Acht klassische Musikerinnen und Musiker des Merlin Ensembles Wien und der Astrophysiker Harald Lesch präsentieren in der Kölner Philharmonie ein ungewöhnliches Konzert.
Vivaldi trifft KlimawandelKann Harald Lesch Konzertbesucher zu Umweltaktivisten machen?
Vivaldi trifft Klimawandel. Ein Gesprächskonzert der besonderen, wenngleich sehr zeitgemäßen Art fand soeben in der Kölner Philharmonie statt. Im Vordergrund stand dabei bezeichnenderweise nicht die Musik – in Gestalt des Wiener Merlin Ensembles, das mit Martin Walch als Solist und Konzertmeister Vivaldis legendäre „Vier Jahreszeiten“ aufführte –, sondern der Münchner Astrophysiker Harald Lesch.
Der hat sich durch seine mediale Präsenz einen guten, großen Namen gemacht nicht nur als jemand, der komplexe naturwissenschaftliche Sachverhalte publikumsfreundlich erklären kann, sondern auch als leidenschaftlicher Warner vor dem Klimawandel und seinen absehbaren, genauer: das Leben auf diesem Planeten bedrohenden Folgen.
Klatschte da die Menschheit etwa ihrem eigenen Untergang zu?
Beliebte und bekannte Töne, dazu – entweder als melodramatische Voice over oder mit in die Satzfolge interpolierten Kurzvorträgen – die Statements von einem, der es wissen muss: Diese Kombination hatte für ein nahezu volles Haus gesorgt, und der Beifall am Ende war geradezu enthusiastisch. Klatschte da die Menschheit etwa ihrem eigenen Untergang zu? Zweifellos galt der Applaus der Performance und nicht deren desaströser „Botschaft“, aber ein bisschen paradox ist die Sache trotzdem – auch im Horizont der naheliegenden Frage, wie viele Besucher dieses Abends denn tatsächlich im Licht der von Lesch übermittelten Erkenntnisse im Sommer auf ihre Fernreise verzichten werden.
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Tatsächlich passte da bei genauerem Hinsehen manches nicht zusammen: Lesch verfügt über begnadete Fähigkeiten als Comedian, ganz auf der Linie des von ihm verehrten Hanns Dieter Hüsch. Aber zwerchfellaktivierende Gags und Bonmots passen irgendwie nicht zu diesem brutal-ernsten Thema, bei dem der Hörer das Lachen eigentlich gründlich verlernen müsste.
Und die Kombi Klimakatastrophe und Vivaldi-Jahreszeiten funktioniert allenfalls atmosphärisch, aber keineswegs in der Sache. Klar, Lesch führte es drastisch aus: Unsere Winter sind mittlerweile viel zu warm, die Sommer erst recht; die planetarische Eisschmelze verstärkt den Treibhauseffekt, weil die Sonnenstrahlen nicht mehr so reflektiert werden, wie es nötig wäre. Einen nämlichen Effekt zeitigt das Methan, das durch das Auftauen der Permafrost-Böden freigesetzt wird.
Lesch wird sich selbst ein gutes Stück weit wie ein Sisyphos vorkommen
Sicher ermöglicht all das eine lockere Anbindung an den Jahreszeiten-Aspekt. Und auch bei Vivaldi gibt es bereits „unliebsame“ Naturphänomene, die das Wiener Ensemble mit drastisch-veristischer Klanglichkeit vorführte: das sommerliche Gewitter und den klirrenden Frost im Winter. Aber Vivaldi musikalisiert keine Rutschbahn in die Katastrophe, sondern die Zirkularität von Abläufen, die sich – im Horizont seiner Wahrnehmung als der eines Angehörigen des 18. Jahrhunderts – nie ändern werden.
Pech gehabt, wird man sagen müssen, sie ändern sich eben in diesen Jahren und Tagen doch, und zwar schneller, als selbst Pessimisten es vor einiger Zeit noch für möglich gehalten hätten. Lesch kann, das weiß er nur zu gut, an all dem nichts ändern. Ob er – was wünschenswert wäre – seine Zuhörer zu Umweltaktivisten machen kann, darf, wie gesagt, bezweifelt werden. Er wird sich selbst ein gutes Stück weit wie ein Sisyphos vorkommen. Der aber soll Camus zufolge ein glücklicher Mensch gewesen sein.