Coburg – Nach der Katastrophenflut des Juli kommt Bewegung in die jahrelange Debatte über eine Pflichtversicherung gegen Naturgewalten. Die Versicherer sprechen über ein Modell, demzufolge für sehr hohe und schwere Schäden eine Elementar-Pflichtversicherung denkbar wäre.
„Wir diskutieren im Gesamtverband der Versicherungswirtschaft sehr aktiv, wie Lösungsmöglichkeiten aussehen können“, sagte HUK-Coburg-Vorstandsmitglied Jörg Rheinländer der Deutschen Presse-Agentur „Vielleicht kriegt man die Politik dahin, dass man ganz extreme Ereignisse verpflichtend absichert, also mit sehr hohen Selbstbehalten. Zwischen diesen sehr hohen Schäden und den niedrigen könnte man eine privatwirtschaftliche Lösung finden.“
Viele Häuser und Firmen in Katastrophen-Gebieten waren nicht versichert
Anlass ist die Tatsache, dass viele Menschen und Firmen in den Katastrophengebieten für Häuser und ihr Hab und Gut keine Elementarpolicen gegen Überschwemmungen und Hochwasser abgeschlossen hatten. Die Bundesregierung plant bis zu 30 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe. Der Branchenverband GDV geht davon aus, dass sich der versicherte Gesamtschaden am oberen Rand seiner Schätzung von 4,5 Milliarden bis 5,5 Milliarden Euro bewegen wird.
Viele Versicherer standen einer Pflichtversicherung bislang skeptisch bis ablehnend gegenüber – unter anderem wegen der Befürchtung, dass Hausbesitzer dann den eigenverantwortlichen Schutz ihrer Gebäude vernachlässigen könnten.
„Viele der beschädigten Häuser wären versicherbar gewesen“
„Ganz viele Häuser, die nun sehr stark beschädigt sind oder nicht mehr existieren, wären einfach versicherbar gewesen“, sagte Rheinländer. Bei der HUK Coburg sind nach seinen Angaben 4200 Schadensmeldungen in der Gebäudeversicherung eingegangen, beim Hausrat weitere 2000, außerdem 7500 weitere über beschädigte Autos. Doch das sind nur die Zahlen der Kunden, die tatsächlich elementar- beziehungsweise kaskoversichert sind.
„Es sind deutlich mehr Schäden gemeldet worden, weil die Kunden zum Teil nicht wussten, ob sie eine Elementarversicherung abgeschlossen haben oder nicht“, sagte Rheinländer. „Das sind sehr schlimme und belastende Situationen, auch für unsere Mitarbeiter.“
Die Versicherer wollten die Diskussion über eine Pflichtversicherung aktiv mitgestalten, sagte Rheinländer über die Gespräche im GDV. „Die jetzige Situation ist keine, die man eigentlich haben möchte.“ Ungeachtet aller politischen Appelle nach den Überschwemmungen der Vergangenheit ist bisher etwas mehr als die Hälfte der deutschen Hausbesitzer elementarversichert.
Schadensregulierung bei komplett verlorenen Häusern einfacher
Dass sämtliche Schäden schnell abgerechnet sind, ist nicht zu erwarten. „Wir haben unsere Prozesse geändert, gehen sehr schnell hinein und leisten substanzielle Vorschusszahlungen, damit die Kunden wieder handlungsfähig sind“, sagte Rheinländer für das eigene Unternehmen. „Wir haben mittlerweile die Gebäude und Hausratsschäden weitestgehend komplett aufgenommen und ungefähr die Hälfte mit Sachverständigen begutachtet. In zwei Wochen sollten wir mehr oder weniger überall mit Sachverständigen vor Ort gewesen sein.“
Bei komplett verlorenen Häusern sei die Regulierung relativ einfach. „Dann können wir meist die Versicherungssumme auszahlen.“ In anderen Fällen würden Vorschüsse gezahlt. „Dann wird abgerechnet, wenn die Rechnungen kommen. Das heißt aber auch, dass die Regulierung des letzten Schadens sich aufgrund des Handwerkermangels länger hinziehen wird. Wir hatten ja vorher schon Handwerker- und Materialmangel in Deutschland, die Schwierigkeiten sind jetzt noch einmal größer.“
Versicherung behebt nur materielle Schäden
Doch nicht nur die Gebäude- und Hausratschäden sprengen nach Rheinländers Worten den Rahmen des bisher Gewohnten: „Bei den Autos haben wir einen sehr hohen Anteil von Totalschäden, ich gehe von über 80 Prozent aus.“
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Eine Pflichtversicherung könne materiell helfen, sagte Rheinländer. „Aber nach so einem Ereignis müssen wir uns als Erstes die Frage stellen, wie wir Tote und großes Leid vermeiden. Dazu zählt der Hochwasserschutz, dazu zählt öffentliche Infrastruktur, die vernünftiger gewartet werden sollte.“ (dpa)