- Bruce Hornsby hatte mit „The Way It Is“ einen Megahit in den 1980ern.
- Seitdem hat er mit vielen großen Namen zusammengearbeitet, von Bob Dylan bis Sting.
- Im Kölner Theater im Tanzbrunnen gab der Pianist ein seltenes Solokonzert.
Köln – „Gretful Ded? Gretful Ded!“ Bruce Hornsby beugt sich lachend auf seinem Klavierschemel. Gerade hatte sich eine Stimme aus den Zuschauerreihen im Theater am Tanzbrunnen einen Song von den Grateful Dead gewünscht. Passt schon: Hornsby hat einige Jahre lang fest und dann immer mal wieder bei der bahnbrechenden Jam-Gruppe mitgespielt, mit deren Gründer Jerry Garcia verband ihn eine fruchtbare musikalische Freundschaft.
Nein, worüber Hornsby nicht hinwegkommt, ist die Verbindung von teutonischer Aussprache und kalifornischer Hippie-Band. „Gretful Ded, ihr habt wirklich den tollsten Akzent.“ Aber er meint es ja nicht böse, im Gegenteil. Bruce Hornsby ist ein tiefenentspannter Südstaaten-Gentleman, geboren und aufgewachsen in Williamsburg, Virgina. Einer der gerne vor und mit dem Publikum spielt, Fragen und Vorschläge aufgreift, den Abend seiner Eigendynamik überlässt.
Ein wenig Musikunterricht
Und nein, ein Grateful-Dead-Cover möchte er jetzt nicht spielen, aber, ha, da kommt ihm eine andere Idee. Eine einfache, beinahe süßliche Melodie entlockt er den Tasten, die folgende Improvisation ist virtuos, aber doch auch irgendwie bekannt? „Wer weiß, was das war?“, fragt Hornsby anschließend. Musikstunde. Ein paar Hände gehen hoch. Na klar, das war die Zugabe von Keith Jarretts „The Köln Concert“.
Dass sie Hornsby mal so eben aus den Fingern fließt, verwundert nicht, wenn man weiß, dass er seine Zwillingssöhne Keith und Russell nach Keith Jarrett und Leon Russell benannt hat. Keith Hornsby spielt derzeit mit einem polnischen Basketball-Verein in der Champions League, Russell erklimmt Achttausender in Nepal, erzählt der stolze Vater. Der bei aller Nahbarkeit allerdings genau das Gegenteil von dem macht, was andere Altstars ihren ergrauten Fans bieten.
Das könnte Sie auch interessieren:
Statt auf den größtmöglichen Konsens zu setzen, hat sich der 64-Jährige ein paar lose Blätter mit sehr speziellen Wünschen auf dem Steinway-Flügel zurechtgelegt. Und verheizt seinen unvermeidlichsten Hit gleich in der ersten Viertelstunde. Man hat sich an „The Way It Is“ eigentlich gründlich satt gehört. Aber Hornsby rückt seinen frühen Erfolg einerseits in dessen ursprünglichen Kontext zurück, erzählt vom Rassismus seines Heimatortes, den man förmlich in der Luft hätte greifen können – treibt das Stück andererseits weit voran, abstrahiert, legt Bedeutungen frei, fügt als Solo eine Bach’sche Goldberg-Variation ein, es ist phänomenal.
Phänomenal improvisiert
Und das gilt für das gesamte Konzert, von der ruppig-rüpeligen Schmähwort-Sammlung „Sticks and Stones“ (die freilich nur zeigen soll, wie verletzend „body shaming“ ist, eine klassischer Randy-Newman-Strategie) bis zum elegischen Don-Henley-Duett „End of Innocence“, das Hornsby zu einem ozeanisch schönen Solo ausufern lässt. Kennt man Hornsby nur aus dem Radio, wird man ihn wohl unweigerlich für einen Middle-of-the-Road-Langweiler halten.
Dieser Soloabend könnte jedoch kaum auf- und anregender sein; denn in der Mitte hält sich der Pianist nur insofern auf, als er Ungleichartiges verbindet. Allein in den knapp zwei Stunden des Konzerts spinnt er Fäden vom Free-Jazz-Bassisten Charlie Haden zum Bluegrass-Sänger Ricky Skaggs, von Chaka Khan, mit der er ein Duett für Spike-Lee-Film „Clockers“ eingespielt hat, zu Justin Vernon, dem er einen Song geschenkt hat, den er ursprünglich für einen anderen Spike-Lee-Film geschrieben hat.
Vernons zweites Bon-Iver-Album aus dem Jahr 2012 ist ein langer Liebesbrief an Hornsby. Seitdem hat der Indie-Folk-Gott immer wieder mit seinem Vorbild zusammengearbeitet. Zum Beispiel auf „Cast-Off“, dem einzigen Titel, den Hornsby von seinem aktuellen Album „Absolute Zero“ spielt, obwohl wir dessen enthusiastischen Kritiken doch sein erstes Deutschland-Konzerte seit 2004 zu verdanken haben. Wann er denn mit seiner Band auf Europa-Tournee gehen werden, fragt ein Fan. Worauf Bruce Hornsby mit entwaffnender Ehrlichkeit antwortet, dass dies für ihn, der in Amerika viel bekannter ist als auf dem alten Kontinent, ein finanzielles Verlustgeschäft bedeuten würde.
Verschwendete Jugend
Es sei schon seltsam, sinniert der Mann am Klavier, vor mehr als 30 Jahren sei er bei „Rock am Ring“ aufgetreten, dabei habe er heute als Musiker viel mehr zu bieten: „Aber was soll’s: Die Jugend ist an die Jugend verschwendet.“ Vielleicht helfen aber auch die paar Jahrzehnte Hörerfahrung mehr, um solch ein verschwenderisch reichhaltiges Konzert zu goutieren.