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Hochwasserschutz in Leverkusen„Wiembachallee wird landschaftlich reizvoll bleiben“

Lesezeit 5 Minuten
TBL-Chef Wulf Riedel auf der Holzbrücke über den Wiembach

TBL-Chef Wulf Riedel auf der Holzbrücke über den Wiembach

Seit Jahren gibt es Protest und Widerstand gegen den Plan, das Bett des Wiembachs für einen besseren Schutz vor Hochwasser neu zu gestalten.

Am Geländer der Holzbrücke, über das sich Wulf Riedel lehnt, steht mit Kreide geschrieben und mit einem Herzchen verziert: „We love Wiembachallee“ – „Wir lieben die Wiembachallee“. Und auch Riedel, Geschäftsführer der Technischen Betriebe Leverkusen (TBL), liegt die Zukunft der Allee am Herzen. So viel wird klar beim Ortstermin an der Allee, um deren Zukunft seit Jahren gestritten wird wie um kaum eine andere in Leverkusen.

Der TBL-Manager möchte mit dem Hochwasserschutz nördlich der Opladener Innenstadt endlich weiterkommen. „Wir müssen diesen Planungsprozess endlich mal voranbringen“, sagt Riedel. Denn die Stadt ist eigentlich verpflichtet, bis Ende 2026 den Schutz vor Überflutung in dem Wohngebiet zwischen der Bahntrasse im Osten, der Mündung des Wiembachs in die Wupper im Westen, der Düsseldorfer Straße und der Rat-Deycks-Straße im Süden und der Straßenflucht der Wiembachallee als nördliche Begrenzung fertig zu stellen.

Eine Karte mit blau eingefärbten Überschwemmungsflächen

Die blau eingefärbten Flächen in dem Wohnviertel sind bei einem 100-jährlichen Hochwasser Überschwemmungsgebiet.

Der Schutz muss ausreichend sein, um das Viertel und seine Bewohner vor einer Hochwasserhöhe zu bewahren, die statistisch einmal alle 100 Jahre auftritt. Das war auch schon klar, als den Ratsgremien im Juni 2021 erstmals eine Vorlage mit Plänen zum Hochwasserschutz an der Allee präsentiert wurde. Im Juli 2021 ereignete sich dann die Hochwasserkatastrophe, die auch große Teile von Opladen unter Wasser setzte.

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Schneeglöckchen an einem Bach

Frühling an der Wiembachallee

Dreieinhalb Jahre später schält sich immer klarer heraus, dass wohl kein Weg daran vorbeiführt, mindestens zwei der vier Hainbuchenreihen zu fällen, die sich die Lucasstraße und Bielertstraße hinziehen. Denn für den Hochwasserschutzplan, der sich am schnellsten und kostengünstigsten realisieren lässt und der zudem die bislang mäßige bis schlechte Gewässerstrukturgüte an dem weitgehend schnurgeraden Bachverlauf auf der Allee verbessern würde, muss das Bachbett, technisch ausgedrückt: der Abflussquerschnitt, von acht auf 16 Quadratmeter aufgeweitet werden. Und bei einem solchermaßen vergrößerten Bachbett ist kein Platz mehr für die beiden inneren Hainbuchenreihen.

Riedel betont, die TBL würden im Anschluss an die Bachaufweitung natürlich neue, klimaresiliente Bäume pflanzen und auf diese Art und Weise auch die Hainbuchenmonokultur aufbrechen, die bislang eng gepflanzt den Bach säumt – zu eng, wie aus dem Fachbereich Stadtgrün der Stadtverwaltung zu hören ist.

Der Bach soll auch nicht mehr geradewegs in Richtung Wupper fließen, sondern in vielen Kurven. „Ich bin überzeugt davon, dass das hier landschaftlich mindestens genauso reizvoll und wertig werden wird, wie es jetzt ist“, sagt Riedel in Richtung der vielen Kritiker, die vor einem Kahlschlag in Opladen und der Vernichtung eines städtebaulichen Kleinods warnen.

Ich bin überzeugt davon, dass das hier landschaftlich mindestens genauso reizvoll und wertig werden wird wie es jetzt ist
Wulf Riedel, Geschäftsführer der Technischen Betriebe Leverkusen

Riedel ist vom Fach. Der 59-Jährige hat an der damaligen FH Köln Bauingenieurwesen mit Fachrichtung Siedlungswasserwirtschaft studiert. „Ich setze mich seit Jahrzehnten mit dem Thema auseinander.“ Und er ist Opladener, mit Abitur am Landrat-Lucas-Gymnasium: „Ich kann mich gut daran erinnern, wie wir stinkefrei bekommen haben, weil die mit allen möglichen Abwässern belastete Wupper im Sommer zu stark roch.“

Der Ingenieur verweist mit Blick auf den Wiembach auf dessen enorme Einzugsfläche von 21,5 Quadratkilometern: „Das heißt, ein Viertel der Stadtfläche Leverkusens entwässert über den Wiembach. Wenn ich am Bach wohnen würde, hätte ich einen Anspruch darauf, dass ich geschützt werde. Und wir können den Schutz gegen ein Hochwasser, wie es statistisch einmal in 100 Jahren auftritt, sicherstellen.“ Bei einem 100-jährlichen Hochwasser fließen pro Sekunde 17,5 Kubikmeter Wasser am Pegel am unteren Wiembach vorbei. Bei einem 10-jährlichen sind es immerhin noch 10 Kubikmeter pro Sekunde. Der normale mittlere Durchfluss liegt noch deutlich niedriger.

Eine Skulptur steht neben einem Bach.

Eine Skulpur am östlichen Ende der Wiembachallee

Einwände, dass 2021 das Hochwasser in der Wiembachallee von der Wupper ausging und nicht vom Bach, lässt er nicht gelten: „Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Mitte Juli 2021 hat sich ein 1000-jährliches Hochwasser ereignet. Das komplette Einzugsgebiet der Wupper war betroffen und die Hochwasserwellen des Baches und der Wupper haben sich überlappt.“

Aus Riedels Sicht geht es nicht nur um den Hochwasserschutz: „Wir haben die Möglichkeit, hier auch etwas für die Ökologie des Baches zu tun.“ Das hält er auch Kritikern entgegen, die sagen, die Hochwasserschutzarbeiten am Wiembach würden Eisvogel, Wasseramsel und andere Arten vertreiben, die sich angesiedelt hätten. Die Frage sei doch, warum sie sich angesiedelt hätten, so Riedel. „Eisvogel und Wasseramsel sind doch nur hier, weil wir die Gewässergüte des Wiembachs und der Wupper verbessert haben.“ Als Gewässerfachmann sage er, dass erst das Gewässer in Ordnung sein müsse und darauf dann alles aufbaue, wie eben auch eine vergrößerte Vielfalt in der Pflanzen- und Tierwelt entlang des Baches.

Wulf Riedel lässt im Übrigen keinen Zweifel daran, dass die TBL an der Wiembachallee ihrer Pflicht nachkommen werde. „Wir haben einen gesetzlichen Auftrag, das umzusetzen.“ Der Stadtrat und alle Ratsgremien müssen zwar informiert werden, entscheiden können sie in der Sache allerdings nichts. Die Technischen Betriebe planen, die Anwohner im Mai zu einer Informationsveranstaltung einzuladen. Der TBL-Chef rechnet im weiteren Verlauf zwar mit Klagen, die das Verfahren verzögern. Aber: „Wenn alles glattläuft, sind wir mit dem Hochwasserschutz hier in drei Jahren fertig.“ Riedel: „Das hier ist der Kampf für eine gute Sache. Ich mag das.“


Rechtslage ist eindeutig

Die Stadt Leverkusen hat gar keine andere Wahl, als die EU-Wasserrahmenrichtlinie und EU-Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie umzusetzen. Diese beiden Richtlinien sind der juristische Rahmen, aus dem die Verpflichtung für den Hochwasserschutz erwächst. Die Stadt kann zwar Gründe angeben, warum der Hochwasserschutz nicht erfüllt werden kann, zum Beispiel, wenn ein dafür erforderliches privates Grundstück nicht gekauft werden kann. Das ist aber an der Wiembachallee nicht der Fall.

Die Technischen Betriebe Leverkusen sind per Satzung für diese Aufgabe zuständig. Wo kein Hochwasserschutz vorhanden ist, aber ein öffentliches Interesse daran besteht, müssen die TBL aktiv werden. Im Überschwemmungsgebiet des Wiembachs liegen eben nicht nur Privatgrundstücke. Unter den 130 Gebäuden sind auch öffentliche oder soziale Einrichtungen wie die Remigius-Schule mit angrenzender Sporthalle, die Bielert-Kirche mit Gemeindehaus, das Diakonische Werk, die Stadthalle, das Deutsche Rote Kreuz und zwei Kindergärten.

Die Rechtspflicht der Kommune zum Hochwasserschutz und die Möglichkeit, den Schutz auf die Hauseigentümer zu verlagern, sind keine juristisch gleichberechtigten Optionen. Vielmehr ist der Hochwasserschutz durch die Stadt der übergeordnete erste Schritt. Nur wenn der nicht durchführbar sein sollte, etwa, weil eben kein öffentliches Interesse besteht, bliebe nachrangig die Eigenvorsorge der Hauseigentümer. Das ist aber an der Wiembachallee nicht der Fall. (ps)