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„Wetten, dass..?“Klimaaktivist aus Lützerath wird zum Wettkönig

Lesezeit 3 Minuten
Wettkandidat Marten Reiß (l) tritt bei der ZDF-Show "Wetten, dass..?" mit Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker bei der Wette um das Erkennen von Fingerabdrücken auf, rechts die Fußballerinnen Alexandra Popp (r.) und Giulia Gwinn.

Michelle Hunziker schaut Wettkandidat Marten Reiß (l.) über die Schulter. Thomas Gottschalk schaut nur zu.

Mit seiner Fingerabdruck-Wette gewinnt der Braunschweiger Marten Reiß, der seit zwei Jahren im Braunkohle-Dorf Lützerath lebt, 50.000 Euro bei der ZDF-Show "Wetten, dass..?".

Eines muss man Marten Reiß (41) lassen. Der Klimaaktivist und 3-D-Designer aus Lützerath hat es geschafft, mit einer cleveren Idee die Aufmerksamkeit von mehr als zehn Millionen Menschen zur Primetime am Samstagabend im ZDF auf das Schicksal des von Räumung und Abriss bedrohten Dorfs im Braunkohle-Tagebau Garzweiler II zu ziehen.

Der Coup, den Fernseh-Dinosaurier „Wetten, dass..? zu nutzen, um auf das Werk der Braunkohlebagger aufmerksam zu machen, die aus Sicht der Klimabewegung als Dinosaurier des fossilen Zeitalters längst ausgestorben sein müssten, ist ihm geglückt. Mit einer Wette, die so unglaublich klingt, dass schon bei der Bewerbung klar ist: an der kommt Thomas Gottschalk nicht vorbei.

Wetten, dass..?: Unter 1000 Fingerabdrücken einen einzigen in 60 Sekunden identifizieren

Innerhalb von jeweils einer Minute gelingt es Reiß, unter mehr als 1000 Fingerabdrücken einen einzigen zu identifizieren, der im Nachhinein ausgetauscht wird. Und das dreimal nacheinander. Seine Erklärung für dieses Phänomen haben weder Gottschalk noch seine Co-Moderatorin Michelle Hunziker so richtig verstanden.

Wettkandidat Marten Reiß schließt die Augen und tritt bei der ZDF-Show "Wetten, dass..?" mit Thomas Gottschalk bei der Wette um das Erkennen von Fingerabdrücken auf.

Klimaaktivist Marten Reiß bei seiner Wette.

Um das in jeweils 60 Sekunden zu schaffen, bedürfe es eines sogenannten Kreuzblicks. „Das ist eine Methode, mit der man 3-D-Bilder durch Schielen sehen kann. Mit dieser Methode kann man solche Suchbilder finden. Dann schimmert der gesamte Fingerabdruck leicht und sticht dadurch hervor“, sagt Reiß.

Klimaaktivist Marten Reiß aus Lützerath bei Köln wird Wettkönig

Man müsse lange trainieren, sich am besten schon als Kind für 3-D-Grafiken begeistern. Und sehr geschickt, mit seiner bescheidenen Art, streut er noch ein, dass er die Geschichte des Dorfes Lützerath in 3-D-Scans festhalte, um es für die Nachwelt zu erhalten, sollte es tatsächlich abgerissen werden.

Der RWE-Konzern hatte kürzlich angekündigt, dies müsse noch in diesem Winter bis zum Ende der Rodungsperiode geschehen.

Thomas Gottschalk jubelt bei „Wetten, dass..?“: „Lützerath ist gerettet“

Ein derart ein sympathischer Kandidat kann gar nicht verlieren. Schon gar nicht gegen die übliche Baggerwette, weil die so gar nicht zu Lützerath passt, oder einen immerhin umweltfreundlichen Fahrradakrobaten. Nach 200 Minuten Sendezeit steht Marten Reiß im Goldfitzel-Regen und als Wettkönig fest.

„Lützerath ist gerettet!“ Zumindest für einen begeisterten Thomas Gottschalk und jene 52 Prozent aller Telefonanrufer, die für Marten Reiß gevotet haben.

Was er mit dem Preisgeld anfangen werde, hat Michelle Hunziker ihren „Lieblingskandidaten“ geschickter Weise schon nach dessen eingelöster Wette gefragt. Dessen Antwort - „Ich werde es für den Erhalt von Lützerath einsetzen“ – wird von seinem „Fanclub“, so Gottschalk, in der Halle von Friedrichshafen mit lautstarken „Lützi bleibt“-Rufen gefeiert.

Initiative kritisiert den Sexismus in der ZDF-Show „Wetten, dass..?“

Am Tag danach klingt das alles schon deutlich distanzierter. „Ich freue mich, in der Show dabei gewesen zu sein und besonders über das Preisgeld, das ich mit nach Lützerath bringen kann“, sagt Reiß. „Eigentlich müsste im Fernsehen jedoch gerade zur besten Sendezeit ein anderes Thema viel mehr Aufmerksamkeit bekommen: Die Klimakrise und ihre gravierenden Folgen, die schon heute Regionen unbewohnbar macht. Und Lösungsansätze, wie ein solidarisches Zusammenleben jenseits des Kapitalismus aussehen kann – wie wir es in Lützerath ausprobieren.“

Lediglich Eckhart Heukamp, der letzte Landwirt aus Lützerath, der den Wettkönig ins Studio begleitet hatte, scheint immer noch begeistert. „Es war toll, Lützerath auf so großer Bühne vertreten zu sehen. Politik und RWE wollen mein Zuhause zerstören, Marten hat ganz klar gezeigt: Lützerath lebt!“

Auch die „Initiative Lützerath lebt“ sieht den „Wetten, dass..?“-Coup im Nachhinein deutlich kritischer. „Während wir im Studio saßen, wurden in Ägypten auf der Weltklimakonferenz wieder leere Worte ausgetauscht, statt endlich Verantwortung für die Klimakrise zu übernehmen und Konzerne wie RWE für ihre Klimaverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen“, schreibt Mara Sauer in einer Stellungnahme. „Es gibt zur Primetime viel zu wenig Berichterstattung über solche wichtigen Themen und viel zu viele sexistische Sprüche von Moderator*innen wie Gottschalk und Hunziker.“