Tausende Einsatzkräfte in Mittel- und Osteuropa pumpen Keller aus, sichern Deiche. Es gibt viele Tote. Das Hochwasser trifft auch Deutschland - doch wie schlimm?
NaturkatastropheHochwasserlage in Europa angespannt – Deutschland rüstet sich vor Flut
Tausende Einsatzkräfte kämpfen in den Hochwassergebieten von Polen über Tschechien bis Österreich gegen die Fluten - eine Entspannung der Lage ist in vielen Regionen nicht in Sicht. In Polen drohen in der Kleinstadt Nysa rund 90 Kilometer südlich von Breslau (Wroclaw), die Wassermassen der Glatzer Neiße einen Deich zu durchbrechen, der das Stadtzentrum schützt. Auch in Österreich ist die Gefahr von Dammbrüchen und Erdrutschen nicht gebannt.
Deutschland rüstet sich vor den Fluten aus den Nachbarländern. Der Pegelstand der Elbe in Sachsen steigt bereits seit Tagen. In der Elbe in Dresden nähert sich der Pegelstand in langsamen Schritten der Sechs-Meter-Marke. Das Wasser stand am Pegel Dresden am Vormittag bei knapp 5,90 Metern, wie aus Daten des sächsischen Hochwasserzentrums hervorging. Demnach könnte noch die Alarmstufe 3 erreicht werden, die an dem Pegel ab gut sechs Metern Wasserstand gilt - normal sind 1,42 Meter. Bei der Jahrhundertflut 2002 waren es 9,40 Meter. In Bayern sollten am Mittag die Dauerregenfälle langsam aufhören.
Auch Brandenburg rechnet mit Hochwasser. Ab Mitte der Woche mache ein Anstieg des Wassers in der Oder die größte Sorge, sagte Sebastian Gold vom Technischen Hilfswerk dem Sender RBB-Inforadio. Die Lage sei aber noch unklar, man richte sich auf alles ein. Nach Angaben des Landesamtes für Umwelt wird für einige Oder-Regionen wie in Ratzdorf, Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder) ab Mittwoch oder Donnerstag voraussichtlich die Hochwasser-Alarmstufe 1 ausgerufen. Das bedeutet, dass Gewässer über ihre Ufer treten.
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Höchste Alarmstufe in Tschechien
Die Blicke gehen auch nach Polen und Tschechien, denn die Lage dort an Elbe, Neiße und Oder lässt auch Schlüsse auf die nächsten Tage in Deutschland zu. In Tschechien gilt an zahlreichen Pegel-Messstationen immer noch die höchste Hochwasser-Alarmstufe, bei der Gefahr für Menschen oder Eigentum besteht.
Im nordböhmischen Usti nad Labem (Aussig an der Elbe) nahe der Grenze zu Sachsen wird die Scheitelwelle der Elbe erst am Dienstagabend erwartet. In Südböhmen droht der rund sechs Quadratkilometer große Rosenberg-Fischteich überzulaufen, was die Lage entlang der Luznice (Lainsitz) dramatisch zuspitzen würde. Die Feuerwehr ist im Dauereinsatz.
Ganze Landstriche im Südwesten Polens unter Wasser
Im Südwesten Polens stehen immer noch ganze Landstriche unter Wasser. Nach den neuesten Prognosen wird erwartet, dass die Flutwelle in der Oder am Donnerstag oder Freitag Breslau erreichen wird. Die Stadt war beim Oderhochwasser 1997 zu einem Drittel überschwemmt worden. Dort tagte erneut der Krisenstab mit Regierungschef Donald Tusk.
In der Kleinstadt Nysa halfen in der Nacht viele Bewohner der Stadt den Einsatzkräften von Armee und Feuerwehr, die angegriffene Stelle im Deich mit Sandsäcken zu verstärken - mit Erfolg. „Auf dem Deich waren etwa 2.000 Menschen: Frauen, Männer, Kinder und Senioren“, sagte Bürgermeister Kordian Kolbiarz dem Radiosender Rmf.fm. Diese hätten eine Menschenkette gebildet, um die Sandsäcke zu transportieren.
Aufräumarbeiten in Rumänien
In den Überschwemmungsgebieten im Osten Rumäniens sind mittlerweile Aufräumarbeiten im Gange. Etwa 6.000 Häuser in zumeist abgelegenen Dörfern waren von den Fluten erfasst worden, viele wurden völlig zerstört. Tausende Menschen haben all ihren Besitz verloren. Weiterhin muss Wasser abgepumpt und Schlamm beseitigt werden.
Die Feuerwehrzentrale schickte aus dem ganzen Land 1.000 zusätzliche Helfer in die Region. Im Einsatz sind außerdem hunderte Soldaten. Geplant ist zudem, dass Strafgefangene aus dem Hochsicherheitsgefängnis von Galati zum Helfen herangezogen werden.
In den Überschwemmungsgebieten in Mittel- und Osteuropa sind in den vergangenen Tagen bislang mindestens 19 Menschen ums Leben gekommen. Es wird befürchtet, dass die Zahl weiter steigt. Noch völlig unklar ist, wie hoch die Schäden in den betroffenen Ländern ist. Noch Tage dürfte es in einigen Regionen dauern, bis das Wasser in den Flüssen deutlich zurückgeht.
Städte und Gemeinden fordern mehr Mittel für Hochwasserschutz
Indes wird in Deutschland darüber diskutiert, wie Dörfer und Städte besser vor Hochwasser geschützt werden können. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, forderte Bund und Länder auf, die Kommunen beim Ausbau des technischen Hochwasserschutzes finanziell stärker zu unterstützen: „Die Starkregen- und Hochwasserereignisse der letzten Tage machen einmal mehr deutlich, dass dem vorbeugenden Hochwasserschutz weiterhin hohe Priorität eingeräumt werden muss“, sagte Berghegger der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag). „Hier bleiben insbesondere Bund und Länder, aber auch die Kommunen gefordert.“
Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) kritisierte, dass in Überschwemmungsgebieten nach wie vor Bauland ausgewiesen werde und Neubauten entstehen dürften. Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Wir brauchen jetzt ein klares gesetzliches Bauverbot in Überschwemmungsgebieten.“ (dpa)