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Sommerfestival in der PhilharmonieWas die Kölner Zuschauer bei „Carmina Burana“ erwartet

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Szene aus „Carmina Burana“ von La Fura Dels Baus. Männer zerren an den ausgestreckten Armen einer Frau.

Szene aus der „Carmina Burana“-Inszenierung von La Fura Dels Baus

Der Regisseur Carlus Padrissa hat es mit seiner Theatertruppe La Fura dels Baus von der Straße bis in die besten Opernhäuser der Welt geschafft. In Köln zeigt er jetzt „Carmina Burana“.

Als Carlus Padrissa vor bald 45 Jahren mit drei Kindheitsfreunden im katalanischen Dörfchen Moià die Theatergruppe La Fura dels Baus gründete, trieb sie die pure Abenteuerlust an. Sie waren 18, sie wollten das Leben leben und ging das nicht auch ein wenig intensiver? Oder sehr viel mehr? Ihre Bühne war die Straße, die Hauptattraktion die eigenen Körper – und die ihres Publikums.

Das musste bei den frühen Inszenierungen von La Fura dels Baus noch eine Erklärung unterschreiben, nach der es die Haftung für etwaige Verunreinigungen und Verletzungen selbst übernimmt. Von den Performances der Katalanen fühlten sich ebenso abenteuerlustige Zuschauerinnen und Zuschauer magisch angezogen, mussten manchmal aber auch eilig die Flucht ergreifen, verfolgt von augenscheinlich Irren mit Kettensägen und Blutbeuteln.

Die wilden Anfänge von La Fura dels Baus mit Kettensägen und Blutbeuteln

Die wilden Anfänge von La Fura sind nun schon einige Jahrzehnte her, inzwischen gelten Carlus Padrissa und seine Truppe unter anderem als Garanten für spannende Opernabende: „Als wir unsere erste Aufführung in einem Opernhaus machten, fingen die Leute an zu schreien: La Fura in einem Opernhaus, das ist nicht möglich“, erinnert sich Carlus Padrissa: „Es wird nicht funktionieren, aber am Ende hat es funktioniert.“ Tatsächlich gelang der Hochsprung zur Hochkultur beinahe mühelos, den Mainstream hatten sie bereits mit ihrer Gestaltung der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Barcelona 1992 für sich eingenommen.

Dabei, sagt Padrissa, sei das Alter der Gründungsmitglieder eigentliche das Einzige, was sich geändert habe. „Wir sind jetzt Mitte 60, vielleicht haben wir etwas weniger Energie, aber dafür mehr Erfahrung. Früher waren wir die Schauspieler, jetzt sind wir die Regisseure. Aber wir kämpfen jeden Tag unermüdlich weiter, um unglaubliche Shows zu machen, um uns weiterzuentwickeln, um bloß nicht steckenzubleiben.“

In Köln wird im Rahmen des Sommerfestivals ihre bildgewaltige Adaption von Carl Orffs „Carmina Burana“ zu sehen sein, mit 39-köpfigem Ensemble, mit viel digitalem Wunderwerk und feuerspuckendem Tamtam umgesetzt, aber auch mit der lebenswütigen Körperlichkeit für die La Fura dels Baus berühmt und berüchtigt sind.

Die Grundlagen ihrer Ästhetik seien noch dieselben wie im Jahr 1979, sagt Padrissa: „Unser Theater ist immersiv, das Publikum teilt sich den Raum mit den Schauspielern, ist mittendrin im Geschehen. Und wir arbeiten multidisziplinär: Musik, Poesie, Tanz und menschliche Stimmen kommen ebenso zum Einsatz wie Tanz, Video, Gerüche und Licht.“ Das totale, alle anderen Künste sich einverleibende Spektakel.

Carlus Padrissa sucht nach dem totalem Theater

Zum Gespräch hat Padrissa eigens eine Assistentin mitgebracht, damit er seine Gedanken freier auf Spanisch formulieren kann, sie übersetzt dann ins Englische. Oft ist er aber viel zu engagiert bei der Sache, um ihre Beiträge abzuwarten, lacht, singt, und wiederholt immer wieder, auf Deutsch, sein Wagner’sches Mantra „Gesamtkunstwerk, Gesamtkunstwerk, Gesamtkunstwerk“.

Richard Wagners „Tannhäuser“ war die erste Oper, die er gesehen hat, vor einigen Jahren hat Padrissa in Köln einen beeindruckenden „Parsifal“ inszeniert. Vor allem aber waren La Fura dels Baus für einige der wichtigsten Opernproduktionen der letzten Jahre in Köln verantwortlich, die Neuinszenierung von Bernd Alois Zimmermanns epochalem Werk „Die Soldaten“ und die zweiteilige Uraufführung von Karlheinz Stockhausens „Sonntag aus Licht“.

Er glaube, sagt Padrissa, dass Carl Orff die Musik der Kölner Nachkriegskomponisten beeinflusst habe, „was bei Orff die Perkussion, ist dann bei Stockhausen der Synthesizer“. Seine „Carmina Burana“-Inszenierung, verstehe er nun allerdings vor allem als einladenden Einstieg in die Welt des Musiktheaters, er möchte auch gerade das junge Publikum an die hochdramatische Welt der Oper heranführen.

Denn die habe noch viel Kraft in sich. Als Nächstes werde er sich einen Lebenswunsch erfüllen und Bizets’ „Carmen“ inszenieren, von einem jungen Komponisten bearbeitet und feministisch umgedeutet, und an Bord eines Schiffes als schwimmende Oper präsentiert.

Carlus Padrissa, 1959 in der Provinz Barcelona geboren, gründete 1979 die Gruppe La Fura dels Baus und gilt als einer der wichtigsten Opernregisseure unserer Zeit.

„Carmina Burana“ ist vom 18. bis 23. Juli beim Sommerfestival in der Kölner Philharmonie zu sehen. Tickets sind erhältlich unter 0221 280 280 oder unter koelnersommerfestival.de