mit Blick auf den Widerruf der Nominierung von Helga Schmid zugunsten von Baerbock. Es handele sich um eine „Aktion Abendrot“.

Christoph Heusgen, Botschafter und Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), hat Annalena Baerbock ein „Auslaufmodell“ genannt.
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Helga Schmid, frühere Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), ist auch Stellvertreterin des Präsidenten des Stiftungsrats der Münchener Sicherheitskonferenz.Heusgen verwies auf ihre zahlreichen Verdienste: Die erfahrene Diplomatin sei Büroleiterin von Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne) gewesen sowie Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Zudem habe sie das Atomabkommen mit dem Iran verhandelt.
Auch der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) ließ Kritik an der Personalie Baerbock erkennen. Gabriel sagte dem „Tagesspiegel“, die eigentlich für den UN-Posten nominierte Helga Schmid sei „eine großartige Diplomatin“. „Frau Baerbock kann viel von ihr lernen.“
Posten bei der UNO brächte vor allem repräsentativen Aufgaben
Baerbocks Präsidenten-Vorgänger bei der UN-Generalversammlung fielen vor allem mit repräsentativen Aufgaben auf. Sie leiteten Plenarsitzungen und achteten darauf, dass die Geschäftsordnung eingehalten wird. Doch die 44-Jährige könnte im neuen Job auch thematische Debatten anstoßen und Berichte vorlegen oder eine Vermittlerrolle bei Konsultationen und Verhandlungen zu wichtigen UN-Themen spielen. Als Präsidentin aller Länder müsste sie sich allerdings mit allzu politischen Aussagen zurückhalten.
Direkte Entscheidungsgewalt wird Baerbock nicht haben. Doch gut möglich, dass sie versucht, die Aufgabe als Sprungbrett für weitere Rollen auf internationalem oder deutschem Parkett zu nutzen. Eine Rolle könnte sie auch bei der Suche eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin für UN-Generalsekretär António Guterres spielen, dessen Amtszeit Ende 2026 endet. Für die Bezahlung im Amt der Präsidentin der Generalversammlung der Vereinten Nationen muss das Entsendeland aufkommen – also Deutschland. (dpa/afp)