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Lesermeinungen zu PlatzbenennungEiertanz ums Eierplätzchen

Lesezeit 6 Minuten
In der Mitte des von Wohnhäusern gesäumten, „Eierplätzchen“ genannten Platzes in der Kölner Südstadt steht ein Bücherschrank. An den Seiten des Platzes sind Sitzbänke aufgestellt. Zwei Frauen stehen auf dem Platz und unterhalten sich.

Blick auf den „Eierplätzchen“ genannten Platz in der Kölner Südstadt

Der Vorschlag, einen Platz in der Kölner Südstadt nach dem Schriftsteller Dieter Wellershoff zu benennen, ist umstritten. 

Zu Ehren des 100. Geburtstags des Kölner Schriftstellers Dieter Wellershoff soll der inoffiziell „Eierplätzchen“ genannte Platz in der Kölner Südstadt umbenannt werden. Der Plan stößt auf Widerstand, denn es gibt eine Debatte über die NS-Jahre des Autors, die nun das NS-Dokumentationszentrum klären soll. Leserinnen und Leser beteiligen sich an dieser Debatte und äußern eigene Ideen für eine mögliche Namensgebung:

Eierplätzchen: Für Umbenennung in Dieter-Wellershoff-Platz

Unabhängig davon, ob irgendjemand glaubt, Dieter Wellershoff sei ein Nazi gewesen oder nicht: Wellershoff war 1943 siebzehn Jahre alt! Welche Möglichkeiten hatten ganz junge Menschen, sich der Hitlerjugend, der Partei, der SS oder gar des (auch) unfreiwilligen Einzugs zur Wehrmacht zu entziehen? Aus unserer heutigen Sicht und unseren „Erkenntnissen“ ist es ein Leichtes, zu behaupten, die hätten sich auch anders entscheiden können.

Das ist arrogant und – mit Verlaub – dumm. Gerade jungen Menschen blieb oft keine andere Wahl, als sich so und nicht anders zu entscheiden. Wie hätten wir entschieden, wären wir siebzehn Jahre alt und müssten in einem Verbrecherstaat mit menschenverachtender Kopf-ab-Mentalität leben? Ich bin für die Umbenennung des „Eierplätzchens“ in „Dieter-Wellershoff-Platz“. H. Jürgen Hoffmann Köln

„Ich plädiere für den Erhalt des Namens Eierplätzchen“

Wie lange schon heißt dieser Platz Eierplätzchen? Der Name gehört zur Identität des Veedels. Es gibt so viele Frauen und Männer, denen Ehre gebührt. Die sollen sie auch bekommen, auf vielerlei Art. Aber muss man dazu immer Straßen und Plätze nach ihnen benennen? Wie viel Prozent der Kölner und Kölnerinnen und speziell der Bewohner des Veedels haben eine Beziehung zu Dieter Wellershoff? Ich plädiere für den Erhalt des Namens Eierplätzchen und hoffe, dass ich nicht der Einzige bin. Günter Becker Köln

Dieter-Wellershoff-Platz: Ehrung des Schriftstellers und verdienten Kölner Mitbürgers

Markus Schwering sind wir dankbar, dass er einen informativen Artikel über den Stand der Umbenennung des sogenannten Eierplätzchens in „Dieter-Wellershoff-Platz“ veröffentlicht hat. Danach sieht es leider nicht gut aus mit dem von der Tochter Irene Wellershoff initiierten Anliegen, das von uns und vielen anderen unterstützt wird. Leider wird in der Unterüberschrift der Eindruck erweckt, es gehe bei dem Vorgang vor allem um „die NS-Jahre des Schriftstellers“. Damit werden Assoziationen hergestellt, die Wellershoff als potenziellen Anhänger der Naziherrschaft erscheinen lassen.

Fakt ist, dass Wellershoff sich als 17-Jähriger freiwillig zur Panzerdivision „Hermann Göring“ gemeldet hat, die nachweislich Kriegsverbrechen in Italien verübt hat. Daran war Wellershoff allerdings nicht beteiligt, weil zu dem Zeitpunkt bereits nach Berlin beordert und danach an die ostpreußisch-litauische Grenze versetzt wurde. Diesen Sachverhalt hat Wellershoff mehrfach dargestellt; unter anderem in „Der Ernstfall“, im Gespräch mit Markus Schwering und in der Laudatio für Hannes Heer, den Initiator der Wehrmachtsausstellung. Allein aus diesen Texten wird deutlich, dass Wellershoff sich stets eindeutig und aufrichtig zu seiner „Verstrickung ins Kriegsgeschehen“ geäußert hat.

Ebenso eindeutig hat er aber betont, sich nie an Massakern an der Zivilbevölkerung oder Erschießungen von Deserteuren beteiligt zu haben. Wer anderes behauptet, möge bitte Beweise vorlegen, die es – bisher jedenfalls – nicht gibt. Ebenso dubios verhält es sich mit Wellershoffs angeblicher Mitgliedschaft in der NSDAP. Es existiert offenbar eine Mitgliedskarte, die Wellershoff nach eigener Aussage nie zu Gesicht bekommen, geschweige denn unterschrieben hat.

Wahrscheinlich ist, dass es gegen Kriegsende zu massenhaften Rekrutierungen ohne persönliche Beteiligung der Betroffenen gekommen ist. So die Einschätzung Wellershoffs im Gespräch mit Markus Schwering, der man bis zum Beweis des Gegenteils durchaus glauben kann, da Wellershoff sich stets sehr offen über diese Dinge geäußert hat und ganz sicher darüber geschrieben hätte, wie seine Tochter Irene vermutet.

Was soll also dabei Neues herauskommen, wenn sich jetzt das NS-Dokumentationszentrum noch einmal mit dem Fall beschäftigt, was nach Auskunft der Beteiligten etwa vier Monate in Anspruch nehmen wird? Dann wäre mit einer Lösung des Problems in absehbarer Zeit wohl kaum zu rechnen. Schade! Eine verpasste Gelegenheit, einen großen Schriftsteller und verdienten Kölner Mitbürger angemessen zu ehren. Joke und Petra Frerichs Köln

Porträt des Schriftstellers Dieter Wellershoff vor einer Bücherwand

Der Schriftsteller Dieter Wellershoff lebte von 1981 bis 2018 in der Kölner Südstadt.

„Das Eierplätzchen wird immer das Eierplätzchen bleiben“

Das Eierplätzchen hat keinen offiziellen Namen und wird für uns, die Bewohnerinnen und Bewohner der Südstadt, immer das Eierplätzchen bleiben. Aber wenn es schon einen Namen bekommen soll, mit dem an eine Persönlichkeit aus der Südstadt erinnert werden soll, dann ist es Irmgard Keun. Die Kölner Schriftstellerin war die wichtigste Vertreterin der neuen Sachlichkeit, schilderte das Leben junger selbstbewusster Frauen in der modernen Arbeitswelt. Von den Nazis wurden ihre Bücher verfemt und verboten. Keun ging ins Exil und ihre Bücher fanden keine Beachtung. Sie erkrankte an den Folgen des Exils und zog 1977 in die Trajanstraße. Erst in den siebziger Jahren fand sie durch die feministische Literaturkritik wieder Beachtung. Ihre Bücher und ihr Lebensweg verdienen es, gerade in der Südstadt einen Ort der öffentlichen Erinnerung zu finden. Bärbel van Dawen Köln

Eierplätzchen-Umbenennung zur Ehrung von Opfern des NS-Regimes

Bei der Kritik an der Umbenennung des „Eierplätzchens“ in Dieter-Wellershoff-Platz geht es weder um einen Strafvorwurf gegen den Schriftsteller, noch um den Vorwurf, Wellershoff sei in seiner Jugend ein glühender Anhänger des Nazi-Regimes gewesen. Es reicht die Selbstdarstellung Wellershoffs, um gegen die Umbenennung des „Eierplatzes“ zu seinen Ehren zu sein.

Ähnlich nah wie Wellershoff lebten, vertraut man den „Stolpersteinen“, bis Anfang der 1940er mindestens 23 Juden und Jüdinnen in den am Eierplätzchen einmündenden Straßen, Teutoburger Straße, Trajanstraße, Titusstraße und Mainzer Straße. Alle wurden zwischen 1941 und 1943 deportiert und bis auf wenige Ausnahmen umgebracht.

Schräg gegenüber von Wellershoffs Wohnung in der Mainzer Straße wohnte das Ehepaar Martha und Siegmund Wolf, deportiert 1942 nach Theresienstadt und ermordet in Treblinka. Gegenüber in der Titusstraße 10, nah am Eierplatz, wurden 1941 die Ehepaare Alice und Julius Mayer (ihre Spur verlor sich in Riga), Martha und Bernhard Franken und Frieda und Alfred Goldfisch (sie starben in Lodz 1942) deportiert. Also Namen genug, nach denen das Eierplätzchen benannt werden könnte.

Bei dem Vorschlag, das Eierplätzchen umzubenennen, geht es aber nicht etwa um einen Namen der 23 der Südstadt-Opfer, sondern um einen Autor, der sich zwar mit seiner NS-Vergangenheit als junger Mensch in der Nachkriegszeit selbstkritisch auseinandergesetzt hat. Aber in der Zeit, als die 23 Bewohner und Bewohnerinnen der Südstadt vom NS-Regime umgebracht wurden, war er ins Kriegsgeschehen verstrickt. 

Das sah er selber so. Wellershoff hat oft von seiner „Verstrickung ins Kriegsgeschehen“ gesprochen. Hier geht es nicht um die Schuldfrage eines damals 17-Jährigen. Aber er war zumindest ein Mitläufer der NS-Gewaltherrschaft und kein ausgewiesener Gegner. Ob die angestrebte Benennung des Eierplätzchens in Dieter-Wellershoff-Platz dem respektvollen Gedenken an die Opfer der NS-Mörderbanden gerecht wird, ist daher mehr als zweifelhaft. Reiner Schmidt Köln