Leserbriefe zur AsylpolitikLösung nicht auf die lange Bank schieben

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Bundeskanzler Scholz (SPD) und Boris Rhein (CDU), Ministerpräsident von Hessen, sitzen während einer PK zur Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Juni nebeneinander. Während Rhein spricht und mit den Händen gestikuliert, sitzt Scholz mit gefalteten Händen und schaut Rhein an. Den Bildhintergrund liefert ein großflächiges Gemälde in den Farben gelb, weiß, grau und schwarz.

Migration war Thema der Ministerpräsidentenkonferenz vom 20. Juni. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Hessens MP Boris Rhein (CDU) erläutern deren Ergebnisse.

Um die Zuwanderung zu regeln, prüft die Regierung die Verlagerung von Asylverfahren in Drittstaaten. Leser schlagen andere Maßnahmen vor.

Irrweg in der Flüchtlingspolitik – Die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten ist kein geeigneter Beitrag zur Senkung der Migrationszahlen – Kolumne von Michael Bertrams (1.7.)

Migration: Steuerung durch „drastische“ Maßnahmen

Der Kolumne von Michael Bertrams zu der Überlegung des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten, zur Senkung der hohen Migrationszahlen Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU auszulagern, ist uneingeschränkt zuzustimmen. Selbst wenn die damit verbundenen Rechtsprobleme überwunden werden könnten, bliebe die Frage ungelöst, was mit den etwa 90 Prozent Migranten geschehen soll, deren Asylbegehren erfahrungsgemäß abgelehnt würde.

Die in Betracht kommenden Drittstaaten wären doch weder in der Lage, diese Menschen auf Dauer im Lande zu behalten, noch, sie in ihre Heimatländer zurückzuführen. Zu Recht bezeichnet Herr Bertrams deshalb eine derartige Auslagerung von Asylverfahren als einen Irrweg, der nicht beschritten werden sollte. Will man wirklich die Immigration nachhaltig verringern, bleiben – so sehr das dem Selbstverständnis von vielen Deutschen als Helfer der Mühseligen und Beladenen dieser Welt widerspricht – nur drastische Maßnahmen:

Alles zum Thema Olaf Scholz

Vollständige Schließung der EU-Außengrenzen für Flüchtlinge ohne Rücksicht auf ihren Fluchtgrund oder, falls das misslingt, Aussetzung von „Schengen“ und Einreisekontrollen an allen deutschen Grenzen, strafbewehrtes Verbot einer Beteiligung von Deutschen, gleich unter welcher Flagge ihr Schiff fährt, an Seenotrettungsmaßnahmen für Migrantenboote im Mittelmeer, Behandlung von Asylanträgen nur noch bei deutschen Botschaften und Konsulaten im Ausland. Dr. Hans-Christian Kersten Odenthal

Migration: Regelung durch vorübergehenden Aufnahmestopp?

Michael Bertrams, der ehemalige Präsident des NRW-Verfassungsgerichtshofs, hat in seinem Gastbeitrag „Irrweg der Flüchtlingspolitik“ überzeugend dargelegt, dass die Auslagerung von Asylverfahren kein geeigneter Beitrag zur Senkung der Migrationszahlen ist. Mit der Prüfung dieser Idee wird die Lösung des Problems nur auf die lange Bank geschoben; die Bundesregierung hat ein Ergebnis erst für Ende des Jahres in Aussicht gestellt.

Es besteht jedoch akuter Handlungsbedarf. Das Boot ist voll und wird von Tag zu Tag voller. Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sind von Januar bis Mai dieses Jahres 103.467 weitere Erstanträge auf Asyl gestellt worden – das sind fast 700 pro Tag. Die von Kanzler Scholz vollmundig angekündigte Abschiebung „im großen Stil“ ist bekanntlich gescheitert. Es gibt deshalb nur eine einzige schnelle und wirksame Lösung: vorübergehender Aufnahmestopp für Asylbewerber.

Zu diesem Zweck müssen die anlässlich der Fußball-EM eingeführten Grenzkontrollen fortgesetzt und auch Asylbewerber zurückgewiesen werden, statt sie – wie bisher – durchzuwinken. Die Zurückweisung ist auch rechtlich zulässig, weil Deutschland von sicheren Drittstaaten umgeben ist. Ein deutscher Aufnahmestopp ist auch nicht unsolidarisch gegenüber den anderen EU-Staaten. Im Gegenteil: diese haben Deutschland bei der Aufnahme von Asylbewerbern weitgehend im Stich gelassen.

Schließlich ist die Zurückweisung auch nicht unverhältnismäßig. Laut Bundesamt betrug die Gesamtschutzquote einschließlich der Duldung, der vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung, bei den Entscheidungen im Zeitraum von Januar bis Mai dieses Jahres 46,8 Prozent; somit lag die Anerkennungsquote bei nur 40 Prozent. Heinz-Jürgen Wurm Siegburg

Migration: Änderung des Asylrechts?

Bravo, Herr Bertrams. Den Irrweg der Drittstaatenlösung haben Sie akribisch beschrieben. Aber jetzt hätte ich gerne einen konstruktiven Beitrag: Wie steht es mit der Möglichkeit einer Änderung des Asylrechts? Als Topjurist sind Sie dazu als Experte berufen – ob nun positiv oder negativ. Nur Kassandra spielen ist leider auch nur Gejammer. Hermann Scheufgen Köln

Migration: Abschiebungen werden Einwanderung nicht reduzieren

Wenn die Aufnahmekapazität Deutschlands für Migranten erschöpft ist, und sie ist es ganz offensichtlich, und zwar in Bezug auf Wohnraum, Integration, Sprachbarriere, Schule, Kita und nicht zuletzt finanziell, dann helfen vermehrte Abschiebungen nicht wirklich. Natürlich ist es wichtig, dass Straftäter und Gefährder außer Landes gebracht und nicht hier geduldet werden. Aber zur Ehrlichkeit gehört, dass der unerwünschten Migration ein Stoppschild gesetzt werden muss.

Politisch Verfolgten verspricht das Grundgesetz Asyl. Das ist gut und richtig. Aber die Migranten kommen überwiegend aus anderen Gründen und befinden sich bereits in Sicherheit, wenn sie unsere Grenze überschreiten. Wenn sie sich weiter aussuchen dürfen, wo sie Asyl beantragen, und bei Ablehnung einfach in den nächsten EU-Staat gehen, dann ist das schon „Asyltourismus“, wie eine frühere Innenministerin Österreichs feststellte. Hier müsste angesetzt werden und ein Asylverfahren in Deutschland mit Hinweis auf die bereits erlangte Sicherheit in einem EU-Staat abgelehnt werden.

Allein mit Abschiebungen wird man den Zustrom, bei dem es sich im Wesentlichen um Armuts- oder Perspektivlosigkeit-Migration handelt, nicht glaubhaft und nicht wirklich eindämmen können. Zu fragen ist auch, ob die Gewährung von Asyl stets mit der Stellung von Wohnraum, Bett und einem gedeckten Tisch einhergehen muss. Das wirkt natürlich überaus einladend. Da sollten unsere Politiker einmal über den Tellerrand schauen, wie dies in anderen Teilen der Welt geregelt ist. Wenn die staatliche Hoheit in der Migrationspolitik nicht schnellstens durch glaubhafte und wirksame Maßnahmen wiederhergestellt wird, wird die Demokratie Schaden nehmen. Winfried Samariter Bergisch Gladbach