- Der Bestandsschutz für den Nahverkehr endet im Dezember. Dann ist der Taktfahrplan gefährdet.
- Im Rheinland könnte das schon im kommenden Jahr zum Beispiel zur Folge haben, dass einzelne Züge der Regional-Express-Linie 9 zwischen Aachen und Siegen nicht mehr über den Kölner Hauptbahnhof und den Bahnhof Messe/Deutz fahren.
- Sie würden über Köln-Süd und die Güterzugstrecke über die Südbrücke umgeleitet werden müssen.
- Lesen Sie hier die Hintergründe.
Köln/Berlin – Vor einem halben Jahr hat Heiko Sedlaczek zum ersten Mal Alarm geschlagen.
Der Geschäftsführer des Nahverkehr Rheinland (NVR) fürchtet, dass der über Jahre mühsam erkämpfte Takt-Fahrplan im Nahverkehr nach dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember Zug um Zug zerbröseln könnte.
Der Grund: Die Deutsche Bahn, als Netzbetreiber für die Vergabe der Trassen zuständig, hat sämtliche Rahmenverträge gekündigt, die bislang für einen gewissen Bestandsschutz von Nahverkehrsfahrten gegenüber den Fahrten des Fern- oder Güterverkehrs gesorgt haben. Künftig werden die Bahnbetreiber Vorfahrt haben, die für die Trassen-Nutzung mehr zahlen.
Regionalzüge auf Umwegen
Im Rheinland könnte das schon im kommenden Jahr zum Beispiel zur Folge haben, dass einzelne Züge der Regional-Express-Linie 9 zwischen Aachen und Siegen nicht mehr über den Kölner Hauptbahnhof und den Bahnhof Messe/Deutz fahren, sondern über Köln-Süd und die Güterzugstrecke über die Südbrücke umgeleitet werden müssen. Andere müssten zehn Minuten in Kerpen-Horrem warten, damit sie dort von anderen Zügen überholt werden können. Allein der Umweg, den der RE 9 nehmen müsse, führe über so viele Kreuzungspunkte, dass sich Verspätungen nicht vermeiden ließen, so der NVR. „Normale“ Trassen sind für Fernzüge des Flixtrain und einen weiteren Betreiber reserviert, die ab Frühjahr 2021 zwischen Aachen und Hamburg pendeln wollen.
Das Problem betrifft alle Verkehrsverbünde in NRW und im benachbarten Rheinland-Pfalz. Vor allem in den Ballungsgebieten ist die Nachfrage nach Trassen so groß, dass es immer wieder zu Konflikten kommt. Bei Streitfragen gilt: Wer mehr bezahlt, darf fahren. Da bleibt der Nahverkehr schon deshalb chancenlos, weil die Fernzüge schon wegen der längeren Fahrwege mehr zahlen müssen.
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In einer gemeinsamen Resolution haben die Verkehrsverbünde die DB Netz AG deshalb aufgefordert, dem Nahverkehr auch künftig Vorrang einzuräumen. Dies sehe das Eisenbahnregulierungsgesetz ausdrücklich vor. Es habe keinen Sinn, einem Fernverkehrszug, der nur einmal am Tag fahre, den Vorzug vor einer Pendlerverbindung zu geben und damit den Taktfahrplan durcheinanderzubringen, argumentiert der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr.
Die DB Netz AG könne bei der Trassenvergabe nicht völlig frei entscheiden. Sie müsse sich an europäisches Eisenbahnrecht halten, sagt Andreas Geißler, Referent für Verkehrspolitik beim Interessenverband Allianz pro Schiene. „Wir haben ein ungelöstes Problem.“ Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte erst im Sommer den Deutschland-Takt vorgestellt, der bis 2030 Stück für Stück eingeführt werden soll. „Wie wir diesen Takt mit dem Europarecht in Einklang bringen sollen, ist unklar. Wir brauchen eine saubere juristische Lösung.“
Gespräche laufen seit Monaten
Die EU schreibe den freien Marktzugang für jedes Eisenbahn-Unternehmen vor. Seit Monaten liefen Gespräche zwischen der DB Netz AG, der Bundesnetzagentur, den Verkehrsunternehmen und den Aufgabenträgern, die den Nahverkehr in den Regionen und Bundesländern organisieren. „Das ist ein dickes Brett. Das kann man nicht innerhalb von 14 Tagen bohren.“
Der Bestandsschutz für den Nahverkehr falle zum Fahrplanwechsel weg, ohne dass es eine neue Regelung gebe. „Jetzt fällt uns vor die Füße, dass wir seit Jahrzehnten viel zu wenig in den Ausbau der Schiene investiert haben. Dort wird es immer voller und die Konflikte nehmen zu“, sagt Geißler. „Die Takte dürfen nicht kaputtgefahren werden. Reisende müssen sich darauf verlassen können, dass sie jede Stunde oder jede halbe Stunde den gleichen Anschluss und Halt haben.“ Die DB Netz AG habe keine Möglichkeit, die alten Rahmenverträge so lange zu verlängern, bis eine neue Lösung gefunden sei.