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Leserbriefe zur Stadtbibliothek:Was ist die beste Lösung für Köln?

Lesezeit 7 Minuten
Das Foto zeigt den Eingang und einen Teil des verglasten ersten Stockwerks der Kölner Zentralbibliothek am Neumarkt. Passanten bewegen sich vor dem Gebäude.

Eingang zur 1979 fertiggestellten Kölner Stadtbibliothek am Neumarkt

Sanierung oder Neubau der Kölner Zentralbibliothek? Beide Möglichkeiten eröffnen Chancen, bergen aber auch Risiken. Leser diskutieren.

Ein neues Haus für die Bü­cher? Fra­gen und Ant­wor­ten zur Zu­kunft der Zen­tral­bi­blio­thek am Neu­markt (30.1.)

Stadtbibliothek: Mehr Wertschätzung für vorhandene Bausubstanz nötig

Es ist leider sehr bedauerlich, wie wenig in Köln vorhandene Bausubstanz wertgeschätzt wird. Die Zentrale der Stadtbibliothek am Neumarkt ist ein besonderes Bauwerk. Das Gebäude ist ein Zeitzeugnis zwischen Brutalismus und moderner Glasarchitektur. Bei dem Haus wurden die beiden Elemente Beton und Glas in ein ausgewogenes und für das Auge des Betrachters ansprechendes Verhältnis zueinander gesetzt. Die Gruppierung der Baukuben ist hervorragend gelungen. Das große Raumvolumen für die Bibliothek und die Verwaltung ist äußerlich nicht erkennbar. Die Funktionalität der Bibliothek ist für den Nutzer hochgradig zufrieden.

Die städtebauliche Situation um den Josef-Haubrich-Hof würde durch einen Abriss auf Jahre zerstört. Ob sich ein neues Gebäude so zurückhaltend einfügen wird, bleibt offen. Die Umbauung zum Neumarkt zeigt kein Feingefühl für die Situation vor Ort, mit Volkshochschule und Zentralbibliothek an diesem zentralen Platz. Das Gebäude ist es wert, saniert und dann nach den Entwürfen der Bibliotheksarchitekten im Innern gestaltet zu werden. Prof. Dr. Walter Buschmann Köln

Bauvorhaben in Köln: Vergabe an den Billigsten muss entfallen

Waren Statiker vor über 40 Jahren mangelhaft? Haben Erdbeben oder Verwerfungen die Statik zwischenzeitlich beschädigt? Geben die Fundamente nach, haben Ratten den Untergrund unterhöhlt? Oder fürchtet die Stadt Köln eine Wiederholung des Opern- und Schauspiel-Debakels? Mittlerweile wissen wir, dass im Bauwesen die größten Abfallmengen anfallen und auch hier Nachhaltigkeit dringend geboten ist. Aber nein, gilt für uns jetzt nicht – oder?

Ebenso dringlich ist, dass alle verzögernden, noch geltenden Vorschriften überprüft, verschlankt und, wenn eben möglich, ungültig werden. Bauvorhaben müssen deutlich schneller realisiert, Hemmnisse abgebaut werden. Vor allem muss die Vergabeentscheidung für den Billigsten entfallen, denn alle wissen, es wird letztlich der Teuerste! Nur dann können Anbieter korrekt kalkulieren, es wird dringend Zeit! Leider kann die Stadt Köln auf diesem Sektor bisher keine Erfolge vorweisen. Karl Kutsch Wesseling

Stadtbibliothek: Chance für modernen Neubau nutzen

Die finnische Hauptstadt Helsinki hat seit 2018 eine fantastische Zentralbibliothek namens „Oodi“. Neben den obligatorischen Bücherregalen befinden sich in dem ansprechendem Gebäude auf mehreren Etagen Werkstätten, Tonstudios, großzügige Gruppenräume und vieles mehr. 2013 hatte die Stadt Helsinki einen international ausgeschriebenen Wettbewerb gestartet, bis zur Einweihung dauerte der Prozess gerade einmal fünf Jahre.

Ich begrüße den kompletten Abriss des maroden Kölner Gebäudes
Katrin Stern

Ich begrüße den kompletten Abriss des maroden Kölner Gebäudes und auch eine Neuplanung des gesamten Areals. Ich befürchte nur, dass dabei wieder eine versiegelte Steinwüste herauskommt, wie im Antoniter-Quartier und im Rheinauhafen. Wahrscheinlich werden wir in etwa 50 Jahren einen Betonklotz, umbraust vom Autoverkehr, als neue Bibliothek begrüßen können. Katrin Stern Köln

Zentralbibliothek: Weitere City-Baustelle wäre belastend

Schon wieder eine Baustelle – zu denen, die alle begonnen sind und nicht fertig werden: Oper, Schauspiel, Dom-Hotel, Laurenzquartier, jüdisches Museum Miqua, Römisch-Germanisches Museum – gerade mal angefangen mit der Renovierung und ein Ende ist nicht abzusehen! Das Stadtmuseum, das immer noch nicht umgezogen ist. Die Lage der Bibliothek am Neumarkt ist so zentral, dass mit einer neuen Baustelle die Innenstadt noch hässlicher wird. Wer plant denn diesen Unsinn?Marita Cramer Köln

Stadtbibliothek: Bausubstanz besser pflegen

Nun ist auch die Stadtbibliothek am Neumarkt so marode, dass sie wohl abgerissen werden muss. Keine 45 Jahre alt, doch seit zehn Jahren wusste man schon um die „Problemzonen“ – was ist in der Zeit passiert? Mal wieder nichts. Die Stadt lässt jedes, aber auch wirklich jedes Gebäude so lange vor sich hinmodern, bis es „Fallobst“ ist. Steckt da System dahinter? Wer macht sich nebenher die Taschen dabei voll? Renate Gotschke Odenthal

Zu sehen ist ein Bürogebäude auf der Hohe Straße 68-82 in Köln, in das die Stadtbibliothek übergangsweise einziehen wird.

Das Ausweichquartier für die Kölner Zentralbibliothek auf der Hohe Straße 68-82

Nachhaltigkeitsgebot spricht für eine Sanierung der Zentralbibliothek

Die CDU Köln hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt: Klimaschutz in der Bauwirtschaft bedeutet „Erhalt vor Neubau“. CDU-Landräte am Niederrhein kämpfen gegen die massiven Erweiterungen der Kiesgruben. Und die CDU-Köln sorgt weiter dafür, dass der Rohstoff Kies gebraucht wird. Für einen Neubau. Neben dem massiven Flächenverbrauch von Kiesgruben ist die Bau- und Rohstoffindustrie für zehn Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich. Der Erhalt von Gebäuden wie der Kölner Stadtbibliothek ist zukunftsgerichtet.

Das Kulturquartier würde mit dem Abriss einen wichtigen Baustein verlieren, der die Innenstadt und den Neumarkt – auch am Sonntag – belebt. Verwaltungsgebäude der Stadt Köln machen dies nicht. Zudem sagt die CDU nicht, an welcher Stelle denn der Neubau errichtet werden kann. Sieht die Zukunft der Zentralbibliothek ähnlich aus wie die des Stadtmuseums? Ein Interim und das war es? Und der Köder der Kunst- und Museumsbibliothek ist auch ein Scheinargument. Sollte diese nicht in den Neubau des Historischen Archivs einziehen? Doch dann wurde sie wieder heraus gespart. Passiert das Gleiche wieder? Roland Schüler Köln

Gelegenheit für aufsehenerregenden Neubau nutzen

Lieber Rat der Stadt Köln, trau dich und bau endlich ein aufsehenerregendes neues Stadtbibliotheksgebäude am bestehenden Standort! In Köln wimmelt es nur so von langweiligen Gebäuden mit ähnlichen Fassaden – alles schöner Einheitsbrei, quadratisch, praktisch, gut. Jüngst war ich entsetzt von dem neuen Quartier in der Schanzenstraße: Große Bauklötze und Klinkerfassaden, wohin man schaut.

Nehmt euch endlich ein Beispiel an den Holländern und Dänen mit ihrer jungen, kreativen, nachhaltigen Architektur. Oder schaut euch die Stadtbibliothek in Münster an. Die gibt es schon seit dreißig Jahren und sie ist immer noch modern – gerade weil sich die Verantwortlichen etwas getraut haben. Gebt den Büchern das, was sie in diesen Zeiten mehr denn je nötig haben: eine große Bühne im Herzen der Stadt und einen Ort, an dem sich Bürger dieser Stadt gerne begegnen. Brigitta Beckmann Köln

Diskussion um Stadtbibliothek: Schulbau sollte Vorrang haben

Seit Jahrzehnten nutze ich die Zentralbibliothek zu meiner Zufriedenheit. Sie funktioniert gut, sie wurde ja auch zu Recht ausgezeichnet. Dass nach 40 Jahren eine Sanierung fällig ist – ok. Dass die Leiterin ihren Lieblingsarchitekten anschleppt, für mehr Entertainment und Sofas die Kosten vervielfacht und das zu einer Zeit, in der Köln schon in Bauschulden ertrinkt und ausgerechnet der Schulbau hinterherhinkt – das ist schlicht dreist.

Dass dann nach Jahren der Planung die Erkenntnis „reift“, der Keller sei zu schwach, ist schlicht lächerlich. Meine Vermutung: Hier handelt es sich wohl um ein abgekartetes Spiel. Die ebenso skandalös versäumte Standortlösung für das technische Rathaus wird hintenrum klargemacht. Hermann Scheufgen Köln

Kölner Stadtbibliothek: Warnung vor unwägbaren Abriss-Folgen

Heute, wo die Klimaerwärmung immer spürbarer wird und die planetaren Grenzen erreicht sind, ist nicht der Erhalt von Gebäuden erklärungsbedürftig, sondern ihr Abriss. Dabei darf sich der Erhalt nicht auf einen kleinen Teil von repräsentativen Denkmälern beschränken. Die Zerstörung und der Abtransport von brauchbarem Baumaterial auf die Deponie ist nicht mehr zeitgemäß. Die Perspektive, die bei einem Neubau skizziert wird, scheint verlockend: Moderne Neubauten, die zur Bibliothek von heute und in die Zukunft passen, sollen dem zu Recht gelobten Bibliothekspersonal die Möglichkeit geben, seine Arbeit weiterhin gut zu machen. Ein Neubau, egal ob an der alten oder an einer neuen Stelle, könnte viele Möglichkeiten eröffnen.

Aber was wären die Folgen einer solchen Entscheidung? Erstens, dass es noch viele Jahre dauern wird, bis die Kölner eine moderne Bibliothek in einem angemessenen Haus bekommen. Ein solches Neubauprojekt vorzubereiten, zu entscheiden, zu finanzieren und zu realisieren dauert im besten Fall zehn bis zwölf Jahre. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Projekt verzögert und teurer wird, ist groß. Außerdem würde ein Stopp der langjährigen und weit fortgeschrittenen Sanierungsplanung alle bereits angefallenen Vorbereitungskosten und alle Zeit und Energie, die von Behörden, Politik, Bibliothek und projektbeteiligten Unternehmen investiert wurden, ad absurdum führen. Hinter den Baubeteiligten liegt eine jahrelange Planungsarbeit mit großer Detailtiefe.

Nun liegt der Ball bei der Politik, ob sie wie geplant den Kölnern in absehbarer Zeit die Gewissheit über den adäquaten Fortbestand ihrer Bibliothek geben will oder ob sie diese Gewissheit eintauschen will gegen eine schöne Vision – mit dem Wissen, dass ein Neubau in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen wird. Hier besteht jedenfalls die Chance, das Bessere nicht zum Feind des Guten werden zu lassen – damit der Stadt und den Bürgern in Köln nicht als Ergebnis eine lange Phase des Schlechteren bevorsteht. Ton van Vlimmeren Utrecht Bibliotheks- und Bauexperte, Vorsitzender der europäischen Bibliotheksorganisation „Eblida“