Die Anzeige stammt vermutlich von einem Verwandten Joseph Ratzingers. Das Online-Magazin kritisiert die Ermittlungen.
„Queerfeindlicher Hetzer“Polizei ermittelt nach kritischem Bericht über Papst Benedikt XVI. gegen queer.de
Die Berliner Polizei hat wegen eines Berichts über Papst Benedikt XVI., bürgerlich Joseph Ratzinger, strafrechtliche Ermittlungen gegen das Online-Magazin „queer.de“ eingeleitet, das berichtet der Herausgeber des Magazins, Micha Schulze, in eigener Sache. Das LGBTQI-Portal hatte das ehemalige Oberhaupt der katholischen Kirche zuvor als „queerfeindlichen Hetzer“ bezeichnet.
Bereits am 31. Dezember, dem Todestag Ratzingers, sei über die Internetwache Anzeige wegen „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ gestellt worden, daraufhin sei ein Strafverfahren eingeleitet worden, bestätigte ein Polizeisprecher gegenüber der „taz“.
Nach Kritik an Papst Benedikt XVI: Ermittlungen gegen queer.de
„Auch nach über 30 Jahren im queeren Journalismus erlebe ich noch echte Überraschungen“, schrieb Herausgeber Schulze am Montag in einem Beitrag auf der Webseite des Magazins. „Am Freitag informierte uns die Polizei Berlin, dass sie gegen queer.de ermittelt.“ Grund sei ein am Silvestertag veröffentlichter Artikel mit dem Titel „Mit Ratzinger starb einer der größten queerfeindlichen Hetzer“. Im Falle einer Verurteilung droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.
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Wer die Anzeige erstattet habe, sei dem Portal bislang nicht bekannt, berichtete Schulze weiter. Da der Straftatbestand jedoch ein Antragsdelikt sei, dürften nur Angehörige Ratzingers antragsberechtigt sein, führte der Herausgeber aus. „Ich erwäge aus großer Neugier nun doch, eine Anwaltskanzlei einzuschalten und Akteneinsicht zu beantragen.“
DJU kritisiert Ermittlungen gegen queer.de: „Der Text entspricht dem Pressekodex“
Der Geschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, Jörg Reichel, kritisierte den Vorgang als „Behinderung von Pressearbeit“, die Ermittlungen „müssen umgehend eingestellt werden“, forderte Reichel. „Der Text entspricht dem Pressekodex.“
Queer.de-Herausgeber Schulze kündigte an, nicht mit der Polizei kooperieren zu wollen. „Ich werde der Polizei keine freiwilligen Auskünfte erteilen.“ Bereits die Vorermittlungen und die Annahme eines Anfangsverdachts würden „deutlich zu weit gehen“, so Schulze. „Mein Vertrauen in den Rechtsstaat und die Pressefreiheit in Deutschland ist aber groß genug, dass ich mir im nächsten Schritt eine Durchsuchung der Redaktionsräume, einen Strafbefehl, eine Anklage oder gar eine Verurteilung nicht vorstellen kann“, schrieb Schulze.
queer.de-Herausgeber will nicht mit Polizei kooperieren
Der Herausgeber sieht unterdessen auch einen positiven Aspekt in den Ermittlungen. „Sie geben uns Gelegenheit, Joseph Ratzingers oft verharmloste Queerfeindlichkeit noch einmal in das öffentliche Bewusstsein zu rücken“, schrieb Schulze – und blieb bei der ursprünglich von dem Portal verwendeten Bezeichnung für Papst Benedikt XVI, der bereits als Kardinal von „einem regelrechten Anti-Homo-Wahn besessen“ gewesen sei.
Ein Schwerpunkt des Pontifikats Ratzingers sei der Kampf gegen rechtliche Gleichstellung von lesbischen und schwulen Paaren gewesen, so Schulze. Dabei habe sich Ratzinger immer wieder „menschenverachtender Rhetorik“ bedient.
queer.de bleibt bei scharfer Kritik an Papst Benedikt XVI.
So habe der ehemalige Papst noch in einem 2020 erschienen Buch die Ehe für alle als „Deformierung des Gewissens“ bezeichnet, die „im Widerspruch zu allen bisher aufeinander folgenden Kulturen der Menschheit“ stehe. Dafür habe Ratzinger die „geistige Macht des Antichrists“ verantwortlich gemacht.
„Wir erleben schon seit einiger Zeit, dass queerfeindliche Gruppierungen und Personen unsere Redaktion mit Strafanzeigen – oder der Drohung, Anzeige zu erstatten – einschüchtern wollen“, sagt Schulze zudem gegenüber der „taz“. Bisher habe das allerdings nie zu Ermittlungen geführt.