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Midori in der PhilharmonieEin Spiel, das bei sich bleibt und aufgesucht werden will

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Midori hält eine Violine im Arm.

Die japanische Geigerin Midori trat in der Kölner Philharmonie auf.

Beim Kölner Gürzenich-Sonderkonzert mit Gaststar Midori gab es Höhen und Tiefen - und etliche klappernde Einsätze.

Kompromissloser Ernst, künstlerische Lauterkeit und hohe Ausdrucksdichte prägen jeden Auftritt der japanischen Geigerin Midori. In den 90er Jahren ging sie durch eine schwere Krise, von der sie in ihrer Autobiographie freimütig berichtet. Depressionen und Essstörungen ließen sie zeitweise, wenn auch nie ganz vom Podium verschwinden. Midori nahm ein Psychologiestudium auf, engagierte sich sozial, begann zu unterrichten und fand auf diese Weise die nötige Stabilität, ihre Karriere fortzusetzen.

Eine Geigerin des großen oder leuchtend schönen Tons war sie nie. Auch beim Gürzenich-Sonderkonzert in der Philharmonie musste man sich erst wieder einhören auf den eher klein dimensionierten, eng vibrierenden Klang, den sie ihrer Guarneri von 1734 entlockt; auf ein Spiel, das kaum je generös in den Saal hinein strahlt, sondern stets bei sich bleibt, aufgesucht werden will. Wo Béla Bartóks 1938 vollendetes Violinkonzert Nr. 2 noch in der Tradition des romantischen Virtuosenkonzerts steht, hätte man sich schon mehr Kraft gewünscht, mehr selbstbewusst verkündende Geste, mehr Befreiung in den Höhenlagen.

Kaum zu übertreffen war die Behutsamkeit, mit der Midori die Variationen des Mittelsatzes gegeneinander absetzte

Kaum zu übertreffen dagegen war die Behutsamkeit, mit der Midori die Variationen des Mittelsatzes gegeneinander absetzte. Der weite Weg, den das folkloristisch schlichte Thema hier nimmt, wurde zum Gang durch eine Seelenlandschaft - eine Musik, die sich immer wieder sanft verliert und wundersam wiederfindet, in der das Schroffe im Grunde nur das Zarte mit umgekehrtem Vorzeichen ist. Letztlich enthüllt sich Midoris Kunst am besten in Reflexion und Innenschau; das wurde auch in der bedachtsam formulierten Zugabe hörbar, dem Largo aus Johann Sebastian Bachs C-Dur-Sonate. Das Publikum zeigte sich sehr zugänglich für die besondere Aura der Geigerin und bereitete ihr begeisterte Ovationen.

Was das Zusammenspiel mit dem Gürzenich-Orchester betrifft, waren gewisse Unschärfen in der Koordination, im Anpeilen gemeinsamer Zielpunkte nicht zu überhören. Aber die gab es auch jenseits des Bartók-Konzerts: Das Eingangsstück, eine Streicher-Studie des in Theresienstadt inhaftierten und in Auschwitz ermordeten tschechischen Komponisten Pavel Haas, wirkte in ihrer hakeligen Rhythmik, ihrer neobarocken Polyphonie nicht hinreichend scharf konturiert.

Antonín Dvořáks siebte Sinfonie wurde mit der zupackenden Verve und Musizierlust gespielt, wie man sie vom Gürzenich-Orchester kennt und erwartet. Aber in Fragen der Präzision und Balance war das doch eine eher mittelprächtige Darstellung. Unter Leitung des jungen amerikanischen Dirigenten Joshua Weilerstein klapperten etliche Einsätze, die schönen Bläsersoli fanden kaum je genug Raum zur Entfaltung, dazu drückte im Tutti das Blech alle anderen an die Wand. Dvořáks „Siebte“ ist ein dunkles, raues, zuweilen auch ungebärdiges Stück, aber sie ist nicht grob - und so sollte sie auch nicht klingen.