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Corona-HilfenMutmaßlicher Millionen-Betrüger aus Köln auf Mallorca festgenommen

Lesezeit 5 Minuten
Ein Stift liegt auf einem Antrag für den Corona-Soforthilfe-Zuschuss.

Kölner Fahnder nehmen mustmaßlichen Corona-Betrüger fest.

Wegen mutmaßlichen Betrugs mit Corona-Hilfen haben Kölner Fahnder einen Verdächtigen auf Mallorca festgenommen. Der Mann aus Köln soll zu Unrecht fast eineinhalb Million Euro pandemiebedingter Wirtschaftshilfen erlangt haben.

Der Zugriff erfolgte ohne großes Aufsehen vor knapp zwei Wochen in einem Hotel auf Palma de Mallorca. Seit Monaten fahndete die Kölner Staatsanwaltschaft nach einem 48 Jahre alten Geschäftsmann aus Bergisch-Gladbach. Marc S. (Name geändert) soll den Staat im Zuge der Corona-Hilfen um eine Summe von 1,5 Millionen Euro erleichtert haben. Als die Strafverfolger Anfang April eine Bande mutmaßlicher Subventionsbetrüger aus Bergisch-Gladbach aushob, konnte sich der Unternehmer rechtzeitig auf die spanische Ferieninsel absetzen.

Marc S., der Immobilien- und Gastronomiegeschäften nachgeht, soll laut Staatsanwaltschaft für verschiedene Unternehmen falsche Anträge auf pandemiebedingte Wirtschaftshilfen gestellt haben. Angefangen bei den „Corona-Soforthilfen“ zu Beginn der Viruswelle im Jahr 2020 bis hin zu den Überbrückungshilfen I - IV, die bis zum Juni 2022 ausgeschüttet wurden. Gerade bei letzteren soll der Inhaftierte massiv abkassiert haben.

1500 Verfahren seit Frühjahr 2020

Oberstaatsanwalt Lutz Niemann und seine Abteilung, die sich insbesondere mit organisierten Corona-Schwindlern befasst, schreibt derzeit eine Anklage nach der anderen. Wie eine Behördensprecherin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitteilte, haben die Strafverfolger seit dem Frühjahr 2020 in 1500 Verfahren unter dem Verdacht des Subventionsbetruges ermittelt. Die Liste führt 2000 Beschuldigte. Das Gros der Verfahren sei abgeschlossen worden, hieß es. Derzeit sind noch 140 Fälle offen. Eine Schadenssumme lasse sich nicht konkret nennen. Vielmehr bezifferte Staatsanwältin Stephanie Beller das untersuchte „Antragsvolumen“ der Pandemie-Hilfen auf 40 Millionen Euro. Dazu zählen auch Verfahren, in denen sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt habe.

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Landesweit sank die Zahl der Betrugsfälle mit Corona-Hilfen. Für das vergangene Jahr listete das Landeskriminalamt (LKA) 1700 Fälle von Subventionsbetrug. Im Vergleich zu 2020 verzeichneten die Auswerter einen Rückgang von 41 Prozent: Im vorvergangenen Jahr lag die Quote noch bei fast 2900 solcher Straftaten. Den Gesamtschaden seit März 2020 bis Ende 2021 schätzte das LKA auf rund 53 Millionen Euro. Ein Bruchteil der in NRW ausgezahlten Summe. Insgesamt haben Bund und Land in den vergangenen Jahren an Rhein und Ruhr gut 17 Milliarden Euro zu Gunsten von knapp einer Million Antragssteller ausgeschüttet.

Inzwischen sei das Prozedere deutlich sicherer geworden, teilte das LKA der Deutschen Presse-Agentur mit. Anträge auf Corona-Hilfen des Bundes dürfen nur noch Steuerberater, Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer für die betroffenen Unternehmen stellen. Außerdem sei ein Abgleich mit dem Elster-Zertifikat der Finanzverwaltung eingebaut.

Bergisch Gladbacher Antiquitätenhändlerin in U-Haft

Ganz so sicher, wie das LKA den Prüfungsablauf der Überbrückungshilfen für die Firmen und Selbstständige schildert, ist es dann doch nicht. Dies beweisen die Nachforschungen in dem Betrugskomplex um den auf Mallorca festgenommenen Geschäftsmann Marc S. Neben seinen vielfältigen illegalen Operationen soll er auch mit einer Bekannten aus Bergisch-Gladbach zu Unrecht Staatshilfen eingestrichen haben. Die 58-jährige Frau, die offiziell mit Antiquitäten handelte, wanderte mit einem Komplizen bei der Razzia Anfang April in Untersuchungshaft.

Vom kommenden Montag an muss sich Martha J. (Name geändert) laut einer Justizsprecherin wegen gewerbsmäßigen Subventionsbetruges in 125 Fällen vor dem Kölner Landgericht verantworten. Die Unternehmerin wird in einem Komplex mit 17 weiteren Beschuldigten geführt. Martha J. soll laut Anklage mit Hilfe ihrer Familie und ihrer Partner nahezu alle Staatszuschüsse abgezockt haben, die derzeit erhältlich sind. Neben den Pandemie-Zuwendungen, beantragte die umtriebige Geschäftsfrau mit fingierten Bescheinigungen Kurzarbeitergeld in der Höhe von 160.000 Euro für nicht existente Angestellte.

Auch Steuerberater waren behilflich - meist ahnungslos

Gleich zehn Mal kassierte sie Hilfen für angeblich erlittene Schäden bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 ab. Auf diese Weise flossen 17.500 Euro. Für ihre Mutter, ihre Kinder und ihren Lebensgefährten wurden ebenfalls Ansprüche geltend gemacht. Und so soll fortwährend Steuergeld in die Familienkasse geströmt sein. Der Schaden allein bei Martha J. beträgt laut Anklage insgesamt gut 600.000 Euro. Im gesamten Ermittlungskomplex geht es den Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge um 2,2 Millionen Euro. Behilflich waren auch Steuerberater, die allerdings meist ahnungslos auf Grund der eingereichten Unterlagen der Angeklagten die falschen Anträge stellten.

Der Schwindel mit der Pandemie kennt viele Spielarten. Abrechnungs-betrügereien in Corona-Testzentren führten zum Beispiel zu einer großangelegten Dursuchungsaktion im Februar 2022 an 14 Standorten in Remscheid, Essen, Oberhausen, Velbert und Herne. Die Betreiber sollen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Geld für Tests eingestrichen haben, die nie durchgeführt wurden. An einer Teststation in Köln-Höhenberg stellten die Ermittler im Mai wegen derselben Vorwürfe umfangreiches Beweismaterial sicher.

Längst haben auch kurdisch-libanesische Clans oder radikal-islamistische Salafisten die Masche mit den Pandemiehilfen für sich entdeckt. Vor acht Tagen erst ging die Polizei gegen ein Netzwerk um einen syrischen Islamisten vor. Der 25-jährige Extremist Fayez K. soll über Strohleute gut eine Million Euro an Corona-Fördermitteln erschlichen haben. Die Polizei durchsuchte am Dienstagmorgen bundesweit 57 Objekte, darunter auch welche in Ennepetal, Frechen, Essen und Wuppertal. Der Verdächtige tauchte rechtzeitig wieder in seine Heimat ab.

Laut den Staatsschützern soll Fayez K. mit falschen Angaben über Firmen Corona-Hilfen beantragt haben. Mehr als eine Million Euro soll der Mittzwanziger von der Investitionsbank Berlin erhalten haben. Er soll dafür Namen und Steuerdaten von Strohmännern benutzt haben. Gegen einen Aufpreis stellten die Komplizen ihm auch ihre Konten zur Verfügung. Die notwendigen E-Mail-Adressen soll der Verdächtige eigens dafür eingerichtet haben. Gegen ihn wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen Störung des öffentlichen Friedens ermittelt. Ob die staatliche Stütze der salafistischen Terror-Finanzierung diente, ist noch unklar.

Oft unterschreiben ahnungslose Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer im guten Glauben die Hilfsanträge ihrer Mandanten. Eine schwierige Gratwanderung, die sich mitunter als Bumerang herausstellen kann. So erhielten drei Steuerberater und 21 Unternehmer zwischen Juni und Oktober Besuch durch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main. Der Schaden soll sich den Angaben zufolge auf bis zu 3,4 Millionen Euro belaufen. Durch Kontrollen des Regierungspräsidiums Gießen und hessischer Finanzämter sei die Auszahlung von weiteren 7,5 Millionen Euro verhindert worden, teilten die Justizbehörden mit.

Das Ausmaß der Corona-Betrügereien ist längst noch nicht abzusehen. Erst Ende Juni 2023 endet die Schlussabrechnung für die Überbrückungshilfen I bis IV. Zu diesem Zeitpunkt müssen die Empfänger darlegen, ob ihre Ansprüche zu Recht bestanden. „Erst dann“, so ein Ermittler, „kommt es zum wahren Show-Down“.