Ricarda Hofman ist mit ihrem Podcast Busenfreundin bekannt geworden. Mit uns hat sie über die queere Szene in Köln gesprochen und verrät uns ihre persönlichen Tipps für die Kölner Kulturszene im Juli.
‚Mein Kulturmonat‘ mit Ricarda Hofman„Der CSD ist so notwendig wie nie“
Ich bin nach meinem Studium nach Köln gekommen, weil ich wusste, dass ich hier endlich so sein darf, wie ich bin: queer. Als Studentin in Würzburg habe ich ein komplett anderes Leben gelebt und eine ganz andere Identität gehabt – nämlich heterosexuell und eher unglücklich. Mein Studium und meine Freunde waren toll, aber ich konnte dort nie meine Liebe ausleben.
Köln ist für mich die offenste Stadt in Deutschland mit dem größten Angebot für queere Menschen – außer Berlin vielleicht. Aber Köln gibt es diese kölsche Mentalität, die dich mit offenen Armen empfängt. Das empfinde ich in Berlin nicht so, da fühle ich mich sehr anonym. Für mich war deswegen total klar, dass ich in Köln leben möchte – auch weil ich nicht zurückwollte nach Düsseldorf, wo ich aufgewachsen bin. Das ist zwar nur 30 Kilometer entfernt, aber gefühlt eine ganz andere Welt.
Mein erster Ausflug in eine queere Bar in Köln war übrigens das „Gaylord“ – eine Schwulenbar. Damals wusste ich noch nicht, dass queer nicht gleich queer ist. Und dass die Kölner Szene sehr männlich dominiert war und leider auch immer noch ist. Am Ende des Tages bin ich natürlich froh, dass es diese Szene überhaupt gibt. Aber dafür, dass wir in Köln sind, ist das Angebot für Lesben schon ausbaufähig. Immerhin eine Stadt, die während des CSD von mehr als einer Million Menschen besucht wird.
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Auch durch die Sozialen Medien ist die FLINTA*-Szene [Das Akronym FLINTA* steht für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen, die Red.] in den letzten Jahren schon etwas sichtbarer geworden und es gibt auch in Köln Locations wie die „BOIze Bar“, die ich gerne mag. Ich veranstalte inzwischen auch selber Partys für die FLINTA* Community – und da wird mir immer wieder gespiegelt, dass es noch viel zu wenig davon gibt.
Man redet ja auch von „queeren Partys“ – also von Schwulen und Lesben zusammen. Leider muss ich sagen: Das funktioniert nicht. Lesbische Frauen feiern ganz anders als schwule Männer, da sind die Zielgruppen komplett konträr. Aber am Ende des Tages sind wir natürlich solidarisch miteinander – und auf dem CSD feiern wir natürlich auch alle zusammen.
Dass der CSD immer kommerzieller wird, stört mich eigentlich nicht. Ich habe da meine eigene Meinung zum Thema Pinkwashing – also dem Versuch vieler Firmen, sich als viel diverser zu verkaufen, als sie eigentlich sind. Das sehen ja viele kritisch, aber ich denke, selbst Pinkwashing ist eine Form von Sichtbarkeit. Ich habe deswegen ehrlich gesagt überhaupt nichts dagegen, wenn irgendwer eine „Pride Collection“ rausbringt oder die Pride Flag auf Schuhe druckt. Aber natürlich wünsche ich mir auch, dass das dann in den Unternehmen auch gelebt wird – nicht nur einmal im Jahr beim CSD.
In der aktuellen politischen Situation, in der die rechten Kräfte plötzlich erstarken, finde ich den CSD so notwendig wie nie. Eine Zeit lang habe ich gedacht: Das ist schon echt cool, wie viel wir schon erreicht haben – und es geht jetzt einfach immer noch weiter. Aber jetzt plötzlich merke ich, dass es Rückschritte gibt und dass die Rechte der queeren Community gefährdet sind.
Deswegen appelliere ich wirklich an alle Leute – egal ob sie queer sind oder nicht – zum CSD zu gehen und zu zeigen: Ihr werdet es nicht schaffen uns diese Rechte zu nehmen! Ich muss als lesbische Frau plötzlich wieder Angst haben: Mit meiner Freundin vielleicht keine Möglichkeit für eine Adoption zu bekommen. Oder dass uns die Möglichkeit genommen wird, Kinder zu kriegen. Oder eine Ehe einzugehen. Tatsächlich habe ich gerade wieder ein mulmiges Gefühl, als queere Person in dieser Welt zu leben, in diesem Land.
Wenn ich jetzt sage, dass ich gerne lache, klingt das vielleicht wie ein Widerspruch, aber für mich ist es keiner: Gerade in diesen Zeiten der Verunsicherung brauchen wir Humor dringender denn je. Und in Köln kann man gefühlt an jedem Tag zu einer Comedy-Veranstaltung gehen. In die Comedia oder ins Artheater – da gibt es hier eine wahnsinnige Vielfalt und dafür ist Köln ja auch sehr bekannt. Ich mag Comedy, die selbstironisch, selbstkritisch, gesellschaftskritisch ist. Und manchmal will auch ich auch über einen dummen Gag aus dem Supermarkt oder so lachen. Und freue mich, wenn ich für einen Moment nicht über all das nachdenken muss, was politisch gerade passiert.
Comedy kann Brücken bauen – und das ist auch mein Anspruch an mich selbst. Du kannst mit Humor Verständnis entwickeln für jemanden und vielleicht auch einen Zugang schaffen, für ein Thema, das schwer oder komplex erscheint.
Ich mache ja auch selbst Comedy, aber für mich ist das wirklich mehr eine Leidenschaft als ein Beruf – darum gebe ich mir das auch noch in meiner Freizeit. Zum Beispiel mag ich das Gloria sehr gerne, im Juni gab da sogar eine queere Comedy-Veranstaltung, die Markus Barth initiiert und moderiert hat. Davon könnte es ruhig mehr geben.
Es überrascht jetzt wahrscheinlich niemanden mehr, dass Karneval für mich der absolute Kulturhöhepunkt in Köln ist. Ich liebe das einfach und das Beste daran ist, dass die Kölner den Karneval und diese ganzen Traditionen so todernst nehmen. Vom Straßenkarneval habe ich mich allerdings ein bisschen entfernt, weil mir das zu viel wurde. Zu viel Kotze, zu viel Gerangel, zu viel Müll und auch tatsächlich zu viel besoffene Leute.
Im letzten Jahr war ich bei einer Karnevalsveranstaltung im Gürzenich. Dass da Witze übers Gendern gerissen werden, finde ich nicht so schlimm – man muss ja auch mal raus aus seiner Blase und rein in die Realität. Aber wenn man aus der queeren Community kommt, staunt man schon, wie wenig divers der öffentliche Karneval ist. Das war eine ganz schöne Pimmelparade. Tradition ist toll – aber was das angeht, könnte sich der Karneval gerne mal ein bisschen neu erfinden.
Aufgezeichnet von Kerstin Meier
Ricarda Hofman wurde 1987 in Düsseldorf geboren. Während ihres Studiums der Staatswissenschaft in Würzburg und Darmstadt fing sie an, Comedy-Texte zu schreiben. Unter anderem arbeitete sie für Formate wie „Salon Simonetti“ (ARD) oder „Lass dich überwachen – mit Jan Böhmermann“ (ZDF). Seit 2018 hostet sie den Diversity-Podcast Busenfreundin. Zurzeit tourt sie mit dem Podcast Live Format „#loveislive“. Ricarda Hofman wohnt in Köln mit Partnerin Irina und Hund Ole.
Kulturtipps für den Juli von Ricarda Hofman
Cologne Pride: „Das ist das IKEA Balleparadies für mich. Total aufregend, bunt und voller Liebe. Ich mag den Cologne Pride, weil ich seit Jahren schöne Momente mit ihm verbinde.“
Vom 19. bis zum 21. Juli gibt es mehr als 60 Stunden Programm auf drei Bühnen. Ricarda Hofmann moderiert die Hauptbühne am 20.7. mit Benni Bauerdick (1Live), Mainact ist Tokio Hotel. Am Sonntag, 21. Juli findet dann die große CSD-Demonstration statt. Am 20. Juli gibt es im Gloria die FLINTA*-Party „Discobabes“.
Summerjam Festival: „Da war ich bereits drei Mal und mag die Atmosphäre und das entspannte Miteinander. Ich bin an sich nicht der Festival-Mensch, aber das Summerjam hat immer einen bleibenden Eindruck hinterlassen.“
5. bis 7. Juli, Fühlinger See. Tagestickets kosten 85/90 Euro. Das 3-Tage Festivalticket mit Camping kostet 175 Euro.
Konzert Nick Carter: Ich war großer Backstreet-Boys- und NSYNC-Fan und bin fast ehrfürchtig, dass er einen Tag nach uns die Bühne im Carlswerk betritt.
Nick Carter, Who I Am Tour 2024, 20. Juli, 20 Uhr, Carlswerk Victoria, Tickets kosten 66,45 Euro.