Rainer Maria Woelki wählt den Nachfolger von Franziskus mit. Im Interview sagt er, wie viele Mitbrüder er bisher für geeignet hält und was er im Konklave liest.
Interview vor dem KonklaveKardinal Woelki über seine Erfahrungen in Rom und die Papstwahl

Kardinal Rainer Woelki im Pontifikalrequiem für Papst Franziskus am 23. April 2025 im Dom. Woelki ist einer von drei deutschen Kardinälen, die den neuen Papst wählen.
Copyright: Erzbistum Köln / Schoon
Vor dem Konklave ab kommendem Mittwoch beraten in Rom die Kardinäle über die Lage der Kirche und einen möglichen Papst. Kölns Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, ist seit knapp einer Woche in Rom. Im Gespräch schildert er seine bisherigen Eindrücke.
Herr Kardinal Rainer Maria Woelki, Sie sind seit Donnerstag in Rom. In drei kurzen Worten: Wie erleben Sie die Atmosphäre beim Vorkonklave?
Woelki: Ich erlebe die Atmosphäre als sehr, sehr gesammelt. Ich erlebe sie als sehr geistlich. Es sind viele, viele Menschen, die uns Kardinälen immer wieder ihres Gebetes versichern. Und ich erlebe sie unter den Kurialen als sehr brüderlich und herzlich.
Aus 133 Kardinälen sollen Sie das nächste Kirchenoberhaupt mitwählen, was keine einfache Aufgabe ist. Wie viele kannten Sie vorher schon und wie viele meinen Sie gut zu kennen?
Es ist ja ein Geschehen, das sich über einige Tage hinzieht. In meiner Unterkunft, dem Gästehaus Santa Marta, ist man im Gespräch bei den Mahlzeiten. Ansonsten feiern wir Gottesdienste und beten miteinander. In der Synodenaula, wo die Generalkongregationen stattfinden, herrscht eine sehr sachliche, sehr konzentrierte Atmosphäre. Die Wortbeiträge der Einzelnen sind auf den Punkt gebracht. Hinzu kommen Gespräche in den Kaffeepausen und sonst am Rande dort, durch die man sich näher kennenlernt.
Das, was uns Papst Franziskus immer wieder gelehrt hat, die Unterscheidung der Geister und das Gespräch im Heiligen Geist, aufeinander zu hören, kann sehr hilfreich sein. Über einen solchen Weg können wir tatsächlich unter der Führung des Geistes erkennen, wen der Herr selbst ausgewählt hat, und den wir dann auch wählen werden.
Noch einmal nachgefragt: Wie viele Ihrer Kardinalsmitbrüder haben Sie in den vergangenen Jahren mehrfach und besser kennengelernt?
Ich würde sagen: gut die Hälfte. Durch die Besuche hier in Rom und natürlich auch durch die Konferenzen in den verschiedenen Dikasterien.
Als Erzbischof von Köln und deutscher Kardinal vertreten Sie einerseits das Erzbistum Köln und mit Reinhard Marx und Gerhard Ludwig Müller auch die deutschen Katholiken. Andererseits sollen Sie als Kardinal die Weltkirche im Blick haben. Von wem haben Sie sich vor dieser Wahl Impulse geben lassen, beraten, ausgetauscht?
Ich glaube nicht, dass ein solches Konklave ein kirchenpolitisches Ereignis ist. Auch wenn es Auswirkungen hat auf die Kirche. Es muss derjenige gefunden werden, dessen Herz dem Herzen Jesu am ähnlichsten ist. Ich habe mich nicht groß mit Menschen aus dem Erzbistum Köln beraten, und vertrete im Konklave auch nicht die Kirche in Köln oder in Deutschland. Als Bischof bin ich in diesem geistlichen Prozess vor allem meinem Gewissen verpflichtet.
Es sind die Fragen rund um KI und die anderen wissenschaftlichen Herausforderungen bis hin zur Wahrnehmung, dass Demokratien es augenscheinlich heute schwerer haben als noch vor einigen Jahren. Der Autokratismus entwickelt sich leider dynamisch.
Für die Unterscheidung der Geister müssen Sie sich aber doch austauschen über Lage und Herausforderungen der Kirche. Welches sind dafür die wichtigsten Kriterien, aus denen Sie Hinweise für Ihre Entscheidung erhalten?
Es sind natürlich die großen Themen, die vielerorts angesprochen werden: Evangelisierung, die zunehmende Säkularisierung, Herausforderungen durch die Kriege. Es sind die Fragen rund um KI und die anderen wissenschaftlichen Herausforderungen bis hin zur Wahrnehmung, dass Demokratien es augenscheinlich heute schwerer haben als noch vor einigen Jahren. Der Autokratismus entwickelt sich leider dynamisch.
Dazu suchen wir auf Basis der Heiligen Schrift, des Glaubens und der Lehre der Kirche diese Zeichen der Zeit zu deuten. Da bringt sich jeder in seiner Weise ein. Durch die Art, wie er das tut, werden wir aufmerksam auf diesen oder jenen Mitbruder. Es passiert dann, dass einer kommt und sagt: Das Statement dieses Kardinals hat mich wirklich angesprochen, überzeugt. Wie ist es Dir damit gegangen? So wächst möglicherweise eine Bewegung, die sich im Konklave weiter manifestieren wird.

Kardinal Rainer Woelki trägt sich im Kölner Dom ins Kondolenzbuch für Papst Franziskus ein.
Copyright: Erzbistum Köln / Schoon
Die erste Abstimmung im Konklave dient eher der Sondierung der Lage und der Mehrheitsverhältnisse. Einzelne Kardinäle haben schon gesagt, sie wüssten, wem in der ersten Runde sie ihre Stimme geben wollen. Sie überlegen noch?
Ja. Ich habe mich noch nicht entschieden, habe aber drei, vier Kandidaten, von denen ich mir gut vorstellen kann, dass sie für dieses Amt geeignet sein könnten. Ich lasse mir aber Zeit; es dauert ja noch ein paar Tage.
Konklave heißt: abgeschieden sein - kein Handy, kein Tablet, Radio. Nehmen Sie irgendein Buch mit?
Antwort: Neben der Heiligen Schrift habe ich ein Buch dabei von Bartholomäus a Martyribus: „Stimulus Pastorum: Zur Spiritualität des Hirtenamtes“. Der Erzbischof der portugiesischen Stadt Braga gehörte zu den bedeutenden Teilnehmern des Konzils von Trient und besaß über Jahre ein hohes Reformbewusstsein zu Wesen und Aufgabe des kirchlichen Amtes. Das Buch gehört zu den meistgelesenen Bischofsspiegeln der frühen Neuzeit.
Das andere Buch ist die Autobiografie von Joachim Fest: „Ich nicht: Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend“. Die schrieb er nicht zuletzt angesichts der Herausforderungen im Dritten Reich. Besonders angesprochen hat mich dort das Lebensmotto seines Vaters, das dieser seinen Kindern in der Nazi-Zeit mitgegeben hat: „Etiam si omnes, ego non - Auch wenn alle, ich nicht“. Weiter gefasst: Auch wenn alle zustimmen, muss es nicht die Wahrheit sein. Ich glaube, dass dies ein schönes Lebensmotto sein kann. (kna)