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How to Sell Drugs Online (Fast)

Lesezeit 4 Minuten

Köln – Ein erfolgreiches Start-up bedeutet im besten Fall zwei Dinge für seinen Chef: Es lässt ihn reich und berühmt werden. Moritz Zimmermann hat beides geschafft, wie zu Beginn der zweiten Staffel der Netflix-Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)” klar wird.

Der Schüler aus dem schnarchigen Dorf Rinseln im deutschen Niemandsland ist noch vor dem Abi zum Millionär geworden - und zur Ikone, zum „Idol einer Generation”, wie ihm die Medien huldigen. Eine Erfolgsgeschichte - könnte man denken. Hätte das Geschäftsmodell nicht einen gewaltigen Haken.

Wer die erste Staffel der deutschen Serie - einst angelehnt an einen echten Fall - gesehen hat, kennt diesen Haken sehr genau, er lässt sich ja sogar am Serien-Titel (deutsch: Wie man im Internet schnell Drogen verkauft) ablesen. Moritz (Maximilian Mundt) befehligt zusammen mit seinem Kumpel Lenny (Danilo Kamperidis) ein Start-up, das den Verkauf von Drogen über das Internet revolutioniert hat. Ihre Seite „MyDrugs” ist sehr kundenfreundlich, sehr sauber, sehr smart. „So wie Amazon, nur für Drogen.”

Die zweite Staffel, die am Dienstag erscheint, setzt ziemlich genau dort an, wo die erste aufgehört hat. Nachdem die Teenager irgendwie in das Drogen-Business reingeschlittert sind, wollen sie nun wieder raus - zumindest Lenny und Zuarbeiter Dan (Damian Hardung) würden das gern. Die ersten Millionen mitnehmen, ein schönes Leben machen, nicht in den Knast gehen, so der Plan. Noch wurden sie ja nicht enttarnt.

Moritz ist da nicht so standfest. Man merkt: Es geht ihm weniger um die Drogen, er könnte auch Socken oder Teebeutel verkaufen. Es geht eher um die Geschichte und das Bild, das er mit „MyDrugs” von sich geschaffen hat. Vollmundig nennt er sich CEO und palavert wie aus einem Ratgeber für Unternehmensführung: „Work-Life-Balance! Ich rede in Business-Meetings nicht über meine Beziehung!” Dass dieses sogenannte Business-Meeting in einer reichlich unglamourösen Indoor-Skihalle stattfinden, kann er dabei gut ausblenden.

Als „How to Sell Drugs Online (Fast)” 2019 erschien, waren Kritiker begeistert, Grimme- und Fernsehpreis folgten. Erfunden hat die Serie die Kölner bildundtonfabrik (btf), die mit Jan Böhmermanns Show „Neo Magazin Royale” groß wurde. Das Besondere ist, dass sie mit allen Klischees von deutschen Serien bricht. Zum einen ist sie lustig. Zum anderen erzählt sie unpeinlich über eine junge Generation, die sogenannte Generation Z, die erste, die komplett mit dem Smartphone groß wurde. Und: Sie spielt komplett im Hier und Jetzt. Es taucht kein einziger Nazi oder Onkel mit SED-Vergangenheit auf.

Der Preis für diese Gegenwärtigkeit sind ein irrwitziges Tempo und Dialoge, bei denen jeder Zuschauer über 30 ab und zu den Drang verspürt, ein paar Vokabeln zu googeln. „Wir haben glücklicherweise ein sehr junges Team. Außerdem ist es uns sehr wichtig, dass es sich authentisch anfühlt, wenn wir zum Beispiel Social Media zeigen”, sagt Showrunner Matthias Murmann. Zur Recherche wurde etwa mal die Taktung in einer Stufen-WhatsApp-Gruppe einer heutigen Schülerin untersucht. Ergebnis: ein irrwitziges Tempo. „Durchschnittlich bekommt diese Generation 1500 Nachrichten pro Woche”, sagt Murmann.

Hauptfigur Moritz ist im Vergleich zu seinen Generationskollegen dabei eigentlich schon ein wenig retro. Grob gesagt: Karriere scheint ihm wichtiger als Klima. Das hat Auswirkungen auf die Freundschaft zu Kumpel Lenny, der nun eine Freundin hat, Computergenie Kira (Lena Urzendowsky). Das hat auch Auswirkungen auf die Gespräche mit seinen sehr abgeklärten Handelspartnern in den Niederlanden, die das Start-up mit Pillen versorgen - und Moritz aus Rinseln herauslocken wollen.

Das Dorf, das so sehr nach alter BRD aussieht, ist im Übrigen genau das: Gedreht wurde in Bonn. „How to Sell Drugs Online (Fast)” ist neben „Dark” die zweite dominante deutsche Netflix-Serie, die in der Provinz spielt. Zufall? „Es ist eine Welt, die wir selbst kennen”, sagt Showrunner Philipp Käßbohrer, Kollege von Murmann. „Wir kommen beide vom Dorf und wir kennen das Gefühl, sich zu fragen, was man mit dem Computer, der da im Kinderzimmer steht, machen kann, um raus in die Welt zu kommen”, sagt er. „Zum Glück haben wir uns für was mehr oder weniger Vernünftiges entschieden.”

© dpa-infocom, dpa:200717-99-825051/2 (dpa)