Die Nachweise dienten als Frühwarnsystem und seien kein Grund zur Beunruhigung, so das RKI. Erhöhte Wachsamkeit sei aber geboten.
Bisher keine VerdachtsfälleRKI weist Erreger der Kinderlähmung im Abwasser in Köln und Bonn nach
In Abwasserproben in Köln wurden Polio-Viren entdeckt, die Kinderlähmung verursachen können. Das teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinem aktuellen Epidemiologischen Bulletin mit. Demnach ist auch die Nachbarstadt Bonn betroffen.
Das RKI wies die Viren im Zuge eines Forschungsprojektes nach, bei dem Abwasserproben aus Kläranlagen in ganz Deutschland entnommen wurden. Auch in München und Hamburg wurden die Viren nachgewiesen. Das Risiko, sich zu infizieren, sei allerdings dennoch „äußerst gering“, so das RKI. Bislang seien auch keine Verdachtsfälle oder Erkrankungen von Polio an das RKI gemeldet worden. Erhöhte Wachsamkeit sei allerdings geboten.
Köln und Bonn: Polio-Viren aus Schluckimpfung in Abwasser entdeckt
Die Proben aus Köln und Bonn sind vor etwa anderthalb Wochen entnommen worden. Bei den entdeckten Viren handelt es sich um sogenannte von „Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren“, also nicht um einen Wildtyp. Die Schluckimpfung enthält abgeschwächte, vermehrungsfähige Impfviren. Diese können laut RKI jedoch auch wieder ausgeschieden werden und sich schließlich „genetisch so verändern, dass sie andere Menschen infizieren und eine Erkrankung hervorrufen können.“ Möglicherweise stammen die aktuellen Viren im Abwasser also von Menschen, die in anderen Ländern eine Schluckimpfung erhalten haben.
In der Westukraine kam es beispielsweise im Oktober und Dezember 2021 zu einem solchen Polio-Ausbruch, verursacht durch zirkulierende Viren aus Impfungen. Allerdings lag dort in einigen Regionen die Impfquote bei weniger als 50 Prozent, was eine Verbreitung für die Viren erleichtert. Auch die USA kämpften 2022 gegen Polio-Viren im Abwasser des Bundesstaats New York. In Deutschland gab es seit 1990 keinen Fall der Kinderlähmung mehr.
RKI empfiehlt erhöhte Wachsamkeit und Überprüfung der Impfungen
Aus diesem Grund wird in Deutschland seit 1998 nicht mehr die Schluckimpfung, sondern nur noch die IPV-Impfung verwendet, bei der ein inaktivierter Impfstoff in den Muskel injiziert wird. Grund zur Beunruhigung gebe es allerdings nicht. „Menschen, die vollständig gegen Polio geimpft wurden, sind vor der Erkrankung geschützt“, betont das RKI im Bulletin.
„Wir haben eine hohe Impfquote der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen“, so NRW Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. In Anbetracht der Abwasser-Nachweise sollten aber alle einmal in ihren „gelben Impfausweis schauen und im Zweifelsfall mit einer Hausärztin oder einem Hausarzt reden, ob der eigene Impfstatus oder der der Kinder vollständig ist.“
Das RKI hat im Zuge der Nachweise gemäß der Internationalen Gesundheitsvorschriften die Landesbehörden der Bundesländer informiert sowie auch die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Europäische Union. Auch wenn die Impfquote in Deutschland und die Hygienebedingungen sehr gut seien, könnten einzelne Polio-Fälle auftreten, vor allem bei „unzureichend geimpften Bevölkerungsgruppen“.
Aufgrund der Situation empfiehlt das RKI erhöhte Wachsamkeit im Hinblick auf typische Symptome (zum Beispiel akute schlaffe Lähmung), insbesondere bei medizinischem Personal und Mitarbeitenden im öffentlichen Gesundheitsdienst.