AboAbonnieren

„Da werden Lügen verbreitet!“Grünen-Politikerin bringt BSW-Chefin in ZDF-Talk zum Ausrasten

Lesezeit 6 Minuten
Sahra Wagenknecht (l.) spricht neben Amira Mohamed Ali, Parteivorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), bei einer Pressekonferenz. (Archivbild)

Sahra Wagenknecht (l.) spricht neben Amira Mohamed Ali, Parteivorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), bei einer Pressekonferenz. (Archivbild)

Nach dem Wahldebakel stehen Sachsen und Thüringen vor der Herausforderung, eine Regierung zu bilden.

Die CDU steckt nach den Landtagswahlen im Osten in der Gewinnerklemme: Nachdem sie in Sachsen knapp vor der AfD siegte und in Thüringen die Nummer zwei wurde, muss sie jetzt mit der Partei von Sahra Wagenknecht (BSW) „ziemlich beste Freunde“ werden. Dass man mit den Linken, vor allem aber mit der AfD „keine gemeinsame Sache“ machen würde, wäre Wolfgang Bosbach (CDU) zufolge oft genug betont worden.

Bei „Maybrit Illner“ (ZDF) tat er es am Donnerstagabend in der Sendung zum Thema „Nach dem Wahldebakel - neue Hürden, alte Tabus?“ erneut. Man dürfte noch nicht einmal „kurz über die Brandmauer rüberwinken“, meinte der Politiker, der den Wahlkampf im Osten unterstützte. „Es gibt Fragen, wo sich Demokraten streiten, und Themen, in denen sich Demokraten einig sein müssen.“ Der Meinung war auch Amira Mohamed Ali, Parteivorsitzende des BSW, und schloss eine Zusammenarbeit mit der AfD aus.

Katharina Dröge von den Grünen befürchtet „eine Verhamlosung des BSW“. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)

Katharina Dröge von den Grünen befürchtet „eine Verhamlosung des BSW“. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)

Auf die Frage, ob sie sich jetzt auf die Kollaboration mit der CDU freue, konnte Ali nur müde lächeln. Man wäre bereit, in Gespräche zu gehen, antwortete sie diplomatisch und fügte hinzu: „Es gibt kein Szenario, das undenkbar für uns ist. Man muss an der Sache sehen: Kann das eine vernünftige Regierung werden? Das Letzte, was wir brauchen, ist noch eine schlechte Regierung“, bezog sie sich wohl auf die Ampelkoalition.

Alles zum Thema Wolfgang Bosbach

Juli Zeh: „Wer ist in irgendeiner Partei Kamala Harris?“

„Ist die SPD trotz oder wegen Scholz in diesen Ländern gewählt worden?“, lautete die provokative Frage von Maybrit Illner. „Die Bundespolitik hat eine große Rolle gespielt“ - netter als der aus Niedersachsen zugeschaltete SPD-Ministerpräsident Stephan Weil hätte man die Antwort kaum formulieren können, musste die Moderatorin zugeben. „Der Kanzler hat es in der Dreier-Konstellation schwer, aber wenn nach diesen Ergebnissen keine politische Vernunft einkehrt, dann weiß ich auch nicht“, plädierte Weil für gemeinsames Handeln und geschlossenes Auftreten nach außen.

Vorgehen wie bei der Entwicklung des Sicherheitskonzepts nach dem Anschlag in Solingen sollten nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel sein, forderte der SPD-Mann. Vor allem für Themen wie den Ukraine-Krieg und Migration, die bei der Landtagswahl eine große Rolle gespielt hätten, müssten Lösungen gefunden werden.

„Braucht die SPD einen Kamala-Harris-Moment?“, wollte Maybrit Illner von Juli Zeh (Schriftstellerin, Juristin, Richterin am Verfassungsgericht Land Brandenburg) wissen. Und schloss gleich eine weitere Frage an: „Wer ist in der SPD Kamala Harris?“ Eine Frage, die Zeh mit einer Gegenfrage beantwortete: „Wer ist irgendeiner Partei Kamala Harris?“ Doch kaum ausgesprochen, hatte sie eine Antwort parat (“für den Satz werde ich geschlachtet“): Vielleicht Sahra Wagenknecht, die aus dem Stand heraus mit ihrer Partei zweistellige Zustimmungswerte bei den Landtagswahlen erhalten hatte.

Wolfgang Bosbach (CDU): „Wir brauchen eine Koalition schwarz-rot-gold.“

Für die Moderatorin war das der Moment, wieder auf die CDU zu sprechen zu kommen: Zu ersten Gesprächen mit dem BSW hätte man sich bereit erklärt. Das hätte laut Bosbach allerdings rein formale Gründe. Denn inhaltlich wäre seine Partei von einer Partei, die von „Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht kommt“, meilenweit entfernt. Jetzt allerdings auch mit dem BSW einen Unvereinbarkeitsbeschluss zu treffen, wäre seiner Ansicht nach gefährlich: „Alle, die dazwischenrufen 'auf keinen Fall', möchte ich erleben, wenn in einem dritten Wahlgang in Thüringen Björn Hoecke zum Ministerpräsidenten gewählt wird“, warnte er vor den Folgen.

Man dürfe noch nicht einmal „kurz über die Brandmauer rüberwinken“, mahnt Wolfgang Bosbach. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)

Man dürfe noch nicht einmal „kurz über die Brandmauer rüberwinken“, mahnt Wolfgang Bosbach. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)

„Fallt der Landespartei nicht in den Rücken“, plädierte er dafür, „die Jungs machen“ zu lassen. Es ginge ja noch nicht um Koalitionsverhandlungen, sondern um ein Zusammensetzen und Ausloten von Gemeinsamkeiten. Auch wenn er skeptisch wäre, dürfe keine Gelegenheit verabsäumt werden: Die politische und wirtschaftliche Stabilität des Landes wäre auf der Kippe. Jetzt müsse man parteiübergreifend alles unterlassen, „was die Wähler weiter in Extremismus treibt“, argumentierte er: „Wir brauchen eine Koalition schwarz-rot-gold.“

Die SPD würde sich konstruktiv verhalten, aber die „schwere Aufgabe, eine regierungsfähige Mehrheit jenseits der AfD herzustellen“, Michael Kretschmer und Mario Voigt überlassen. Es war nicht das erste Mal in dieser Sendung, dass sich Weil mit seinem Unions-Kollegen in trauter Einigkeit präsentierte. Als Hinweis auf eine neue Koalition, wie Illner einwarf, wollte er es nicht gedeutet wissen. Vielmehr handelte es sich um „gemeinsame Werte der Demokraten“, und die sähe er auch bei der BSW: Zwar wäre die junge Partei „in vielen Punkten eine Wundertüte“, miteinander reden könnte man aber. „Ob es zu einem Ergebnis reicht, ist eine andere Frage.“

Man dürfte keinesfalls die Gelegenheit verpassen, die „Baustellen anzupacken“, unterstützte Zeh die Aussagen der beiden Politiker. Statt sich zu profilieren oder sich abzugrenzen, ginge es jetzt darum, „auf ganz pragmatische Art und Weise Schnittmengen zu finden“. Was auf Landesebene stattfinden müsste, davon könnte sich auch die Bundesregierung ihrer Ansicht nach ein Stück abschneiden.

Bei Maybrit Illner diskutierten am Donnerstag (von links) Amira Mohamed Ali, Wolfgang Bosbach, Katharina Dröge, Juli Zeh und Stephan Weil. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)

Bei Maybrit Illner diskutierten am Donnerstag (von links) Amira Mohamed Ali, Wolfgang Bosbach, Katharina Dröge, Juli Zeh und Stephan Weil. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)

„Widerspruch!“, konterte Katharina Dröge (Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag), „es geht dem BSW um außenpolitische Themen, und es ist eine Verharmlosung des BSW, wenn wir nicht darüber sprechen.“ Sie verwies auf massive Einflussnahmen von Russland, um Wagenknecht und ihre Partei zu stärken. Die Art und Weise, wie diese Politik mache, würde die Gesellschaft gezielt destabilisieren.

Die Vorwürfe wären „nicht aus der Luft gegriffen“, konnte Bosbach die Bedenken Dröges nachvollziehen. Allerdings ginge es im Moment nur um ein „vorsichtiges Herantasten“ ans BSW auf Länderebene. „Frieden wollen wir alle“, setzte er darauf, Gemeinsamkeiten zu betonen, „auch ich habe die Sorge, dass es einen Abnutzungskampf gibt. Ich weiß nur eines, die Nachkriegsordnung wird ad absurdum geführt, wenn es sich lohnt, andere Länder zu überfallen.“

Dass die Ukraine-Frage nicht auf Landesebene entschieden werde, darüber war sich auch Mohamed Ali klar. „Wir erwarten aber, dass sich die Landesregierung dazu erklärt und sagt, dass es mehr diplomatische Initiativen auf Bundesebene braucht“, zeichnete sie die Position des BSW. Darüber hinaus sollte die Landesregierung die Mittelstreckenraketen klar kritisieren und ablehnen - ebenso wie das drei Viertel der Menschen in Thüringen und Sachsen tun, wie sie hinzufügte.

Mohamed Ali: „Dann sollten Sie gegen Russland ermitteln, was haben wir damit zu tun?“

Und dann durfte, nein, sollte sie auf Dröges Vorwürfe antworten - ein Thema, das der BSW-Bundesvorsitzenden sichtlich unter den Nägeln brannte: Es handele sich dabei um eine „erhebliche Kampagne gegen das BSW“, „massive Diffamierungen“ und „selbst wenn man sich einmal in einer Aussage irrt, heißt das nicht, dass man gezielte Desinformationen betreibt“. Letzteres machten die Grünen, feuerte sie zurück. „Da werden Lügen verbreitet.“ So hätte Wirtschaftsminister Robert Habeck gesagt, dass das BSW von Russland bezahlt und finanziert würde. Solche Lügen würden den demokratischen Diskurs kaputt machen.

„Es geht um gezielte Wahlbeeinflussung von Russland zugunsten von Parteien, die Russland unterstützen“, erklärte Dröge. Die AfD und BSW gehörten dazu. Die Grünen hätten eine Taskforce zwischen Bund- und Landesregierungen gegen die Wahlbeeinflussung Russlands gefordert.

„Dann sollten Sie gegen Russland ermitteln, was haben wir damit zu tun?“, empörte sich Mohamed Ali. Was Dröge dazu sagen würde, dass Robert Habeck Lügen erzählte? Die lehnte das als Unterstellung ab, und als die BSW-Politikerin meinte, dass der Fall vor Gericht wäre, endete das Duell abrupt: „Dann wird das Gericht entscheiden“, ergab sich Dröge. (tsch)