Köln – Die sich in Deutschland immer weiter verbreitende „Centaurus“-Variante des Coronavirus bereitet Virologen Sorgen. Das geht aus neuen Studien hervor, die den Verlauf der auch als Omikron-Variante BA.2.75 bekannten Mutation analysiert haben. Forscher erwarten, dass „Centaurus“ zur dominanten Variante im Herbst werden könnte, sorgen sich aber um weitere Mutationen. Die wichtigsten Fragen im Überblick:
Worum handelt es sich bei der Omikron-Variante BA.2.75 oder „Centaurus“?
„Centaurus“ ist eine weitere Mutation der im Frühjahr 2022 dominanten Omikron-Subvariante BA.2, die die zuvor dominante „Ur-Omikron-Mutation“ abgelöst hat. BA.2.75 verfügt allerdings im Gegensatz zu seinen Vorgängern über entscheidende Veränderungen am Spike-Protein, die die Mutation infektiöser machen.
Zudem hat „Centaurus“ nach Analysen des Genoms ebenfalls einige Aspekte der Delta-Variante übernommen, die sich durch einen deutlich schwereren Verlauf auszeichnete als die bisherigen Varianten. Erstmals hatten Forscher die Mutation Anfang Juli nachgewiesen, darunter auch in Deutschland, wo die Variante seitdem überwacht wird.
Was sagen die neuen Studienergebnisse über die „Centaurus“-Variante aus?
Die Studie des Virologen Trevor Bedford untersucht die Entwicklung zahlreicher Corona-Mutationen seit Anfang April, um herauszufinden, welche Varianten für den Herbst besonders gefährlich sind. Dabei fällt auf: Die in vielen Ländern dominante Omikron-Subvariante BA.5 verliert an Einfluss, vor allem dort, wo sich BA.2.75 bereits ausgebreitet hat.
So etwa in Indien. Bisher waren Virologen aber skeptisch, da sie die indischen Daten für nicht aussagekräftig genug hielten, um daraus globale Schlüsse zu ziehen. Bedford nahm daher Daten aus Japan, Singapur und den USA hinzu. „Ganz wichtig: In Indien hat BA.2.75 BA.5 bereits überholt“, schreibt Bedford.
Allerdings sei die Wachstumsrate der neuen Subvariante deutlich unter dem ursprünglichen Niveau von BA.5. „Wenn wir uns die Daten aus den USA anschauen, dann ist die Wachstumsrate von Centaurus derzeit höher als die von BA.5, erreicht aber nicht das Spitzenniveau von letzterer Mutation“, so Bedford weiter.
Aufgrund der aktuellen Daten geht Bedford davon aus, dass BA.2.75 kleinere Anstiege der Fallzahlen verursachen könnte, vor allem lokal. Allerdings dürfte der Spitzenwert nicht über die Menge an Erkrankungen hinausgehen, die BA.5 teilweise verursacht hat.
Was bedeuten die Studienergebnisse zur Centaurus-Mutation für Deutschland?
Im aktuellen Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) wird BA.2.75 nicht gesondert ausgewiesen. Von den sequenzierten Corona-Tests sind derzeit 95,2 Prozent als BA.5 identifiziert, gefolgt von 3,7 Prozent bei BA.4. „In Indien, aber auch in verschiedenen anderen Regionen weltweit wurde die Ausbreitung der Sublinie BA.2.75 beobachtet. In Deutschland wurden [bisher] zehn Genomsequnezen dieser Sublinie in der Stichprobe identifiziert“, heißt es im RKI-Wochenbericht vom 18. August.
Die europäische Gesundheitsbehörde ECDC und die Weltgesundheitsorganisation WHO haben die Variante als „Variant of Concern“ eingestuft und beobachten diese weiter.
Die Studienergebnisse zeigen, dass sich BA.2.75 auch in einem Infektionsgeschehen ausbreiten kann, das derzeit noch von BA.5 dominiert ist. „BA.2.75 wird höchstwahrscheinlich BA.5 als dominante Variante ersetzen, allerdings wird das Monate dauern“, prognostiziert Virologe Bedford.
Wie gut schützt eine Impfung gegen die „Centaurus“-Variante?
Das RKI bescheinigt der neuen Mutation „ausgeprägte Immunfluchteigenschaften“, eine Infektion ist also trotz dritter oder vierter Impfung möglich. Auch bei der „Centaurus“-Variante gilt aber: Eine Impfung schützt vor einem schweren Krankheitsverlauf.
Welche weiteren Varianten sind noch auffällig und könnten im Herbst zum Problem werden?
„Während BA.2.75 BA.5 als dominante Variante ersetzen wird, werden voraussichtlich weitere Mutationen auftreten. Es wird darauf ankommen, welche Variante die richtigen Mutationen bildet, um infektiöser als seine Vorgänger zu werden und diese auszustechen“, schreibt Bedford.
Der deutsche Bioinformatiker und Virologe Cornelius Roemer findet es ebenfalls schwer, einen klaren Trend aus den Daten zu erkennen. „Die wahrscheinlichsten Kandidaten sind aber BA.2.75 oder BA.5 mit einer speziellen Mutation am Spike-Protein“, schreibt er auf Twitter. Einige dieser Mutationen seien auch bei BA.2.75 nachgewiesen worden.
Auch Roemer geht davon aus, dass BA.2.75 BA.5 ersetzen wird, bringt aber noch einen anderen Aspekt ein: „Interessant wird sein, inwiefern ein Omikron-Impfstoff die Ausbreitung von BA.2.75 verändern wird, da es über deutlich mehr Mutationen am Spike-Protein verfügt als BA.5 und dessen Sublinien.“ (shh)