Der Kölner Sender steht in der Kritik – der Landesrechnungshof prüft den WDR-Filmhaus-Umbau, die Redakteursvertretung den Umgang mit Mitarbeitenden. Ausgerechnet zum Start der Session findet die Betriebsversammlung statt.
Schwere VorwürfeHeikle WDR-Betriebsversammlung ausgerechnet zum Sessionsstart
Es könnte eine der schwierigsten Betriebsversammlungen für Tom Buhrow werden: Der ARD-Vorsitzende und Intendant des WDR hat für diesen Freitagmorgen die gesamte WDR-Belegschaft eingeladen. Die Konfliktthemen sind zahlreich, die Tagesordnung ist lang. Die Gewerkschaft Verdi will darüber reden, wer die Kosten für seine Rede als „Privatmann“ zur Zukunft der öffentlich-rechtlichen Sender übernommen hat, der Personalrat will über die innere Rundfunkfreiheit diskutieren - und noch ein Thema dürfte aufkommen: Die Kosten für den Umbau des Filmhauses, in dem künftig der crossmediale Newsroom untergebracht sein wird. Kosten, die inmitten einer Debatte über Rundfunkbeiträge explodiert sind: Nach Informationen von Correctiv und "Kölner Stadt-Anzeiger" wird der Umbau nun vom Landesrechnungshof NRW geprüft.
Die hohen Kosten für das Filmhaus in Köln sind nur eines von vielen strittigen Themen in dem öffentlich-rechtlichen Sender. Viele davon sind ausgelöst von einsamen Entscheidungen einzelner Personen. Der WDR, so sagte es auch die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) bei Verdi, Monique Hofmann, hat ein Problem mit „Machtmissbrauch“.
Vor zwei Wochen reichte der langjährige Energie- und Klimaexperte des WDR, Jürgen Döschner, eine Klage beim Arbeitsgericht Köln ein. Der Vorwurf: „Geldentschädigung wegen Nichtbeschäftigung“, der Streitwert liegt bei 75.000 Euro. Denn trotz eines Jahresgehaltes von rund 100.000 Euro lasse ihn der WDR nicht mehr als fünf Stunden im Monat arbeiten. Der Grund seiner Klage: Die zahlreichen Angebote des ehemaligen Russlandkorrespondenten würden vom Newsroom ignoriert, ein bereits vereinbartes Gespräch mit Döschner im WDR5-Morgenecho sei sogar wieder abgesetzt worden. Döschner sollte dort zu der Gefahr ukrainischer Atomkraftwerke im Russlandkrieg sprechen. Inzwischen hat die von Döschner angerufene Redakteursvertretung ihr Urteil gefällt und an alle Redakteurinnen und Redakteure im Hause versandt: In einer Mail vom 4. November heißt es, der Eingriff der Führungsebene des Newsrooms in die Entscheidung der Redaktion des WDR5-Morgenechos am 25.02.2022 „habe die innere Rundfunkfreiheit im WDR beeinträchtigt“ und stelle „einen Verstoß gegen das WDR-Redakteursstatut dar“ – mithin ein Verstoß gegen die wichtigsten Grundsätze des Senders. Denn in seinem Statut steht, dass es „für eine demokratisch verfasste Gesellschaft von grundsätzlicher Bedeutung ist, die Rundfunkfreiheit zu wahren und gegen jedwede Eingriffe zu schützen.“
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WDR weist jegliche Kritik von sich
Trotz dieser offensichtlichen Mahnung geht die WDR-Spitze nun auf Konfrontation - und kritisiert nicht die Entscheidung, Döschners Beitrag abzusetzen, sondern die Redakteursvertretung. Deren Mail entspreche nicht dem im Redakteursstatut vereinbarten Verfahren. Dieses sei darauf ausgerichtet, den Konflikt auszugleichen und ihn „nicht in der Betriebsöffentlichkeit“ zu erörtern. Allerdings steht im Redakteursstatut nicht, wie oder wer über die Fälle der Redakteursvertretung kommuniziert. Richtig ist, dass die Vertretung möglichst Abhilfe für den Konflikt schaffen soll – wenn dies nicht gelingt, wird der Schlichtungsausschuss angerufen.
Dieser wurde allerdings schon einmal tätig - nur ohne dass die Intendanz darauf reagiert hätte. Schon der Schlichtungsausschuss - das höchste Gremium für interne Konflikte im WDR und je zur Hälfte besetzt durch die Intendanz und der Redakteursvertretung – bescheinigte dem Newsroom einen Programmkonflikt um einen Beitrag, der nach Auffassung des Schlichtungsausschusses „journalistisch einwandfrei” war. Wieder handelte es sich um ein abgesagtes, sogenanntes Kollegengespräch mit Jürgen Döschner, der exklusiv über ein Video vom damaligen NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) berichtete. Der WDR löschte diesen bereits fertigen Beitrag, in dem Laschet erstmals in einem heimlich aufgenommenen Video einräumte, einen Vorwand für die Räumung des Hambacher Forsts gesucht zu haben.
Landesrechnungshof prüft Filmhaus-Umbau für eine knappe Viertelmilliarde Euro
Unmut gibt es beim WDR auch noch über weitere Themen – zum Beispiel die Kostenexplosion beim Umbau des Filmhauses in Köln. In den 1970er Jahren erbaut, betrachtet der Sender das Gebäude als sein journalistisches Herzstück. Das Budget für die Modernisierung betrug zunächst 130 Millionen Euro, inzwischen rechnet der WDR mit 240 Millionen Euro. Die KEF, eine Kommission, die den Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ermittelt, hatte bereits im Juli 2021 Zahlungen für das Bauprojekt wegen schlechter Wirtschaftlichkeit gestoppt.
Nach Recherchen von Correctiv prüft jetzt auch der Landesrechnungshof von Nordrhein-Westfalen das Projekt. „Die in diesem Jahr begonnene Prüfung betrifft den Umbau des WDR-Filmhauses in der Innenstadt von Köln“, so eine Sprecherin des Landesrechungshofs. Weitere Details teilte sie nicht mit. Der WDR schiebt die Kostenexplosion auf Anfrage auf gestiegene Baukosten.
Diese sind in letzter Zeit tatsächlich rasant gestiegen, die Planung für die Modernisierung des Filmhauses läuft jedoch bereits seit etwa zehn Jahren. 2017 begannen die Umbauarbeiten.
Im WDR machen einige daher eher mangelnde Planung verantwortlich. So hätte ein Abriss mit anschließendem Neubau kostengünstiger sein können. Der WDR entgegnet, durch den Umbau habe man 60 Prozent der Baumaterialien weiterverwenden können.
Die Kostenexplosionen rund um den Neubau des Kölner Filmhauses fielen übrigens in die Zeit, als Katrin Vernau Verwaltungsdirektorin des WDR war. Das hinderte den rbb nicht daran, sie als Interims-Nachfolgerin von Patricia Schlesinger einzusetzen. Die rbb-Intendantin war unter anderem wegen der luxuriösen Ausstattung ihrer Dienstetage zurückgetreten.
Für viel Unruhe hat im Haus auch die Rede gesorgt, die Intendant Tom Buhrow vergangene Woche vor dem Hamburger Übersee-Club gehalten hat und die in Auszügen als Gastbeitrag in der „FAZ“ veröffentlicht wurde. Buhrow forderte darin einen neuen Gesellschaftsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und grundlegende Reformen. Er betonte bei seinem Auftritt, er äußere seine Ideen nicht als ARD-Vorsitzender, sondern als Privatmann. Eine Aussage, die bei vielen im WDR für Befremden sorgte. So schrieb das Team von Verdi im WDR am 8. November an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Mail zu den „Äußerungen eines Privatmanns“ und fragte darin, ob der WDR-Intendant so in der Öffentlichkeit auftreten könne. Die Antwort müsse Nein lauten. Buhrows Einlassung, nicht in offizieller Funktion aufzutreten, „ist nicht zu akzeptieren“, heißt es in der Mail. „Das schließt schon sein Amt als Intendant einer der größten Medienanstalten Europas aus.“ Hinzu komme, dass der Vortrag „wochenlang im WDR vorbereitet wurde“, wie dem Beitrag eines engen Buhrow-Mitarbeiters in einem sozialen Netzwerk zu entnehmen war. Man hätte erwartet, „frühzeitig an den zum Teil revolutionären Gedanken unseres Chefs beteiligt zu werden, dass er sich hinter uns stellt, anstatt weiter Unsicherheit zu schüren.“ Das Verdi-Team äußerte auch Verwunderung darüber, dass Buhrow seine Möglichkeiten als Intendant und ARD-Vorsitzender „bisher offenbar nicht genutzt hat“, um sich Gedanken über die Änderungen von Inhalten und Strukturen zu machen.
WDR: Buhrow hielt Rede in Hamburg als Intendant
Aus Sicht des WDR sprach Buhrow in Hamburg zwar nicht in seiner Funktion als ARD-Vorsitzender, aber durchaus als WDR-Intendant. Auf die Frage, mit wie vielen Mitarbeitern Buhrow nach Hamburg gereist war und wer diese Reise bezahlte, teilte die Pressestelle mit: „Tom Buhrow hat in Hamburg eine wichtige medienpolitische Debatte angestoßen. Er hat dort nicht in seiner Funktion als ARD-Vorsitzender gesprochen, war aber wie bei solchen Anlässen üblich qua Amt als WDR-Intendant unterwegs.“ Es gehöre zu seinen Aufgaben, solche Reden zu halten und Position zu beziehen. Neben Buhrow seien zwei Mitarbeiter in Hamburg gewesen. Wie das mit Buhrows Aussage zu vereinen ist, er spreche als Privatmann, erklärte die Pressestelle nicht. Sie teilte aber noch mit, ein Honorar habe Buhrow für den Vortrag vor dem Übersee-Club nicht erhalten.
Bei den Warnstreiks im Tarifstreit, die am Mittwoch auch Auswirkungen auf das Programm hatten, griffen Mitarbeiter Buhrows Rede auf und machten auf einem Plakat selbst einen Vorschlag: „Wir müssen sparen. Sparen wir den Intendanten.“
Viele Themen für eine Veranstaltung. Allerdings wurde der Termin für eine breite Teilnahme sehr ungünstig gewählt: Am 11.11. sind traditionell Tausende Jecken auf den Straßen Kölns und besonders in der Innenstadt unterwegs. Von der WDR-Pressestelle heißt es dazu lediglich: „Der Termin war organisatorisch nicht anders möglich.“
Dieser Artikel entstand in Kooperation von Correctiv und „Kölner Stadt-Anzeiger“.