Scholz besucht die Ukraine und sichert Unterstützung zu, warnt aber vor der „Nuklearmacht Russland“. Das kommt nicht bei allen in der SPD gut an.
Klare Worte von Steinbrück„Halte Spiel mit Angst für falsch“ – Lanz entlockt SPD-Urgestein Kritik an Scholz
Deutschland befindet sich im Wahlkampf, und alle Parteien versuchen sich mit eigenen Positionen von der Konkurrenz abzugrenzen. Besonders unter Beobachtung steht Bundeskanzler Olaf Scholz. Zunächst musste sich die SPD vorwerfen lassen, den Start vollkommen verstolpert zu haben. Statt das Momentum nach dem Bruch der Ampel durch den Rauswurf von FDP-Finanzminister Christian Lindner zu nutzen und Scholz zum Spitzenkandidaten zu machen, verlor sich die SPD drei Wochen lang in Personaldiskussionen. Dies beschädigte das ohnehin massiv angekratzte Image des Kanzlers weiter.
Inzwischen ist klar, wo der Fokus der Wahlkampfstrategie der SPD liegt: Olaf Scholz setzt auf die Karte „Besonnenheit“. In weltpolitischen Krisenzeiten möchte sich der Kanzler als Garant der Stabilität und der Vorsicht präsentieren. Vor allem im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine versucht Scholz einen Spagat: Auf der einen Seite sichert er dem angegriffenen Land seine Solidarität zu und will weiter finanziell massiv unterstützen, wie er bei seinem Besuch in Kiew am Montag sagte.
Auf der anderen Seite verweigert Scholz der Ukraine weiterhin die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus, telefoniert mit Putin und wird nicht müde zu betonen, dass Deutschland und die Nato in den Krieg hineingezogen werden. So schrieb Scholz am 30. November unter seinem Account als Bundestagsabgeordneter beim Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter: „Am 23. Februar entscheidet sich, welcher Kurs sich durchsetzt: Friedrich Merz will der Nuklearmacht Russland ein Ultimatum stellen. Ich kann da nur sagen: In Fragen von Krieg und Frieden braucht es keinen unberechenbaren Oppositionsführer, sondern einen kühlen Kopf“.
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Empörung über Scholz' Äußerung über Merz und ein angebliches Ultimatum an Putin
Der Post führte zu Empörung bei der Union und brachte Scholz eine „Community Note“, also quasi einen Faktencheck, bei X ein. Merz habe Putin keineswegs ein Ultimatum gestellt, heißt es da. In der Tat hatte Merz gesagt, Putin solle für den Fall weiterer Angriffe auf zivile Infrastruktur unter Druck gesetzt werden, indem unter bestimmten Bedingungen der Ukraine Taurus-Lieferungen angekündigt würden. Dies solle aber nur in Abstimmung mit EU-Partnern erfolgen.
Seine zögerliche Haltung brachte Scholz bereits viel Kritik ein. Die Ukraine sei letztlich Leidtragende von Scholz' innenpolitischer Profilierung als „Friedenskanzler“, kritisiert die Union. Scholz wolle Angst bei den Wählern schüren und bediene letztlich mit seinen Warnungen vor der „Nuklearmacht Russland“ Putins Narrativ.
Peer Steinbrück findet Scholz' Haltung „schwammig“
Auch sind nicht alle einverstanden mit diesem Kurs, halten sich aber bislang mit öffentlicher Kritik zurück. Bei Markus Lanz im ZDF sagte nun aber Partei-Urgestein Peer Steinbrück am Dienstagabend: „Ich halte das Spiel mit Angst für völlig falsch, weil im Zweifelsfall Angst dazu führt, dass man sich zurückzieht und gar nichts tut.“ Als Lanz fragte, ob Olaf Scholz „dieses Gefühl von Unsicherheit“ verbreite, erklärte Steinbrück, dass es „jedenfalls schwammig“ sei.
Taurus hätte Steinbrück im Gegensatz zu Scholz geliefert, spätestens als die US-Regierung der Ukraine die Erlaubnis zu einem weitreichenderen Einsatz der amerikanischen Waffen erteilt habe. Der ZDF-Moderator hakte daraufhin nach: „Und wie erklären Sie sich, dass der amtierende Kanzler das nicht macht?“ Der SPD-Mann antwortete genervt: „Das kann ich Ihnen nicht beantworten, weil ich nicht der amtierende Kanzler bin!“
Den viel kritisierten Anruf des Kanzlers bei Putin wollte Steinbrück nicht verurteilen, fand ihn aber auch nicht besonders hilfreich. Zwar müsse man im Gespräch bleiben, allerdings sei das Telefonat von vornherein „perspektivlos“ gewesen, erklärte der 77-Jährige.
Allerdings verteidigte Steinbrück den Kiew-Besuch des Kanzlers ausdrücklich. Dieser sei kein Wahlkampf-Manöver gewesen, man könne den Kanzler ja nicht zur Passivität verurteilen. „Dann müsste der Bundeskanzler morgens im Bett bleiben und dürfte gar nichts mehr tun“, so Steinbrück flapsig. Den Post zu Merz' angeblichem Ultimatum nennt Steinbrück zugespitzt, Wahlkampf sei kein „Ponyhof“.
Steinbrück sieht SPD als „Outsider“ bei der Bundestagswahl
Steinbrück, SPD-Kanzlerkandidat im Jahr 2013, schätzt die Chancen seiner Partei bei der Wahl am 23. Februar als gering ein. „Die SPD ist der Outsider und die Union ist der Favorit“, sagte hatte Steinbrück Ende November beim ARD-Talk „Maischberge“ gesagt.
In Umfragen liegen die Sozialdemokarten derzeit bei etwa 15 Prozent. Laut Insa konnten sich die Partei zuletzt auf 16 Prozent leicht verbessern. Die Union liegt demnach bei 31,5 Prozent. Anders als 2021 werde Olaf Scholz dieses Mal wahrscheinlich keine Aufholjagd gelingen, „weil sich der zeitliche Kontext natürlich verändert hat“, so Steinbrück bei „Maischberger“. Heute werde Scholz „als jemand wahrgenommen, der die Gesamtverantwortung für die Politik trägt. Und natürlich ist das öffentliche Urteil im Augenblick über ihn nicht sehr positiv“.