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Leserbriefe zu KlimaaktivistenKartoffelbrei-Attacke auf ein Gemälde - Alles halb so schlimm?

Lesezeit 4 Minuten
Klimaaktivisten der Klimaschutz-Protestgruppe «Letzte Generation», nachdem sie das Gemälde «Getreideschober» (1890) von Claude Monet im Potsdamer Museum Barberini mit Kartoffelbrei beworfen haben.

Klimaschutzaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ vor einem Gemälde von Claude Monet im Potsdamer Museum Barberini, das sie mit Kartoffelbrei beworfen haben.

Wie politisch ist Kartoffelbrei? Warum Angriffe auf Kunstwerke bei vielen nicht gut ankommen und uns trotzdem aufrütteln können. Ihre Leserbriefe zum Artikel von Autorin Kerstin Meier.

Aggressiver Protest der Klimaaktivisten schreckt ab

Ich finde es unverantwortlich, dass die Autorin es wagt, die Extremproteste zu loben, anstatt deutlich zu erklären, dass wir – zumindest noch – eine Demokratie sind, in der Mehrheitsbeschlüsse verbindlich sind. Andersdenkenden gebührt die gleiche Anerkennung wie dem eigenen Fanatismus. Diese Protestaggressionen wecken nicht Einverständnis, sondern das genaue Gegenteil: Verachtung für diejenigen, denen es um Gewalt, nicht aber um Werben um Mehrheiten geht. Dr. Wolfgang Miege Bergisch Gladbach

Alles zum Thema Letzte Generation

Kartoffelbrei-Attacke: Harmlos und publikumswirksam

Liebe Kerstin Meier, tatsächlich habe ich Ihren Text bis zum Ende gelesen, und das mit großer Freude. Er gehört sicherlich zu den wenigen Beiträgen, der dem „Empörtsein“ der Öffentlichkeit über die „Angriffe“ auf Kunstwerke durch Klimaaktivisten auf den Grund geht und die völlig überhöhte Aufgeregtheit vom Sockel stößt.

Die Ignoranz der Politik angesichts der auf uns zurollenden Klimakatastrophe macht neue Formen des zivilen Ungehorsams wie die der Protestgruppe „Letzte Generation“ bitter nötig, damit die Dringlichkeit des Anliegens Klimawandels in die Köpfe der politischen Akteure dringt. Der Philosoph Jürgen Habermas spricht sogar von einem „Element einer reifen politischen Kultur“. Wobei man zugegebenermaßen sehr wohl über die Sinnhaftigkeit solcher Aktionen streiten kann.

Neue Formen des zivilen Ungehorsams sind bitter nötig, damit die Dringlichkeit des Anliegens Klimawandels in die Köpfe der politischen Akteure dringt

Im übrigen aber gilt in diesem sehr harmlosen, aber publikumswirksamen Fall: Niemand wurde verletzt und kein Bild beschädigt, geschweige denn zerstört. Monet und van Gogh sind keine Kohlebagger – das haben die Aktivisten und Aktivistinnen klar zum Ausdruck gebracht. Ihr Verdienst ist es, ein Stück dazu beigetragen zu haben, dass wir endlich einmal hinhören und nicht einfach so weitermachen.Peter Lessmann-KieseyerKöln

Aufmerksamkeit für die Protestierenden

Ich frage mich, wie die Protestler den Kartoffelbrei in die Museumsräume schmuggeln konnten? In vielen Museen, die ich besucht habe, darf man Handtasche, Beutel, Bekleidung, Lebensmittel und meist auch Kameras nicht in die Ausstellungsräume mit hinein nehmen. Auf jeden Fall sind die protestierenden Jungs und Mädels mal groß im Fernsehen gewesen und auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat über sie berichtet.Helga EickmannKöln

Wirkungslos verpuffender Protest, der Kunstwerke beschädigt

Wie sieht die nächste Eskalationsstufe aus? Oder glaubt die Redakteurin ernsthaft, dass sich durch Aktionen wie diese in den nächsten Monaten die Bundespolitik radikal ändert, geschweige denn die Klimapolitik in der Welt? Was kommt dann, wenn man die Vergeblichkeit der Appelle einsehen muss? Weitere Radikalisierung, Resignation, Kriminalisierung, eine Entwicklung wie in den siebziger Jahren bei der Linken, die dann im Terror endete und nichts, aber auch gar nichts an den mit Recht beklagten Zuständen geändert hat?

Dass die Jugend aufbegehrt und die bestehenden Verhältnisse hinterfragt, ist ihr Recht und vermutlich auch biologisches Programm. Aber moralische Empörung – hier verbunden mit der Attitüde des Besserwissens und -könnens – ersetzt kein realpolitisches Handeln, sonst ist nur so etwas wie geistige Selbstbespiegelung. Dafür ist mir der Preis denn doch zu hoch. Und ich muss mich da auch nicht anbiedern.

Werden die Herrscher der Welt betroffen ihre Politik ändern, weil wir in Deutschland Kunst zur Disposition stellen?

In diesem Sommer war wieder zu beobachten, wie Massen von Menschen in den „verdienten“ Urlaub geflogen sind, gerne auch in die Türkei, nach Thailand, in die Emirate. Die Liste lässt sich beliebig erweitern – und ein großer, sehr großer Teil der Reisenden war zwischen fünfzehn und fünfunddreißig Jahren alt.

Wie alt sind die Menschen, die links auf der Autobahn weiterhin an mir vorbeirauschen, die im T-Shirt im durchgeheizten Wohnzimmer sitzen, die sich in ihrer Freizeitgestaltung nicht das mindeste um Energieverbrauch, Lieferketten, prekäre Dienstverhältnisse und so weiter kümmern? Sind das alle saturierte Sechziger, die mit dem SUV in die Oper fahren?

Ist die Klimafrage ein Generationenkonflikt? Oder nicht vielmehr ein Konflikt um mehr? Um Welthandel, Arm und Reich, Krieg und Frieden? Werden die Herrscher der Welt betroffen ihre Politik ändern, weil wir in Deutschland Kunst zur Disposition stellen? Sind ernsthafte Beschäftigung mit politischen und gesellschaftlichen Themen, mit Tod und Vernichtung sowie Achtung von kulturellem Erbe und kulturellem Schaffen ein Gegensatz?

Brauchen wir keine Malerei, keine Literatur, keine Musik, wenn Menschen sterben? Die Antworten, die wir aus der Ukraine hören, sind andere. Die Kultur bietet gerade den Spiegel, in den zu blicken wir aufgefordert werden. Ich bin gespannt, welche Antworten die junge Generation findet. Gespannt, aber nur mäßig hoffnungsvoll.Joachim BergZülpich

Auf den Punkt gebracht

Vielen Dank für diesen großartigen Artikel, Frau Meier! Besser hätte man es nicht auf den Punkt bringen können!Ulrike BraunerKöln