Köln – Die Sendung „Stern TV“, ausgestrahlt am Sonntagabend bei RTL, hat viele teils heftige Reaktionen in den sozialen Medien ausgelöst. Viele Zuschauer fanden, es würde Impfgegnern ein zu großes Podium geboten, um ihre irrationale Meinung zu vertreten.
Anders als normale „Stern TV“-Sendungen wurde das Format am Sonntag nicht von Steffen Hallaschka moderiert, sondern vom Duo Frauke Ludowig und Nikolaus Blome.
Zunächst geht es um den Sport-Krimi um Novak Djokovic. Zu Wort kommt ausführlich der ehemalige serbische Fußballtrainer Dragoslav Stepanovic. Der ergreift erwartungsgemäß Partei für seinen Landsmann und vermutet politisches Kalkül, wenn nicht gar eine Verschwörung hinter der Ausweisung des Tennisstars. Man müsste das Stadion schließlich allmählich umbenennen, wenn Djokovic erneut gewinne. Nikolaus Blome fragt nach, und auch die Studiogäste Joachim Llambi („Let's Dance“-Juror) und Schauspielerin Elena Uhlig äußern Unverständnis.
Schon für die Tatsache, dass Stepanovic mit kruden Theorien umfassend zu Wort kommt, gibt es bei Twitter Kritik. Der Haupteinwand gilt jedoch einer Wiederauflage des 90er-Jahre Formats „Der heiße Stuhl“. Auf diesem nimmt mit Marcus Fuchs ein prominenter Impfgegner Platz.
Impfgegner Marcus Fuchs präsentiert angebliche RKI-Zahlen
Es geht um die Grundfrage, ob Corona die deutsche Gesellschaft spaltet. Zu Gast sind zunächst eine Mutter und ihr Sohn, die über die Frage der Impfung immer wieder in Streit geraten. Werden in dieser Runde zunächst noch ruhig Argumente ausgetauscht, so ändert sich der Tonfall von „Stern TV“ mit der Ankündigung des wiederaufgewärmten Krawall-Formats des „heißen Stuhls“. Marcus Fuchs gilt als Kopf der „Querdenker“-Szene in Dresden, er wird mit markigen Zitaten wie angeblichen „Menschenrechtsverletzungen“ durch die Corona-Maßnahmen eingeführt.
Fuchs bekommt Gelegenheit, den teils gewalttätigen Protest als Beitrag zur Versöhnung der Bevölkerung darzustellen. Nikolaus Blome gibt den Gegenpart, aber nach Meinung vieler Zuschauer viel zu zaghaft. „Wer ungeimpft ist, hat ein geringeres Risiko, sich mit Omikron anzustecken“, behauptet Fuchs und beruft sich auf Zahlen des Robert Koch-Instituts. Daraufhin wird es laut im Studio. „Offensichtlich kennen Sie die Wochenberichte des RKI nicht“, wirft Fuchs Blome an den Kopf, der dieser Äußerung nicht direkt widerspricht. „Sehen Sie es mir nach, wenn ich einmal etwas schärfer werde“, sagt Blome nur dazu, wird aber nicht schärfer.
Joachim Llambi und Elena Uhlig schaffen es trotz guten Willens erwartungsgemäß noch weniger, Fuchs verbal zu stellen. Dessen politische Agenda und Agitation erfassen sie offenbar nicht. Fuchs kann ungehindert von angeblich gefälschten Pfizer-Studien und Mauscheleien bei der Erfassung der Intensivbettenbelegung sprechen.
So bleibt bei vielen Zuschauern ein mehr als unangenehmer Beigeschmack.
Blome wiederum widerspricht bei Twitter dem Eindruck, sein Studiogast habe ungefiltert seine Thesen verbreiten können.
Eine RTL-Sprecherin teilte am Montag auf dpa-Anfrage mit: „Es waren mehrere Faktenchecker in der Sendung im Einsatz, die das Gesagte geprüft und bei RTL.de sowie über unsere Social-Media-Kanäle eingeordnet haben.“
Derzeit arbeitet RTL am Ausbau der Informationsangebote und testet einiges. Dazu zählt auch der Sendeplatz am Sonntag für das Magazin „Stern TV“, Hauptsendeplatz ist Mittwoch. Seit Herbst gibt es immer wieder Spezialausgaben in der Primetime am Sonntag mit unterschiedlichen Konzepten.
Einigen Usern tut auch Steffen Hallaschka leid, der mit dieser Sondersendung „Stern TV“ ihrer Meinung nach sicher nicht in Verbindung gebracht werden möchte. Auch i&u TV, die sonst für „Stern TV“ verantwortlich zeichnen, grenzen sich von der Folge ab:
Fuchs trat bei der Bundestagswahl an
Marcus Fuchs war in Dresden als parteiloser Kandidat bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr angetreten. In seiner Wahlwerbung sprach er von „mafiösen Parteistrukturen“ der „abgehobenen Berufspolitiker“, von denen sich die Menschen zu Recht „verarscht“ fühlten. Im Nachgang der Wahl teilte er auf seiner Facebook-Seite immer wieder Beiträge von Boris Reitschuster und anderen, in denen von Wahlfälschungen die Rede ist.
RTL sah sich dann offenbar durch die Kritik genötigt, in einem Faktencheck die von Fuchs vertretene These zu widerlegen. In einem kurzen Text heißt es, das Faktenchecker-Team von RTL und Stern sei zu dem Schluss gekommen, dass sich der Impfgegner auf falsche, inzwischen vom RKI korrigierte Zahlen beziehe. Vor allem geboosterte Geimpfte hätten ein deutlich geringeres Risiko als Ungeimpfte, sich mit Omikron zu infizieren.