Berlin – Orkan „Zeynep“ hat sich über Deutschland ausgetobt und für eine schwere Sturmflut an der Nordseeküste gesorgt. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen starb nach Polizeiangaben jeweils ein Mensch wegen des Sturmes, bei einem weiteren Unfalltoten war die Ursache unklar.
Das Orkantief soll nun am Samstag über das Baltikum nach Russland weiterziehen, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) mitteilte. Vorübergehend soll es ruhiger werden, bis am Sonntag vor allem im Süden und in der Mitte nochmal stärkere Böen erwartet werden – verbreitet mit bis zu 60 Kilometern pro Stunde, auf höheren Bergen auch teils schwere Sturmböen bis 100 Kilometer pro Stunde. Am Freitagabend war in Büsum eine Orkanböe mit 143,3 Kilometer pro Stunde gemessen worden.
Sehr schwere Sturmflut in Hamburg
Am Morgen hob der DWD seine Warnung vor extremen Orkanböen an der Nordsee auf. In Hamburg erreichte die Elbe am Pegel St. Pauli am Samstagmorgen gegen 5.30 Uhr 3,75 Meter über dem mittleren Hochwasser, wie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie mitteilte. Damit erreichte die Hansestadt erstmals seit 2013 wieder eine sehr schwere Sturmflut mit mehr als 3,5 Metern über dem mittleren Hochwasser. In der überfluteten Speicherstadt rettete die Feuerwehr am frühen Samstagmorgen zwei Männer, die mit ihrem Auto eingeschlossen waren. Laut Polizei waren die Männer stark unterkühlt und wurden vorsorglich in ein Krankenhaus gebracht.
In der niedersächsischen Gemeinde Wurster Nordseeküste war zuvor ein Mann während des Sturms von einem Dach gestürzt und gestorben. Der 68-Jährige habe in der Nacht auf Samstag versucht, das beschädigte Dach eines Stalls zu reparieren, teilte die Polizei mit. Dabei sei er durch das Dach gebrochen und rund zehn Meter in die Tiefe gestürzt.
Autofahrer in NRW gestorben
Ein Autofahrer starb nach Angaben der Polizei am Freitagabend bei Altenberge in Nordrhein-Westfalen, als er mit dem Auto gegen einen quer auf der Fahrbahn liegenden Baum prallte. Der eingeklemmte 56-Jährige sei noch am Unfallort gestorben. Zuvor hatte der WDR darüber berichtet. Etwa zur selben Zeit war ein Mann mit seinem Wagen im nahen Saerbeck unterwegs, als sich das Fahrzeug nach Polizeiangaben überschlug. Der 33-Jährige starb demnach ebenfalls noch am Unfallort. Die Ursache dieses Unfalls war zunächst unklar.
Feuerwehren und Polizei meldeten bis Samstagmorgen zahlreiche Einsätze, in der Regel blieb es aber zunächst bei Berichten von umgestürzten Bäumen, umherfliegenden Gegenständen und beschädigten Gebäuden. In Bremen stürzte ein 55 Meter großer Baukran in ein im Rohbau befindliches Bürogebäude. „Es sieht verheerend aus“, sagte ein Feuerwehrsprecher. Auch ein gerade vorbeifahrender Laster sei in der Nacht auf den Samstag von dem Kran erwischt worden. Der Fahrer sei aber unverletzt geblieben.
Bahnverkehr weiter eingeschränkt
In Hamburg stürzten bei einem viergeschossigen Wohnhaus im Stadtteil Eilbek am Freitagabend Teile der Fassade ein. Insgesamt seien im Giebelbereich rund 25 Quadratmeter Mauerwerk abgefallen, sagte ein Feuerwehrsprecher. In den Häfen in Emden und Wilhelmshaven mussten mehrere Schlepper die größeren Schiffe sichern. Dabei drückten sie die windanfälligen Schiffe gegen die Pier, sagte ein Sprecher der Wasserschutzpolizei.
Der Bahnverkehr im Norden Deutschlands und in den nördlichen Teilen Nordrhein-Westfalens war auch am Samstagmorgen stark eingeschränkt, wie die Deutsche Bahn mitteilte. Nördlich von Dortmund, Hannover und Berlin sowie zwischen Berlin und Halle (Saale)/Leipzig fahren demnach keine Fernverkehrszüge. Nur auf der Schnellfahrstrecke zwischen Köln und Frankfurt fahren demnach einzelne Züge. Auch der Regionalverkehr falle flächendeckend aus. Vor der Wiederaufnahme seien umfangreiche Erkundungsfahrten nötig. Fahrgäste können ihre für den Zeitraum von Donnerstag bis Sonntag gebuchten Fahrkarten bis zum 27. Februar flexibel nutzen oder kostenfrei stornieren, wenn sie Reisen wegen des Sturms verschieben.
Rheinbrücke Emmerich bis auf weiteres gesperrt
In Nordrhein-Westfalen ist die Rheinbrücke Emmerich bis auf weiteres gesperrt. Grund dafür seien umgestürzte Gerüstteile, die in die Fahrbahn ragen, teilte die Polizei am frühen Samstagmorgen mit. Im Norden wurde die Fehmarnsundbrücke gesperrt, die die Insel Fehmarn in der Ostsee mit dem Festland verbindet. Zuvor waren in der Nacht zwei Laster umgekippt. Ein Fahrer wurde dabei verletzt, wie ein Polizeisprecher sagte.
Die Nordseeinsel Wangerooge büßte im Sturm etwa 90 Prozent ihres Badestrandes ein. „Auf einer Länge von einem Kilometer gibt es kaum noch Sand“, sagte Wangerooges Inselbürgermeister Marcel Fangohr am Samstagmorgen. Die Schutzdünen vor dem Trinkwasserschutzgebiet hätten kein Deckwerk mehr, dies müsse wie der Strand neu aufgeschüttet werden. Dennoch sei der Sturm glimpflich ausgegangen.
Auch in anderen europäischen Ländern sorgte „Zeynep“ schon am Freitag für Schäden: In den Niederlanden kamen drei Menschen durch umstürzende Bäume ums Leben, darunter war auch ein Radfahrer. Großbritannien meldete ebenfalls drei Todesopfer. In Irland starb ein Mann infolge des Orkantiefs. Im Norden Frankreichs waren am Abend rund 130 000 Haushalte ohne Strom.In dem vorherigen Orkantief „Ylenia“ waren mindestens drei Autofahrer in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bei wetterbedingten Unfällen gestorben: Zwei wurden von umstürzenden Bäumen erschlagen, ein dritter starb, als sein Anhänger im Sturm auf die Gegenfahrbahn geriet und es dabei zu einem Unfall kam.
Windstrom-Rekord durch Orkantief „Ylenia“
Das vorausgegangene Orkantief „Ylenia“ brachte nach einer Analyse des Energiekonzerns Eon einen Windstrom-Rekordwert. Am Mittwoch sei mit 47,12 Gigawatt in der Spitze so viel Windstrom in das deutsche Stromnetz eingespeist worden wie nie zuvor, hieß es von Eon am Freitag in München nach Auswertung von Daten der Bundesnetzagentur. Erreicht worden sei der neue Höchstwert am Mittwochabend.
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In dem vorherigen Sturm waren mindestens drei Autofahrer in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bei wetterbedingten Unfällen gestorben: Zwei wurden von umstürzenden Bäumen erschlagen, ein dritter starb, als sein Anhänger im Sturm auf die Gegenfahrbahn geriet und es dabei zu einem Unfall kam.
Versicherer erwarten Schäden in Milliardenhöhe
Allein der Wintersturm „Ylenia“ könnte Deutschlands Versicherer eine halbe Milliarde Euro kosten, schätzte die auf Versicherungsmathematik spezialisierte Unternehmensberatung Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) in Köln. Nahezu alle Regionen Deutschlands seien von dem Sturm getroffen worden, teilten die Experten am Freitag mit. Eine Schadensumme dieser Größe komme alle ein bis zwei Jahre vor. (dpa)