Olaf Scholz fordert Wladimir Putin zu Verhandlungen mit der Ukraine auf. Der Kremlchef nennt Bedingungen. Aus Kiew kommen klare Worte.
Kremlchef bleibt hart, Kritik aus KiewScholz telefoniert erstmals seit zwei Jahren mit Putin
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat erstmals seit zwei Jahren mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert und den Kremlchef dabei „zu Verhandlungen mit der Ukraine“ aufgefordert. Diese müssten das Ziel „eines gerechten und dauerhaften Friedens“ haben, erklärte Scholz in einem Statement auf der Plattform X. „Ich habe mit Präsident Putin telefoniert und ihn aufgefordert, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden und seine Truppen zurückzuziehen“, schrieb Scholz. Über weitere Inhalte wurde auf deutscher Seite zunächst nichts bekannt.
Moskau sprach kurz darauf von einem „ausführlichen und offenen Meinungsaustausch“ zwischen Putin und Scholz. Der Kremlchef habe den Kanzler dabei daran „erinnert“, dass die „aktuelle Krise eine direkte Folge der langjährigen aggressiven Nato-Politik“ sei, die darauf abziele, einen „antirussischen Brückenkopf“ in der Ukraine zu erschaffen, hieß es weiter in einer Mitteilung des Kreml.
In dem Gespräch, das auf deutsche Initiative hin zu Stande gekommen sei, habe Putin auch erklärt, dass Russland Verhandlungen „nie abgelehnt“ habe und weiterhin offen dafür sei. „Die Vorschläge Russlands sind bekannt und wurden insbesondere in einer Rede im Juni im russischen Außenministerium dargelegt“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Tass den Kreml weiter.
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Scholz drängt Putin zu Truppenabzug und Verhandlungen
Putin hatte damals Bedingungen aufgestellt, die einer Kapitulation der Ukraine gleichkommen. Der Kremlchef forderte den Rückzug der Ukraine sogar aus Gebieten, die Russland bisher nicht kontrolliert, einen Nato-Verzicht der Ukraine sowie die „Entnazifizierung und Entmilitarisierung des Landes“ und die „Abschaffung aller westlichen Sanktionen“.
Scholz habe Putin angekündigt, dass Deutschland die Ukraine „so lange wie nötig unterstützen“ werde, berichtete Tass außerdem. Die russische Nachrichtenagentur will zudem erfahren haben, dass Scholz seine Besorgnis über die Entsendung nordkoreanischer Soldaten nach Russland ausgedrückt und vor einer „erheblichen Eskalation des Konflikts“ gewarnt habe.
Putin und Kanzler Scholz hätten „tiefe Meinungsverschiedenheiten“, zitierte Tass später Kremlsprecher Dmitri Peskow. Es sei jedoch „sehr positiv“, dass es einen Dialog gegeben habe, erklärte Peskow weiter. Laut russischen Medien wollen Putin und Scholz den Kontakt aufrechterhalten.
Letztes Telefonat zwischen Scholz und Putin 2022
Zuletzt hatten Scholz und Putin am 2. Dezember 2022 eine Stunde lang telefoniert. Der Kanzler bemüht sich aktuell um eine zweite Ukraine-Friedenskonferenz nach einem Gipfel in der Schweiz im vergangenen Sommer, an dem dann auch Russland teilnehmen könnte. Bisher ist dafür aber kein Termin in Sicht. Der Westen hat wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine, der im Februar 2022 begann, die Gesprächskanäle nach Moskau weitgehend stillgelegt.
Zum letzten Mal hatte Scholz Putin gut eine Woche vor dem russischen Angriff auf die Ukraine bei seinem Antrittsbesuch in Moskau persönlich getroffen. Wegen Corona saßen beide im Kreml an einem riesigen ovalen Tisch meterweit voneinander entfernt. Nach der Invasion gab es noch einzelne Telefonate, die dann aber abbrachen. Das hatte vor allem mit der russischen Kriegführung in der Ukraine und fehlender Aussicht auf konkrete Ergebnisse zu tun.
Scholz hatte in den vergangenen Monaten immer wieder gesagt, dass er zu einem Gespräch mit Putin bereit sei. Er wolle nur den richtigen Zeitpunkt finden. In der ARD erklärte der Kanzler am Sonntag, dass dieser Zeitpunkt „demnächst“ gekommen sein könnte. „Ja, ich habe mir vorgenommen, mit dem russischen Präsidenten zur richtigen Zeit zu sprechen. Aber ich bin ein verantwortlicher Politiker, ich mache das nicht im Alleingang.“ Ein Gespräch mit Putin setze viele Kontakte und Gespräche mit sehr vielen anderen voraus.
Scholz telefonierte vorher auch mit Selenskyj
Der Zeitpunkt des Gesprächs dürfte mit dem bevorstehenden G20-Gipfel im brasilianischen Rio de Janeiro zusammenhängen, zu dem Scholz am Sonntag aufbricht. Dort wird auch der russischen Außenminister Sergej Lawrow erwartet.
Putin selbst hatte am 18. Oktober seine Teilnahme am Gipfel abgesagt, um nicht „die normale Arbeit des Forums zu stören“, das andere Themen habe. Gegen Putin liegt ein internationaler Haftbefehl des Weltstrafgerichts in Den Haag wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine vor. Er würde in Brasilien eine Festnahme riskieren.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nicht zum G20-Gipfel eingeladen. Scholz telefonierte am Mittwochabend mit ihm, um über die militärische und humanitäre Lage in der Ukraine zu sprechen. Gut möglich, dass der Kanzler Selenskyj in dem Gespräch auf das Telefonat mit Putin vorbereitet hat. Zuvor hatte Scholz am Mittwoch bei einer Regierungserklärung im Bundestag der Ukraine unverbrüchliche Solidarität Deutschlands angesichts Russlands Krieg zugesichert.
Ukraine reagiert „verstimmt“
Auf das Gespräch zwischen Scholz und Putin reagierte Kiew am Freitagabend dann jedoch verstimmt. Gespräche mit Putin brächten „keinen Mehrwert“ für einen gerechten Frieden, sondern würden beim Kremlchef lediglich die Hoffnung wecken, „seine internationale Isolation“ überwinden zu können, hieß es in einer Stellungnahme des ukrainischen Außenministeriums. „Was wir brauchen, sind konkrete, entschlossene Taten, die ihn zum Frieden zwingen“, erklärte Kiew weiter. „Überredungs- und Beschwichtigungsversuche“ sehe der Kremlchef bloß als „Zeichen der Schwäche“. Russland müsse „in erster Linie“ seine Truppen aus dem Gebiet abziehen.
Selenskyj äußerte schließlich ebenfalls scharfe Kritik. Scholz' Anruf bei Putin öffne „die Büchse der Pandora“, erklärte der ukrainische Präsident in sozialen Netzwerken. Nun werde es weitere Gespräche und Telefonate geben, diese seien „nur viele Worte“, führte Selenskyj aus. „Das ist genau das, was Putin anstrebt“. Mit Gesprächen, die „zu nichts führen“, wolle der Kremlchef seine Isolation verringern. „Das tut er schon seit Jahren.“ Es werde „kein Minsk-3“ geben, versicherte Selenskyj. „Wir brauchen einen echten Frieden.“ (mit dpa)