Der Preis ehrt Menschen, die sich in besonderer Weise für die Förderung der Demokratie, Menschenrechte und einer vielfältigen Gesellschaft einsetzen.
„Größtes dezentrales Mahnmal der Welt“Gunter Demnig bekommt Karl-Küpper-Preis – 3000 Stolpersteine in Köln verlegt
Alle Gäste im historischen Rathaus sind festlich gekleidet, nur die Hauptperson gibt sich rustikal. Gunter Demnig kommt quasi direkt von der Arbeit. In Erftstadt gab es reichlich zu tun, jetzt soll ihm der Karl-Küpper-Preis überreicht werden. Der 77-Jährige erscheint mit Schlapphut und Arbeitsmontur im feinen Ambiente der Piazzetta. Als die feierliche Preisverleihung ansteht, schleicht der Künstler förmlich zur Bühne, als wäre es ihm unangenehm, so im Mittelpunkt zu stehen.
113.000 Stolpersteine in 32 Ländern verlegt
Gunter Demnig stellt sonst andere Menschen in den Mittelpunkt, kniet regelrecht vor ihnen nieder, wenn er im Auftrag von Vereinen oder Initiativen messingbeschlagene Betonwürfel mit leichten Hammerschlägen in Gehwege und Straßen einfügt. An diesen Orten lebten einst Opfer der Nationalsozialisten. Demnigs Stolpersteine, mittlerweile 113.000 Stück in 32 Ländern, stemmen sich gegen das Vergessen: Sie erinnern mit kurzen Informationen zur Person an die Schicksale der Misshandelten, Verfolgten und Ermordeten. Je öfter sie von Passanten betreten werden, desto glänzender die Oberfläche.
Nach Carola Rackete und Rolly Brings ist Gunter Demnig der dritte Träger des mit 10.000 Euro dotierten Karl-Küpper-Preises. Geehrt werden Personen, die sich in besonderer Weise für die Förderung der Demokratie, Menschenrechte und einer vielfältigen Gesellschaft einsetzen. Der Verein der Freunde und Förderer des Kölnischen Brauchtums und das Festkomitee Kölner Karneval verliehen die Skulptur erstmals im Jahr 2020, als Büttenredner Karl Küpper genau 50 Jahre tot war.
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Büttenredner Küpper schreckte auch vor dem NS-Regime nicht zurück
Während des NS-Regimes schreckte Küpper vor Persiflagen auf die Nationalsozialisten nicht zurück und zahlte dafür einen hohen Preis. Zu den Rednern gehörte an diesem Abend Gerhard Küpper, Sohn von Karl Küpper. Die Waffe seines Vaters sei der politische Humor gewesen, sagt er. Heute sei es wieder an der Zeit, sich aufzulehnen, aufzustehen und zu protestieren.
Gunter Demnig zeigt auf seine Weise Flagge. Sein Projekt gilt als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Aber nicht nur für seine Stolpersteine werde der Künstler ausgezeichnet, so Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn, sondern auch für seine Zivilcourage. Trotz zuletzt vermehrter Schändungen der Gedenkstellen und persönlicher Angriffe lasse sich Demnig nicht von seinem Anliegen abbringen.
OB Reker ehrt Demnig: Aktion „wirklich genial“
Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Mitglied der Jury, wertete die Langzeit-Aktion als „wirklich genial“: „Sie haben mit Ihren Stolpersteinen die Zivilcourage in den öffentlichen Raum im wahrsten Sinne des Wortes eingebettet.“ Wolfgang Hahn zeichnete den Werdegang seines langjährigen Künstlerfreundes nach. Demnig sei ein „Genie, dem das Gehirn in den Fingern steckt.“
Der so Gelobte lebte lange Zeit in Köln und ist heute in Hessen zu Hause. Auf der Bühne war an diesem Abend auch sein allererster Stolperstein ausgestellt. Zu lesen ist darauf der sogenannte Auschwitz-Erlass, mit dem Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, 1942 die Deportation der im Deutschen Reich lebenden Sinti und Roma anordnete.
1992 setzte Gunter Demnig den Würfel noch ohne Genehmigung in Köln vor das historische Rathaus. Den Stein, den er dafür aus dem Boden entfernen musste, habe er beim Bürgermeister-Büro abgeliefert, sagt er in seiner Dankesrede: „Ich wollte ja nicht wegen Diebstahls angezeigt werden.“ Mittlerweile hat Demnig allein in Köln rund 3000 Stolpersteine verlegt, mit Genehmigung natürlich.
Die Nachfrage steige, sagt der Künstler nach der Preisverleihung. Zuletzt interessanterweise vor allem in Thüringen, wo die AfD bei den Landtagswahlen die meisten Stimmen bekam. Auch wenn er nicht mehr alle Aufträge selbst erledige, werde er sein Projekt fortsetzen: „So lange die Knie mitmachen.“
2014 hat Gunter Demnig eine Stiftung gegründet, die Stolpersteine finanziert, wenn keine Geldgeber vorhanden sind. Wer dafür spenden möchte, kann sich über die E-Mail-Adresse info@stolpersteine.de informieren. (cht)